Gothaer Parteitag: Als aus ADAV und SDAP der Vorgänger der SPD wurde
Um ihre Kräfte zu bündeln, trafen sich Ende Mai 1875 Delegierte der beiden Arbeiterparteien ADAV und SDAP in Gotha. In einer Gaststätte schlossen sie sich zur ,,Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands‘‘ (SAP) zusammen. Aus ihr wurde etwas später die SPD.
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Mit dem Willen zu gemeinsamer Politik: August Bebel beim Vereinigungsparteitag in Gotha im Mai 1875
Zu Anfang war es nicht weit her mit der später beschworenen Einigikeit. Getrennt organisierte sich die junge Arbeiterbewegung in zwei Parteien: 1863 gründete Ferdinand Lassalle in Leipzig den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV), an dessen Spitze er durch seinen frühen Tod nach einem Duell nur ein Jahr stand. Ihm folgte J. Baptist v. Schweitzer. 1869 startete dann die Gründung der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SDAP) in Eisenach durch August Bebel und Wilhelm Liebknecht.
Was ADAV und SDAP trennte
Beide Parteien trennten zahlreiche taktische und strategische Fragen. Sie bewerteten die sich abzeichnende Reichsgründung verschieden: Die Lassalleaner lehnten die gewerkschaftliche Organisation ab, da sie an das ,,eherne Lohngesetz‘‘ glaubten, das gewerkschaftliche Erfolge im Verteilungskampf ausschloss, für sinnlos hielten sie politische Bündnisse, da sie die anderen politischen Klassen als ,,eine reaktionäre Masse‘‘ ansahen. Auch persönliche Feindschaften bestimmten das Klima zwischen den Parteien, die manchmal zu Handgreiflichkeiten führten.
Mit der Reichsgründung 1871 und den Wahlen zum Reichstag nach einem gleichen Männerwahlrecht begann die Annäherung zwischen den Parteien, die von den wenigen Reichstagsabgeordneten getragen wurde. Auch der beginnende Verfolgungsdruck gegen die Arbeiterparteien, der vor allem in Preußen intensiver wurde, wirkte in Richtung Zusammenwirken und Zusammenschluss. Mit dem Rückzug Schweitzers aus der ADAV-Führung entfiel ein Gegner der Zusammenarbeit.
Marx' Kritik bleibt den Delegierten verborgen
Nach einer Vorkonferenz 1874 kamen ADAV und SAP 1875 in Gotha im Saal der ,,Kaltwasser’schen Restauration‘‘ zum Vereinigungsparteitag zusammen. Vom 22. bis 27. Mai berieten 130 Delegierte, die ungefähr 25.000 Mitglieder vertraten, über den Aufbau und das Programm der geplanten gemeinsamen Partei, die den Namen ,,Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands‘‘ (SAP) tragen sollte. Als die Delegierten am 27. Mai Gotha verließen, hatten sie eine kollektive Führung gewählt. August Bebel übernahm den Vorsitz der Kontrollkommission. Um den Verfolgungen in Preußen auszuweichen, bestimmte man das liberale Hamburg zum Sitz des Parteivorstandes.
Den Willen zur gemeinsamen Politik formulierte das einstimmig beschlossene Programm. Obwohl die ,,Eisenacher‘‘ mit der Formel ,,Einigung, nicht Vereinigung‘‘ in die Verhandlungen gegangen waren, akzeptierten sie Positionen der ,,Lassalleaner‘‘, die sie zuvor bekämpft hatten. So wurde das ,,eherne Lohngesetz‘‘ bestätigt und die Abgrenzung zur ,,einen reaktionären Masse‘‘ der anderen Klassen.
Die Führung der ,,Eisenacher‘‘ um Liebknecht und Bebel, nahm die von Karl Marx in den ,,Randglossen zum Programm der deutschen Arbeiterpartei‘‘ geäußerte Kritik zwar zur Kenntnis, teilte sie jedoch den Delegierten nicht mit. Erst 1891 wurden die ,,Randglossen‘‘ veröffentlicht. In Gotha war ihnen die Stärkung der Organisations- und Kampfkraft durch eine geeinte Partei wichtiger, als ein lupenreines marxistisches Programm.
Bismarck bekämpft die junge Partei früh
Dieser politische Pragmatismus sollte sich auszahlen, denn die neue Partei steigerte schon in folgenden Reichstagswahlen ihre Stimmenzahlen, ebenfalls wuchsen die Mandate im Reichstag.
Die Reaktion der Reichsregierung und der Länderregierungen folgte postwenden. Schon 1876 wurde die SAP dort nach dem Vereinsrecht verboten und der preußische Staatsanwalt Hermann von Tessendorff tobte sich in Anklagen gegen SAP-Politiker aus. Im Reichstag scheiterte im Herbst 1875 eine Verschärfung des Strafrechts, weil mit den SAP-Abgeordneten auch Abgeordnete aus anderen Fraktionen, die sich ebenfalls bedroht fühlten – Zentrum, Linksliberale, Welfen, Polen, Dänen, Elsässer – gegen den Vorstoß Bismarcks stimmten. Erst als 1878 zwei anarchistische Attentate ein SAP-feindliches Klima schufen, erreichte Bismarck eine Mehrheit für sein ,,Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie‘‘ -kurz ,,Sozialistengesetz‘‘ genannt.
Das Sozialistengesetz hätte die SAP und die ihr nahestehenden Gewerkschaften vernichten können. Eine Sonderbestimmung im Reichswahlgesetz, die Bismarck nicht aushebeln konnte, erlaubte jedoch weiterhin Kandidaturen zum Reichstag, sodass die Stimmenzahlen weiterhin anwuchsen und sogar Mandatsgewinne gelangen. Eine schlagkräftige Auslandsorganisation half beim Überleben.
Bewegte Geschichte im Gothaer ,,Tivoli‘‘
Als 1890 das Sozialistengesetz nicht verlängert wurde, kam die SAP kraftvoll zurück, auf ihrem Parteitag in Halle gab sie sich den Namen ,,Sozialdemokratische Partei Deutschlands‘‘. Ein Jahr später wurde in Erfurt das ,Erfurter Programm‘‘ beschlossen. Schon 1890 wurde die SPD erstmals stimmenstärkste Partei im Deutschen Reich. Nur die ungleiche Größe der Wahlkreise verhinderte bis 1912, dass sie auch mandatsstärkste Partei wurde.
Die ,,Kaltwasser’sche Restauration‘‘ erhielt 1885 den Namen ,,Tivoli‘‘, als sie in den Besitz der Brauerei Tivoli überging. Die DDR wandelte 1956 das Haus in eine Gedenkstätte um und ließ das Haus später nach historischen Vorbildern restaurieren. Der Gothaer Parteitag erfuhr eine Deutung im Sinne der SED-Geschichtspolitik.
Am 27. Januar 1990 wurde im Tivoli für Thüringen der erste SPD-Landesverband in der DDR gegründet. Ehrengäste waren Willy Brandt und Egon Bahr. Die heutige Gedenkstätte wird vom ,,Förderverein Tivoli e.V.‘‘ mit Unterstützung des SPD-Parteivorstandes unterhalten.
war von 1975 bis 1976 Politikberater für die sozialistische Partei im revolutionären Portugal. Als Mitglied des Europäischen Parlamentes war er Vorsitzender des Ausschusses für den Beitritt Portugals zur Europäischen Gemeinschaft.
Ergänzungen
Die SDAP (Eisenacher) wurdenweitgehend von Menschen bestimmt, die sich von autoritär-autokrataischen ADAV nicht representiert fühlten. Die SDAP war grundsätzlich für eine großdeutsche Republok, während im ADAV maßgeblich Teile für ein Preußendeutschland und ein Arrangement mit der Monarchie eintraten.
Am Spzialistenfeind Bismarck gibt es bestimmt genug auszusetzen, aber wenigsteen wollte er einen militärischen Konflikt mit Russlan vermeiden (daran sollten sich heutzutage etliche SPD Politiker orientieren).
Gothaer Parteitag
Ja, so ist es leider. Interessant ist auch, dass Bismarck zugestanden hat, seine Sozialgesetzgebung, die zwei Weltkriege und Inflationen überstanden hat, wegen der SPD initiiert hat.
Ich hoffe nunmehr, dass die SPD sich gegen die neusten Schnapsideen von Merz in puncto Reichweite der Waffen durchsetzen kann. Glücklicherweise haben Rolf Mützenich und Ralf Stegner gleich widersprochen.