Meinung

Erneuerbare Energien: So gelingt bei der Energiewende auch die Kostenwende

Strom in Deutschland ist teuer. Verantwortlich werden dafür häufig die Erneuerbaren Energien gemacht. Dabei ließen sich Energie- und Kostenwende gut miteinander vereinbaren – wenn ein paar Dinge geändert würden.

von Bernd Schwarz · 16. Juli 2025
Mehrfamilienhaus mit Solarzellen auf dem Dach

Mehrfamilienhaus mit Solardach in Essen: Lokal erzeugte Energie muss auch lokal verbraucht werden.

Die energiewirtschaftlichen Ziele der neuen Regierungskoalition sind in zwei Punkten deutlich formuliert worden im Koalitionsvertrag. Einerseits sollen die Emissionsziele eingehalten werden und andererseits soll eine „Kostenwende“ umgesetzt werden.  

Die übereinstimmende Meinung fast aller Parteien und auch der Wirtschaft lautet: starker und schneller Ausbau der Verteil- und Transportnetze sowie die Änderung der Netzentgeltsystematik sowie modifizierte Abschaltregelungen für private Dach-PV-Anlagen sind erforderlich, um die Kosten der Transformation zu reduzieren. 

Gemäß den Veröffentlichungen der Bundesnetzagentur sind in den kommenden Jahren Investitionen von rund 300 Milliarden Euro in die Netze geplant. Der Bundesrechnungshof geht von noch höheren Investitionskosten aus.

Die Höhe der Kapitalinvestition bestimmt die Rendite

In den vergangenen Jahren haben sich die Netzentgelte bereits erheblich erhöht und diese geplanten Investitionen würden eine zusätzliche Erhöhung der Netzentgelte bewirken. 

Ist diese Entwicklung zwingend erforderlich oder entspricht dies mehr dem wirtschaftlichen Interesse der klassischen Energieunternehmen in der Marktrolle des Netzbetreibers?  Unbestreitbare Tatsache ist, dass die Höhe der Kapitalinvestition den Umsatz und auch die Rendite bestimmt. 

Welche technischen Gründe haben den erforderlichen Netzausbau in der Vergangenheit verursacht? Im Zeitraffer betrachtet wurden in der Anfangszeit (ab ca. 1870) dezentrale Kleinkraftwerke in die Häuser gebaut, um die Gasbeleuchtung durch elektrisches Licht zu ersetzen. Nach Erfindung der Transformatoren wurden durch die Industrie zur Eigenversorgung zentrale Großkraftwerke gebaut und die Energie über Hochspannungsleitungen und Verteilnetze in den Städten zu den Verbrauchern geleitet. 

Ausschließlich die Verbraucher tragen die Kosten der Netze

Diese Struktur der Energieerzeugung und des Verbrauchs galt uneingeschränkt bis etwa 2000. Durch das „erneuerbare Energiegesetz“ (EEG) veränderte sich anschließend die topologische Struktur der Erzeuger. Stand heute speisen etwa vier Millionen Prosumer in den Mittagsstunden hohe Peak-Leistungen – die den Eigenbedarf überschreiten – in die Netze ein. Die Richtung des Lastflusses ist dadurch in den Peakstunden umgedreht und verursacht den Ausbau der Netzkapazitäten. 

Die Struktur der erneuerbaren Kraftwerke (Wind und PV) ist eindeutig ein Ergebnis der bisherigen Regulierung. Gegenwärtig besteht das soziale Ungleichgewicht, dass alle Energieverbraucher über die Netzentgeltkosten die Betreiber und Investoren von erneuerbaren Erzeugungsanlagen subventionieren. Bisher tragen ausschließlich die Verbraucher die Kosten der Netze. Einspeiser von Energie zahlen keine Netzentgelte. 

Lokal erzeugte Energie muss auch lokal verbraucht werden

Wie kann in dieser Ausgangssituation die „Kostenwende“ umgesetzt werden? Bei der Antwort auf diese Frage können wir aus der Geschichte lernen. Bringen wir die Struktur der Energieerzeugung und des Energieverbrauchs wieder in ein Gleichgewicht! Erneuerbare Energie ist die kostengünstigste Form der Erzeugung und benötigt keinerlei Subventionen unter der Voraussetzung, dass die lokal erzeugte Energie auch lokal verbraucht wird und zwar als Eigenverbrauch. Wenn die Exekutive die Regulierung derartig modifiziert, dass lokale Erzeugungen auch lokal verbraucht werden, dann können die Kosten des Netzausbaus in Modellrechnungen neu abgeschätzt werden. 

Im Koalitionsvertrag wird die Umsetzung der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung sowie des Energy Sharings als klares Ziel genannt. Hier kommt das Bild einer Auflösung der vorbeschriebenen Probleme in Sicht. Durch die Regierung sollte koordiniert durch die Bundesnetzagentur eine Regulierung des Energy Sharings mit dem Ziel des Verbots von Peak-Einspeisungen in die vorgelagerten Spannungsebenen erarbeitet und umgesetzt werden. 

Zentrale Forderungen für ein verändertes Energy Sharing

Die bisher veröffentlichten Konzepte (z.B. der Deutschen Energieagentur Dena) zur Gestaltung von Energy Sharing Communities (ESC) sehen keinerlei Einschränkungen der externen Vermarktung von Überschussenergie vor. Im Gegensatz dazu hat der Autor dieses Textes im vergangenen Jahr ein Konzept zur Umsetzung des Energy Sharings erarbeitet mit folgenden Prämissen: 

  • Keine Subventionen für Bau und Betrieb der Erzeugungs- oder Speicheranlagen und keine Vergütung von Netzeinspeisungen
  • Einfache und kostengünstige Regeln sowie Marktkommunikationen
  • Definition von Strukturvorgaben der ESC mit dem Ziel des lokalen Verbrauchs der gesamten Eigenerzeugung
  • Förderung von Anlagen zur Sektorkopplung (Wärme / Mobilität) einschließlich saisonaler Wärmespeicher
  • Zwingende Erfordernis eines Energiemanagementsystems zur Sicherstellung des lokalen Eigenverbrauchs in allen 15 min-Perioden
  • Gleichstellung des Eigenverbrauchs in einer ESC mit dem Eigenverbrauch in einer Kundenanlage hinsichtlich der Besteuerung und Abgaben
  • Mitglieder der ESC mit eigenen Erzeugungsanlagen (Prosumer) sollen eine kostenorientierte Vergütung erhalten (keine Marktpreise)
  • Ziel der ESC ist die Reduktion der Energiekosten für Strom-/Wärme- und Mobilitätsversorgung aller Teilnehmer im Sinne einer „Gemeinschaftlichen Daseinsvorsorge ohne Gewinnerzielungsabsicht“

Die neue Regierung hat alles Notwendige in der Hand

Die neue Regierung hat mit dem Energy Sharing einen Werkzeugkasten in der Hand, mit dem vier Aufgabenstellungen der Exekutive gleichzeitig gelöst werden können: 

  1. Sicherstellung der CO2-Emissionsziele durch erhöhte Investitionen der Energy Sharing Communities in EE-Anlagen sowie Sektorkopplungen (Wärme und Mobilität)
  2. Reduzierter Bedarf an Netzkapazitäten in allen Netzebenen und damit reduzierte Steigerung der Netzentgelte
  3. Reduzierte „Eigenverbrauchskosten“ für alle ESC-Teilnehmer
  4. Stärkung des Wirtschaftswachstums durch hohe private Investitionen in erneuerbare „Eigenbedarfsanlagen“ 

Die bisherigen politischen Annahmen (z.B. Fokus auf den Netzausbau) werden konträr zu den Zielen einer „Kostenwende“ die Energiekosten der Verbraucher*innen erhöhen. In der Vergangenheit wurden im Rahmen der Regulierung die bestehenden Marktstrukturen nicht verändert. Wenn die Idee der „Kostenwende“ seitens der neuen Regierung ernst genommen wird, dann ist die disruptive Veränderung des Marktes mit der neuen liberalen Freiheit der Energieverbraucher zu gemeinschaftlicher Eigenerzeugung und -verbrauch in einer ESC die zielorientierte Vorgehensweise. 

Keine Beibehaltung gegenwärtiger Strukturen

Die Grundidee ist wie folgt zu skizzieren. Der Staat regelt die gesetzlichen Randbedingungen des Energy Sharings im Energiewirtschaftsgesetz und die Bürger*innen sowie Firmen investieren und senken mit dem Eigenverbrauch ihre Energiekosten mit sofortiger Wirkung. 

Als Fazit lässt sich danach folgendes festhalten: Die Ziele Wirtschaftswachstum / Klimaschutz / Energiekostenreduktion beinhalten keinen Zielkonflikt. 

Wenn jedoch primäres Ziel der Regierungspolitik die Beibehaltung gegenwärtiger Strukturen in der Energiewirtschaft ist, dann bestehen Zielkonflikte zwischen den Zielen. 

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche und Bundesumweltminister Carsten Schneider sollten sich schnell zusammensetzen und die Maßnahmen finden, welche dem Wirtschaftswachstum, dem Klimaschutz und der Energiekostenreduktion dienen.

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Bernd Schwarz

ist Diplom-Ingenieur hat hat Kompetenz in der Energiewirtschaft durch IT-Entwicklungsprojekte in den Themen Netzbetrieb und -dokumentation, Energieabrechnung mit SAP IS-U, Energie-Portfoliomanagement, Smart Meter.

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Gespeichert von Inge Maltz (nicht überprüft) am Mi., 16.07.2025 - 18:02

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Dank an Bernd Schwarz für diesen Ansatz. Was im Jahr 2000 mit dem EEG als Revolution PRO Akteursvielfalt und PRO Stärkung der damals noch neuen Technik Wind- und PV-Stromerzeugung startete (Dank an Hermann Scheer!!!) ist jetzt reif für den nächsten Schritt: wir brauchen jetzt ein neues Regelwerk: echte Dezentralität & Echte Beteiligung auch durch MieterInnen & Anpassung des Verbrauchs an die volatile Erzeugung der erneuerbaren Quellen & Motivation zum Speicherzubau... wir sind bis hierher sehr gut vorangekommen. Jetzt heißt es, die Energiewende mit weitem Blick zu weiterzutreiben und zu vollenden. Die Bevölkerung ist längst dafür, insbesondere, wenn der Vorteil sichtbar wird.
Widerstand gegen Veränderung ist gewiss- trotzdem: Let's Go.

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Mi., 16.07.2025 - 20:45

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Erinner tEuch !!! Jetzt dürfen wieder die Kleinverbraucher zahlen, die sowieso schon von Grundgebühren etc. gebeutelt sind. SPD Wahlversprecher !!!!!! Wo soll den Vertrauen herkommen ?????

Gespeichert von Gast (nicht überprüft) am Do., 17.07.2025 - 16:05

Antwort auf von Armin Christ (nicht überprüft)

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Gespeichert von Klaus Georg (nicht überprüft) am Do., 17.07.2025 - 22:06

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Ich glaube nicht, dass ich in der Lage bin, diesen Vorschlag bis ins letzte Detail zu durchdenken. Aber allein die Idee, unsere Energie lokal zu erzeugen und lokal zu verbrauchen, ist so einfach wie richtig. Leider hat die SPD den demokratischen Aspekt dieser Idee noch nicht wirklich verstanden. Und die Energieversorgung der Ukraine bewegt sich langsam auch in Richtung dieser Idee, leider aus ganz anderen Gründen.

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