Steffen Krach: „Zusammenhalt muss in Berlin wieder gelebte Realität werden“
Steffen Krach soll die Berliner SPD im kommenden Jahr als Spitzenkandidat in die Abgeordnetenhauswahl führen. Im Interview sagt er, was ihn zurück in die Hauptstadt zieht, warum er Kai Wegner für ambitionslos hält und was seine Vision für Berlin ist.
IMAGO/Jens Schicke
Designierter Berlin Spitzenkandidat Steffen Krach: Es muss eine der Hauptaufgaben der SPD sein, Vertrauen in die Demokratie zurückzugewinnen.
Was macht für Sie Berlin aus?
Berlin ist die einzige wirkliche Metropole in Deutschland und eine super spannende Stadt. Weltweit haben ganz viele Menschen ein Funkeln in den Augen, wenn sie über Berlin sprechen oder lesen. Gleichzeitig gibt es in Berlin aber auch viele, die sich gerade gestresst fühlen, die Alltagssorgen haben, etwa eine bezahlbare Wohnung zu finden. Für mich persönlich ist Berlin auch ein Zuhause, in das meine Familie und ich gerne zurückkehren.
Sie sind zum Studium nach Berlin gekommen, waren später sieben Jahre Staatssekretär für Wissenschaft unter anderem im Roten Rathaus. Danach sind Sie als Regionspräsident nach Hannover gegangen. Was zieht Sie jetzt zurück in die Hauptstadt?
Für einen Sozialdemokraten ist es eine unfassbare Ehre, in der Stadt von Willy Brandt und vielen weiteren Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten für die SPD als Spitzenkandidat antreten zu dürfen. Und ich habe Berlin im Jahr 2020 auch nicht deshalb verlassen, weil ich nicht mehr hier leben wollte, sondern weil ich die Möglichkeit bekommen habe, in meiner Geburtsstadt als Regionspräsident Verantwortung zu übernehmen.
Meine Biografie spiegelt wider, wie es vielen Berlinerinnen und Berlinern geht. Mit Berlin und Hannover habe ich zwei Zuhause, zwei Orte, denen ich mich verbunden fühle. Als ich jetzt das Angebot bekommen habe, für die Berliner SPD als Regierender Bürgermeister zu kandidieren, habe ich direkt gemerkt, dass ich das machen möchte. Jetzt geht es wieder zurück nach Berlin. Darauf freue ich mich sehr. Und natürlich will ich bei der Wahl im kommenden Jahr gewinnen.
Steffen
Krach
In der Politik ist entscheidend, dass man verlässlich ist und man eine klare Kommunikation hat.
Welche Erfahrungen, die Sie in den vergangenen Jahren als Regionspräsident gesammelt haben, lassen sich auf Berlin übertragen?
Als Kommunalpolitiker ist man sehr nah dran an den Problemen und den Herausforderungen, die die Menschen bewegen. Das ist gerade für Berlin wichtig, weil es hier eine sehr enge Verzahnung zwischen Landes- und kommunaler Ebene gibt. Hier werden mir meine Erfahrungen als Regionspräsident sicher helfen. Hinzu kommt, dass ich in den vergangenen Jahren gelernt habe, was es bedeutet, eine Großstadt mit den Umlandkommunen zu verbinden, im Bereich der Mobilität, aber auch bei der Gesundheitsversorgung und in vielen anderen Bereichen. Das sind Herausforderungen, die es auch in Berlin gibt, etwa mit Blick auf die innerstädtischen und die Außenbezirke, aber auch das Umland. Die wichtigste Erfahrung ist aber eine andere.
Welche?
In der Politik ist entscheidend, dass man verlässlich ist und man eine klare Kommunikation hat. Dass man nicht beim ersten Gegenwind hin und her wackelt, sondern dass man standhaft bleibt und dass man Themen auch ganz konkret anspricht und nicht im Ungefähren bleibt. Viele sagen ja, dass sie das Bildungssystem verbessern oder die Stadt lebenswerter machen wollen. Aber was heißt das ganz konkret? Darauf will ich Antworten geben, die jede und jeder versteht, denn nur so kann man Menschen überzeugen.
Was sind die drängendsten Probleme in Berlin?
Das ist definitiv das Thema Wohnraum. Viele Berlinerinnen und Berliner machen sich Sorgen, ob sie noch ihre Miete zahlen können und ob sie in ihrer Wohnung bleiben können. Und wer neu in die Stadt kommt, hat große Probleme, ein bezahlbares Zuhause zu finden. Ein zweites drängendes Thema ist der gesamte Verkehrsbereich. Sehr viele Menschen sind unzufrieden, weil die S-Bahn nicht fährt, weil die U-Bahn nicht fährt oder weil sie jeden Tag im Stau stehen. Das ist ärgerlich und frustrierend, lässt sich aber lösen. Andere Städte zeigen ja, dass es geht. Und ein drittes Thema ist die Sauberkeit. Für viele ist Berlin so schmutzig, dass sie sich zunehmend unwohl fühlen in der Stadt. Damit dürfen wir uns nicht abfinden.
Bei Ihrer Vorstellung haben Sie den Stil des Regierenden Bürgermeister als „träge, ambitionslos und halbherzig“ bezeichnet. Woran machen Sie das fest?
Das mache ich an den Auftritten und Aussagen von Herrn Wegner fest. Er gibt sich viel zu oft zufrieden mit Kleinigkeiten und hat gar keinen Blick dafür, wie Berlin eigentlich in fünf oder zehn Jahren aussehen soll. Er hat keinen Plan dafür, wie er die Stadt resilient machen will gegen die heißen Sommer, die künftig auf uns zukommen werden. Kurz gesagt: Er hat keine Vision für Berlin und ist meiner Meinung nach nicht der Richtige für das Rote Rathaus.
Wie sieht Ihre Vision für Berlin aus?
Wir müssen unbedingt erhalten, was Berlin ausmacht: Eine tolerante, weltoffene und vielfältige Stadt, in der alle so leben können, wie sie sind. Dabei ist mir wichtig, dass wir uns wieder mehr als Gemeinschaft verstehen. Zusammenhalt statt Abgrenzung oder gar Spaltung. Das muss in Berlin wieder gelebte Realität werden, dafür will ich mit aller Kraft arbeiten. Dann kann uns alles gelingen, was wir uns vornehmen. Wir können in Berlin zeigen, dass das Schaffen von bezahlbarem Wohnraum und der Klimaschutz miteinander vereinbar sind. Dass wir beim Thema Mobilität ein Vorbild sein können. Wir müssen einen öffentlichen Nahverkehr haben, der funktioniert, und bundesweit die beste Fahrradinfrastruktur. Wir sehen, was in Städten wie Paris oder Warschau möglich ist, die in diesen Bereichen mutig vorangehen und investieren. Das können wir auch, wenn wir gemeinsam entschlossen handeln.
Steffen
Krach
Für den Wahlkampf in Berlin wird es darauf ankommen, ein Bild zu skizzieren, mit dem wir optimistisch in die Zukunft blicken.
Bei der Abgeordnetenhauswahl 2023 lag die SPD knapp zehn Prozentpunkte hinter der CDU. In aktuellen Umfragen liegt sie nur noch auf Platz vier. Wie wollen Sie das in einem Jahr aufholen?
Ich habe schon mal einen Wahlkampf begonnen, bei dem mir gesagt wurde, dass er aussichtslos sei. Damals stand die SPD bundesweit bei 13 oder 14 Prozent und am Ende haben wir in der Region Hannover mit über 60 Prozent deutlich gewonnen. Für den Wahlkampf in Berlin wird es darauf ankommen, ein Bild zu skizzieren, mit dem wir optimistisch in die Zukunft blicken. Das von einem neuen Miteinander geprägt ist. Entscheidend wird sein, dass wir intensiv mit den Menschen im Gespräch sind, damit sie sehen, dass wir ihnen zuhören und ihre Belange ernst nehmen.
Und dann klappt es automatisch mit dem Wahlsieg?
Nein, aber es ist wird eine wichtige Grundlage. Genauso wie die große Geschlossenheit, die ich in unserer Partei gerade spüre. Ich sage nicht, dass die SPD in den letzten 20, 30 Jahren alles richtig gemacht hat. Ich sage auch nicht, dass wir für alles immer sofort die perfekte Antwort haben. Stattdessen will ich mit den Menschen ins Gespräch kommen und gemeinsam nach guten Lösungen suchen. Ich bin fest davon überzeugt, dass es uns in den nächsten zwölfeinhalb Monaten gelingen wird, am Ende auf Platz eins zu kommen.
Kann es der SPD so auch gelingen, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen?
Davon bin ich überzeugt, ja. Es muss eine der Hauptaufgaben der SPD sein, Vertrauen in die Demokratie zurückzugewinnen. Ich bin fest davon überzeugt, dass uns das gelingen kann und werde auch dafür kämpfen. Dafür müssen wir besonders die in den Blick nehmen, die gerade komplett das Vertrauen verloren haben und deshalb in politische Bereiche schielen, die außerhalb der demokratischen Strukturen sind. Nur, weil man unzufrieden ist mit der SPD, der CDU oder wem auch immer, kann das nie eine Rechtfertigung dafür sein, die Gegner der Demokratie zu wählen.
Bei Ihrer Vorstellung lautete das Motto „Berlin macht Krach“. Auf wieviele Wortspiele müssen sich die Berliner*innen in den kommenden zwölf Monaten einstellen?
Von mir aus auf keines. Das überlasse ich gerne anderen und freue mich, wenn es lustig ist. Gerade in den digitalen Medien habe ich da in den letzten Tagen einiges gesehen, bei dem ich sehr lachen musste. Ein bisschen Spaß kann auch im Wahlkampf nicht schaden.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.
Der Abgang aus der niedersächsischen landeshauptstadt ist ein schwer zu toppendes Beispiel für Verlässlichkeit und Kommunikation. Ein Politiker der kein Wort zu viel verliert
1. Würde mich sehr interessieren, wann und in welcher Form dieses Interview entstanden ist. Noch ist Krach Regionspräsident in Niedersachsen und wird von den Steuerzahlern dort bezahlt. Jeden Tag gibt es neue Interviews. Wie schafft der Mann das? Ich habe mich bereits an die Kommunalaufsicht gewandt.
2. Also hier die Gesundheitsversorgung als positives Beispiel zu erwähnen ist an Dreistigkeit nicht zu überbieten. Krach trägt persönlich die Verantwortung für die Krankenhausschließung in Lehrte. Die medizinische Versorgung hat sich seitdem drastisch verschlechtert. 31 Ärzte haben einen offenen Brief geschrieben, der Lehrter Stadtrat eine Resolution verabschiedet. Sehr viele Mitarbeiter haben bereits gekündigt. Hier ist nix verzahnt. Die Patienten fahren jetzt mindestens 30 km zum nächsten Krankenhaus. ÖPNV funktioniert nicht. Viele Patienten mit geringem Einkommen wissen nicht, wie sie das bezahlen sollen.
Liebe SPD-Parteizeitung, wenn Ihr die Wahrheit sehen wollt, dann kommt nach Lehrte
Wir haben das Interview in der vergangenen Woche telefonisch geführt. Wo Herr Krach sich dabei aufgehalten hat, ist uns nicht bekannt.
Der Umzug des Krankenhauses von Lehrte nach Großburgwedel war unseres Wissens eine Entscheidung des des Klinikums Region Hannover im Rahmen ihrer "Medizinstrategie 2030".