Parteileben

Tim Klüssendorf: Wie der neue Generalsekretär die SPD verändern will

Über den Kampf gegen rechts ist Tim Klüssendorf zur SPD gekommen. In der politischen Arbeit setzt der neue Generalsekretär auf seine Wurzeln in Lübeck. Nun will er die SPD umkrempeln.

von Karin Nink · 2. Juli 2025
SPD-Generalsekretär im weißen Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln in einem Hauseingang

Er will Veränderung: SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf

Aus dem Ärmel seines Hemdes lugen die drei Pfeile der „Eisernen Front“ hervor. Der neue SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf hat ihr Symbol auf seinen linken Arm tätowiert. Die „Eiserne Front“ war ein Zusammenschluss von Mitgliedern des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, der Gewerkschaften, Sportvereine und der SPD. 

Sie hat für Klüssendorf Vorbildcharakter, denn sie verteidigte die Weimarer Republik gegen die Feinde der Demokratie. Sie habe „im wahrsten Sinne des Wortes gegen die Nazis gekämpft“.  Der Kampf gegen den Rechtsextremismus hat für Tim Klüssendorf große Bedeutung: „Ich bin in meinem Leben in unterschiedlichen Situationen gewesen, in denen Leute unverhohlen ihre rechten Tattoos präsentierten. Ich will dem etwas entgegensetzen – ob im Fußballstadion oder auf dem Stadtteilfest.“

Kampf gegen rechts

Mit dem eigenen Einsatz gegen den Rechtsextremismus begann auch Tim Klüssendorfs Engagement in der Politik und für die SPD. Als Jugendlicher nahm er in Lübeck an Demos gegen Neonazis teil und stellte fest, dass die SPD dort „superpräsent“ war. Schon mit 15 Jahren trat er in die SPD ein. 

Dem älteren von zwei Brüdern bedeutet seine Heimat viel. Das erklärt auch das Tattoo der Lübecker Altstadt, das er auf seinem rechten Arm trägt. Mit 21 Jahren wurde er in die Lübecker Bürgerschaft gewählt, nachdem er zuvor bei den Jusos aktiv war. Klüssendorf studierte Wirtschaftswissenschaften in Hamburg und ist in seiner Familie der Erste mit Studienabschluss.

Mit 30 in den Bundestag

Während sein Kindheitstraum noch war, Sportjournalist zu werden, plante der bis heute regelmäßig mit dem FC Bundestag aktive Fußballer, nach dem Studium in einem mittelständischen Unternehmen zu arbeiten oder in einer Unternehmensberatung.

Politik beruflich zu betreiben, war für ihn damals noch kein Thema. Doch nachdem er sich gegen Ende seines Masters ein Semester Zeit genommen hatte, um ehrenamtlich den Wahlkampf des Lübecker Bürgermeisterkandidaten Jan Lindenau zu leiten, entschied er sich nach der überraschend gewonnenen Stichwahl, ihm als persönlicher Referent in die Bürgermeisterkanzlei zu folgen. 

Danach ging es steil bergauf. Nur ganz wenige sind solche politischen Senkrechtstarter wie Klüssendorf: Mit 30 Jahren das erste Mal in den Bundestag gewählt, vier Jahre später SPD-Generalsekretär

Sprechstunden in Lübeck

Aber Klüssendorf behält die Bodenhaftung. In Lübeck hat er, wie er sie nennt: „meine Jungs“, eine „eingeschworene Clique“. Sie haben zusammen Abitur gemacht oder im Verein gemeinsam Fußball gespielt. Sie haben gänzlich unterschiedliche Berufe und Lebensumfelder, sind aber alle in Lübeck verwurzelt und diskutieren gerne miteinander, wie sie die Welt sehen: „Die Wahrnehmung, was wichtig ist, ist da eine andere als in Berlin“, sagt Klüssendorf. Hier kann er prüfen, wie die Bundespolitik bei der Bevölkerung ankommt. Sein Umfeld in Lübeck hilft ihm auch dabei, in der politischen Blase in Berlin einen klaren Kurs zu behalten. 

Klüssendorfs Bürgersprechstunde im Wahlkreis ist nicht an einen festen Termin gebunden, sondern er hat immer ein offenes Ohr, wenn er gebraucht wird. Melden sich Bürgerinnen oder Bürger mit einem Anliegen – sei es aufgrund gesundheitlicher Probleme, bei Herausforderungen in der Pflege von Angehörigen, mit dem Aufenthaltstitel oder der Finanzierung ihres Sportvereins – wird zeitnah ein Termin vereinbart, um zu helfen; in der Regel eine volle Stunde, damit man auch wirklich in den Austausch kommt. Der 33-Jährige lebt in seinem Wahlkreis ein ganzes Stück die einstige Kümmerer-Partei SPD, von der viele Ältere noch schwärmen. 

Für eine einmalige Vermögensabgabe 

Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde der Bundestagsabgeordnete beim Bundesparteitag 2023, als er durchsetzte, dass eine einmalige Vermögensabgabe für höchste Vermögen in den Beschluss des Leitantrags aufgenommen wurde. 

Als SPD-Generalsekretär will er den Bewegungscharakter der Sozialdemokratie stärken sowie Gewerkschaften, Netzwerke und Vorfeld-Organisationen wieder mehr einbinden. „Wir haben uns in der Vergangenheit zu sehr auf die Organisation der Partei konzentriert und zu vieles nur unter uns ausgemacht“, sagt er. Dass er lange in der Kommunalpolitik tätig war, sieht Klüssendorf als „eindeutigen Vorteil“. Er findet: „Gerade wenn es um die Finanzen der Kommunen und zum Beispiel das aktuelle Investitionspaket geht, hilft es, diese Ebene gut zu kennen.“ 

„Riesige Verantwortung“ als Generalsekretär

Klüssendorf sieht „die riesige Verantwortung“, die er als Generalsekretär hat, sehr klar. „Man muss sich dessen immer bewusst sein – aber man darf auch nicht in Ehrfurcht vor der Aufgabe erstarren.“ Dafür ist er auch nicht der Typ, er packt an, sowohl was das Organisations-Management nach innen angeht, als auch die Kommunikation nach außen. „Die SPD muss neben der Regierungsarbeit mit einer eigenen Programmatik erkennbar sein. Das korrespondiert gut damit, dass wir ein neues Grundsatzprogramm erarbeiten wollen“, findet er.

Die Chancen stehen nicht schlecht, dass der bisherige Weg von Tim Klüssendorf auch in der SPD Erfolge zeigt und er zusammen mit der Partei verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnt. 

Autor*in
Avatar
Karin Nink

ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.

Weitere interessante Rubriken entdecken

Gespeichert von Dorothea Otto (nicht überprüft) am Do., 03.07.2025 - 08:54

Permalink

Ich bin seit 1972 Mitglied in der Partei und habe den Verfall erlebt. Ich freue mich über den Neuanfang mit so erfrischenden Menschen wie Herrn Klüssendorf. Alles Gute!!

Gespeichert von Thomas R. Haub (nicht überprüft) am Do., 03.07.2025 - 13:38

Permalink

Ich wünsche mir sehr, dass es uns gelingt, Regierungsarbeit und Parteiprofilierung deutlich auseinander zu halten! Ich möchte eine weitgehend reibungslose Regierungsarbeit. Der Ampelwahnsinn, der nicht von uns ausging, hat mich verrückt gemacht. Ein Beispiel: "Wenn die SPD die Mehrheit hätte, würde sie den Einkommenssteuersatz für die Bestverdienenden anheben und die Vermögenssteuer wieder einführen. In dieser Koalition war das nicht durchsetzbar. Aber es bleibt unser Ziel als Partei."
Zweitens wünsche ich mir, dass die Neuaufstellung der Partei die Kommunikation über soziale Medien endlich auf die Höhe der Zeit bringt. Es darf nicht mehr sein, dass uns die AfD und Die Linke hier den Rang maßlos abläuft. Hier müssen wir endlich gut werden! Ich bin ein bisschen besorgt, dass das im Interview überhaupt nicht vorkommt.

Gespeichert von Andreas Dieckmann (nicht überprüft) am Fr., 04.07.2025 - 07:16

Permalink

Während wir den Militäretat mit einem Federstrich verzweienhalbfachen, steigt die gesellschaftliche Ungleichheit weiter. Warum müssen etwa Wohlhabende einen Beitragsbonus bei der GKV haben und der Mindestlohn liegt immer noch unter 15€? Unwürdig!
Wir misstrauen den Bürgergeldempfängern mehr als den Steuerbetrügern, die den Staat um ein Vielfaches mehr betrügen und so weiter und so weiter.
Wir kommen aus dem 15%-Loch nicht heraus, wenn wir die Rendite der Industrie durch Billigstrom fördern, den die SPD-Wähler zahlen.
Ich fürchte, dass unsere „ „Anpassung an die Realitäten“ uns nicht erneuert, sondern die „Linke“ und die rechte (AfD) stärkt.
Ich fürchte, echte Erneuerung geht nur durch das Tal der sozialdemokratischen politischen und ethischen Werte!

Schreibe einen Kommentar

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.