Meinung

Verbot von „Compact“ gescheitert: Wehrhafte Demokratie stößt an Grenzen

Das rechtsextreme Magazin „Compact“ darf weiterhin erscheinen. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig macht ein Verbotsverfahren gegen die AfD nun erst recht unwahrscheinlich.

von Christian Rath · 24. Juni 2025
Blick auf die Website von "Compact"

„Compact" im Visier: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte die rechtsextreme Monatszeitschrift im vergangenen Jahr verboten.

„Sie konnten uns nicht verbieten, also können sie auch die AfD nicht verbieten.“ Diesen Schluss zog „Compact“-Chefredakteur Jürgen Elsässer, nachdem das Bundesverwaltungsgericht das Verbot seines rechtsextremen Magazins an diesem Dienstag aufgehoben hatte. Juristisch ist Elsässers Schluss zwar keineswegs zwingend, im Ergebnis dürfte er aber Recht behalten. Denn es wird in absehbarer Zeit wohl nicht einmal einen Verbotsantrag geben.

Bundesverwaltungsgericht: Verbot von „Compact“ wäre unverhältnismäßig

Das Bundesverwaltungsgericht stellte „Compact“ keinesfalls einen Freibrief aus. Die Richter hielten insbesondere die völkische Rhetorik der Monatszeitschrift für durchaus verbotswürdig, aber eben nicht für prägend genug. Ein Verbot wäre daher unverhältnismäßig, so das Bundesverwaltungsgericht. 

Auf ein AfD-Verbot ist das nicht eins zu eins übertragbar. Zum einen gilt bei einem Parteiverbot das Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht. Damit könnte die AfD also gar nicht argumentieren. Zum anderen würden andere Richter über einen AfD-Verbotsantrag entscheiden. Zuständig wäre das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe und nicht das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. 

Das Leipziger Urteil zeigt aber die ganze Unberechenbarkeit von Oppositionsverboten im Rechtsstaat. Das im Grundgesetz angelegte Prinzip der wehrhaften Demokratie ermöglicht zwar vieles. Wenn die Leipziger Richter gewollt hätten, wäre „Compact“ verboten geblieben. Und wenn die Karlsruher Richter wollen, könnten sie die AfD verbieten. 

CDU und CSU greifen das Exempel dankbar auf

Aber demokratische Richter tun sich verständlicherweise schwer mit dem Gedanken, dass die demokratisch gewählte Mehrheit einfach die demokratisch gewählte Minderheit verbieten kann. Die Wahrscheinlichkeit ist deshalb hoch, dass Gerichte Gründe finden, solche Verbote zu vermeiden, da sie der Demokratie vermutlich mehr schaden als nutzen.

Jedenfalls politisch dürfte ein Antrag auf ein AfD-Verbot nun bis auf weiteres tot sein. Die Gegner in CDU und CSU werden das Exempel aus Leipzig wohl dankbar aufgreifen und sich einem Verbotsantrag noch entschlossener verweigern.

Weitere interessante Rubriken entdecken

Gespeichert von Peter Plutarch (nicht überprüft) am Mi., 25.06.2025 - 09:15

Permalink

Compact mit den Mitteln des Vereinsrechts zu verbieten, war von vornherein ein Trickf. Ganz zu Schweigen davon, dass mit dieser Verbots und Lawfare-Politik eben nicht nur Verfassungsfeinde bekämpft werden, sondern auch Parteien und Akteure, die berechtigte Kritik an der Politik unter Beteiligung der SPD üben. Kritik, die die klassische Wählerbasis der SPD partiell teilt, weil die SPD ihre eigene Klientel in großen Teilen im Stich gelassen hatten zugunsten einer Orientierung in die vermeintliche Mitte des politischen Spektrums.
Von daher war der Verbotzsansatz von Faeser immer auch der Versuch, die Regierung und die diese tragende SPD vor den Konsequenzen ihrer politischen Fehlentscheidungen zu bewahren. Das ist eben auch kein Kampf gegen Verfassungsfeinde, sondern ein solcher gegen die Opposition.
Das bedeutet nicht, dass Compact und AfD keine verfassungsfeindlichen Inhalte vertreten. Aber die SPD gibt ihnen durch den Mittekurs eben viel zu viel Raum für verfassungskonforme Kritik.

Das Bundesverwaltungsgericht hat klargestellt: "Entgegen der Auffassung der Klägerin ist das Vereinsgesetz anwendbar." Der Trick, als Presseorgan aufzutreten, verfängt nicht. Nur hat das Gericht im konkreten Fall bei einer Gesamtwürdigung nicht zweifelsfrei die Überzeugung gewinnen können, dass verfassungswidrige Aktivitäten prägend für den Verbotsadressaten seien. Das liegt im Rahmen vertretbarer Prozessrisiken, die das Innenministerium und die Volljuristin Faeser gewiss bedacht hatten.

Die Demokratie der Bundesrepublik ist auch nicht irgendeine Mehrheitsherrschaft. Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes stellt klar, was auch mit verfassungsändernder Mehrheit nicht geändert werden darf. Artikel 18 ermöglicht den Entzug der Grundrechte im Einzelfall, Artikel 21 Parteiverbote und Finanzierungsausschlüsse. Verbote sind unerlässlich, wenn Demokratie nicht zur Pöbelherrschaft verkommen soll. Es gilt, schleunigst beim Bundesverfassungsgericht das Verbot der sogenannten AfD zu beantragen!

Schreibe einen Kommentar

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.