Einigung im Zollstreit: Der Handelskrieg hat gerade erst begonnen
In letzter Minute haben sich die EU und die USA auf ein Abkommen geeinigt und den drohenden Zollstreit abgewendet. Ein Grund zum Jubeln ist das aber nicht, im Gegenteil. Für den künftigen Handel lässt die Vereinbarung Schlimmes erahnen.
AP Photo/Jacquelyn Martin
Gibt die EU beim nächsten Mal wieder nach? Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Donald Trump haben sich auf einen Zoll-Deal geeinigt.
Nichts an dem gerade vereinbarten „Deal“ zwischen der EU und den USA zur Belegung des Zollstreits ist ökonomisch vernünftig. Auch wenn derzeit Euphemismen wie „Schadensbegrenzung“ oder „Abwendung eines Handelskriegs“ die Runde machen: Der Schaden ist groß und der Handelskrieg ist in vollem Gange. Man muss sich nur einmal vorstellen, es hätte statt der Zölle in Höhe von 15 Prozent Lohnsteigerungen, die ja ebenfalls die Produktionskosten erhöhen, in gleichwertiger Höhe gegeben. Das Jammern und Klagen wäre nicht zu überhören gewesen, obwohl die höheren Löhne im Gegensatz zu den Zöllen der EU Binnennachfrage zu Gute gekommen wären.
Der Deal wendet keinen Handelskrieg ab
Die jetzt verabredeten Zölle, die ein Vielfaches ihres früheren Niveaus ausmachen, werden sich negativ auf die Preise für die Verbraucher*innen und die Gewinne der Unternehmen auswirken. Wachstums- und Beschäftigungseinbußen sind unvermeidlich. Diese mögen sich für Deutschland und vor allem Europa sogar in Grenzen halten. Hinzu kommen aber die wegen der besonders engen Handelsbeziehungen wesentlich stärkeren Wirkungen in den USA selbst sowie für Kanada und Mexiko. Für die USA ist daher mit einer erheblich verteuerten Produktion zu rechnen. Die Unternehmen werden versuchen die erhöhten Kosten auf die Verbraucher*innen abzuwälzen. Daher sind im Lauf der Zeit spürbare Preissteigerungen, vielleicht sogar eine Inflationswelle zu erwarten, die die Kaufkraft merklich einschränken werden.
Diese Belastung wird auch nicht durch Investitions- und Importzusagen seitens der EU und Japan aufgefangen. Diese sind ohnehin als „Bemühenszusagen“ zu verstehen. Man wird sich sichtbar angestrengt bemühen – und erwartbar scheitern. Völlig blauäugig ist nun die Vorstellung, ein Handelskrieg sei auf diese Weise abgewendet worden. Der hat nämlich gerade erst begonnen.
Trumps Vorgehen gegenüber Brasilien lässt Schlimmes befürchten
Das liegt zu allererst an der mangelnden Verlässlichkeit der Trumpschen Zusagen. Seit wann halten sich erfolgreiche Erpresser*innen an Zusagen? Donald Trump ist zudem in seinem bisherigen Leben nicht für das Einhalten von Regeln bekannt geworden, sondern für das Gegenteil. Sein Vorgehen gegenüber Brasilien, bei dem er Zollfragen nicht mehr mit Außenhandelsdefiziten verknüpft, die es in diesem Fall ohnehin nicht gibt, sondern politischen Inhalten, lässt Schlimmes befürchten. So könnte er versuchen die EU zu zwingen, ihre Regulierungsvorschriften für den Digitalsektor zu kassieren. Gibt die Kommission dann auch wieder nach?
Dazu muss man sich die politische Logik der Trumpschen Zollpolitik vor Augen führen. Wie alle in Regierung befindlichen Populist*innen muss er seinen Anhänger*innen tagtäglich seine Machtfülle vor Augen führen. Verhängung, Aufschiebung und neuerliche Verhängung von Zöllen sind solche Machtdemonstrationen, die, wie auch gegenüber Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, mit entsprechendem höfischem Gepränge inszeniert werden.
Friedlicher Handel ist derzeit keine Realität
Was aber, wenn die Deals nun geschlossen sind? Wie demonstriert der Macht getriebene Donald Trump dann seine Macht gegenüber der Welt? Eine recht einfache Möglichkeit wäre, alle Abkommen mit fadenscheinigen Begründungen wieder in Frage zu stellen und neue Zollandrohungen zu erheben. Gibt die EU auch dann wieder nach? Es führt kein Weg an der Erkenntnis vorbei: Friedlicher Handel ist derzeit eine Vision, aber keine belastbare Realität.
ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Er gründete und war von 2005 bis 2019 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.
Gustav Horn ist zuzustimmen
Die Konsequenz ist, dass die SPD in der Bundesregierung die Zustimmung zu diesem katastrophalen Verhandlungsergebnis verweigern muss, um Schaden von der deutschen Bevölkerung und Wirtschaft fernzuhalten.
die Handelsbarrieren sind in Höhe von 15 % sind schlimm, aber von der Exportfixierung der deutschen wirtschaft mit verursacht. Noch schlimmer sind die Zusagen, in Billionenhöhe Energie und Waffen aus den USA zu kaufen. Das steigert die abhängigkeit Europas von den USA und verstetigt diese auf nicht absehbare Zeit. Sinnvolle Preisverhandlungen sind vor dem Hintergrund einer solchen Verpflichtung nicht möglich. Wir werden mit anderen Worten den USA Geld hinterherwerfen und wir werden bestraft, wenn wir nicht in der festgelegten Höhe überweisen.
Es ist für jeden erkennbar, dass der US-Präsident nachkarten würde, wenn wir vor ihm einknicken. Wir wären nicht davor gefeit, dass er den zu teuer erkauften "Deal" wieder in Frage stellt, wenn es ihm in den Kram passt.
" Einigung" im Zollstreit
Fachlich ausgezeichneter Beitrag von Gustav Horn. Er straft die dreisten Beschönigungen der EU-Kommission Lügen!
Wirtschaftlich ist die EU auf dem Weg zu einer Kolonie der USA. Warum unterwirft sich die EU diesem zwischen Größenwahnauftritten golfspielenden Irren Donald Trump???!!! Die EU hätte die Möglichkeit zu sehr schmerzhaften Zollerhöhungen bei US-Ausfuhren in die EU - z.B.: Spirituosen, Textilien, Rindfleisch, Autos, Motorräder. Aber die EU in Persona von Frau von der Leyen zieht lieber ein handels- und wirtschaftspolitisches Ganzkörperkondom an und kriecht dem MAGA-Imperator (gegen den Kaiser Nero im Vergleich ein weiser Mann war) in die Körperöffnung für die Entsorgung der menschlich-körpereigenen Abfälle.
Und die EU kauf jetzt z.B. in den USA für zig Milliarden ökologisch höchst bedenkliches und ökonomisch klar überteuertes Fraking-Gas! Wo leben wir? Diese Irren und Unterwürfigen führen die Welt an den Rand des ökologischen und ökonomischen Abgrunds. Nein sagen!
" Einigung" im Zollstreit
Richtig, Helmut. Flintenuschi hat sich von Trump, dem sie wohl näher zu stehen scheint als der Bevlökerung der EU, über den Tisch ziehen lassen. Über Monate wurde diskutiert, wie die EU dem Zolldiktat von Trump entgegnet werden könnte, und dann kommt ein solches mageres Ergebnis heraus. Aber nach ihrer Zeit als Ministerin mit Negativrekorden, der Tatsache, dass Merkel sie nach Brüssel abgeschoben hat, und dass Leute wie Orban sie akzeptiert haben, ist von ihr nichts Positives zu erwarten!
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„Der Handelskrieg hat gerade erst begonnen“.
Gustav Horn bringt es auf den Punkt.
Allerdings liegt er nicht ganz richtig in seiner Beschränkung auf eine rein ökonomische Betrachtung. Für die EU saß auch die latente Drohung der USA, ihren Schutzschild Nato einzuziehen, mit am Verhandlungstisch. Und da wir alle wissen, dass wir uns nicht allein verteidigen können, aber etwa 2029 mit einem russischen Angriff rechnen müssen, bleibt uns gar nichts Anderes übrig, als den Forderungen der USA weitestgehend entgegen zu kommen – auch, wenn wir die vielleicht schon als hybriden Krieg einordnen könnten.
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Friedlicher Handel war…
Friedlicher Handel war einmal, EU ist zum Steigbügelhalter der Tramp USA geworden. 15% Lohn- Rentenerhöhung wäre jetzt angebracht!