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Verdienste um Wiedervereinigung: Ex-SPD-Chef Matthias Platzeck geehrt

Er war Teilnehmer am „Runden Tisch“, Minister in der letzten DDR-Regierung und später Ministerpräsident von Brandenburg: Für seine Verdienste um die Wiedervereinigung ist Matthias Platzeck mit dem „Scheidegger Friedenspreis“ ausgezeichnet worden. Bei der Verleihung fand er deutliche Worte.

von Olaf Winkler · 6. Oktober 2025
Matthias Platzeck und Scheideggs Bürgermeister Ulrich Pfanner halten den Scheidegger Friedenspreis, eine weiße Taube.

Ausgezeichnet für seine Verdienste um die Wiedervereinigung: Matthias Platzeck (l.) erhielt den Scheidegger Friedenspreis aus den Händen von Scheideggs Bürgermeister Ulrich Pfanner.

Der langjährige brandenburgische Ministerpräsident und frühere SPD-Vorsitzende Matthias Platzeck hat anlässlich des Tags der Deutschen Einheit den zum 16. Mal verliehenen „Scheidegger Friedenspreis“ erhalten. Dieser wird in der Gemeinde im Allgäu seit 2009 jährlich an Persönlichkeiten vergeben, „die sich im besonderen Maße um die Wiedervereinigung Deutschlands verdient gemacht haben“. Vor Platzeck waren unter anderem Rainer Eppelmann, Lothar de Maiziére, Markus Meckel, Theo Waigel und Heinz Eggert Preisträger.

Platzeck hätte lieber 9. Oktober als Tag der Deutschen Einheit

Über vieles hätte Platzeck in seiner Dankesrede am 3. Oktober sprechen könnte, wie die Laudatio des Stifters des nicht dotierten Friedenspreises, Manfred Przybylski, deutlich machte. Schließlich war der heute 71-jährige Platzeck Teilnehmer am „Runden Tisch“ in der Endphase der DDR, Minister in der letzten DDR-Regierung, Umweltminister in Brandenburg und dort von 2002 bis 2013 Ministerpräsident – und nicht zuletzt 2005/2006 Vorsitzender der SPD. Lange hatte er auch den Vorsitz des deutsch-russischen Forums inne, den er nach dem russischen Angriff auf die Ukraine niederlegte.

All das streifte Platzeck in seiner Rede allerdings nur am Rande. Er bekannte, den Tag der Deutschen Einheit lieber am 9. Oktober feiern zu wollen – jenem Tag im Jahr 1989, als hunderttausende mutige Demonstranten in Leipzig trotz des drohenden Eingreifens des Staates auf die Straße gingen. Danach sei die Entwicklung nicht mehr aufzuhalten gewesen. Deshalb sei dies für ihn „der Tag der Tage“.

Platzeck wirbt für Verständnis für Ostdeutsche

Heute sei „nicht jeder, der Bedenken gegen Impfungen hatte, ein Querdenker“ und „nicht jeder, der sich diplomatische Bemühungen zur Beendigung des Ukraine-Krieges wünscht, ein Putin-Knecht“, mahnte Platzeck zu einem differenzierteren Umgang mit unterschiedlichen Meinungen.

Auch auf die aktuelle Unzufriedenheit mit der Berliner Politik ging er ein. Die zuversichtliche Aussage „Unseren Kindern wird es einmal besser gehen“ höre er immer seltener. Das Heizungsgesetz der Ampel-Regierung habe das „Vertrauen in die Kompetenz des Staates erschüttert“. Zudem sei Deutschland heute nicht mehr so wettbewerbsfähig wie vor zehn oder 15 Jahren. Und: Die Integration der Migranten in den Arbeitsmarkt sei bislang nicht bewältigt. 

Vor allem aber versuchte Platzeck in seiner Rede, Verständnis für die Ostdeutschen zu wecken. Wer 1990 als 25-Jähriger die Deutsche Einheit feiern konnte, habe den Zusammenbruch seines bisherigen Lebens erfahren, das bis dahin zwar davon geprägt gewesen sei, „politisch möglichst nicht aufzufallen“. Aber es habe auch „keine Sorge rund um Arbeit und Wohnung“ gegeben. Die gegenseitige Hilfe sei weit verbreitet gewesen. So sei aus einer „beschränkten und perspektivlosen, aber betreuten Gesellschaft“ eine „neue, chancenreiche, aber unüberschaubare Gesellschaft“ geworden.

Platzeck: „Wir haben noch zu tun.“

Es sei der Fehler gemacht worden, keine Elemente des DDR-Lebens ins wiedervereinigte Deutschland zu übernehmen. Heute habe das vereinigte Deutschland vieles „wieder neu erfunden“, was die DDR bereits gekannt habe. Beispielhaft nannte Platzeck medizinische Versorgungszentren („die niemand Polikliniken nennen will aus Sorge, dass das zu sehr nach DDR klingt“), Ganztagsbetreuung für Kinder und die gestärkte Rolle der Frau. 

Für zusätzliche Unruhe habe der Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung“ gesorgt. In seinem Nachbarort in Brandenburg hätten so 80 Prozent der Häuser nach 1990 den Besitzer gewechselt, berichtete Platzeck. Diese Zahl tauchte noch dreimal in seiner Rede auf. Denn 80 Prozent der Menschen in Ostdeutschland hätten einen neuen Beruf lernen müssen. Und 80 Prozent der Mietwohnungen in Leipzig seien heute im Besitz von Westdeutschen, was zu einem Finanztransfer von Ost nach West führe – und ein Grund dafür sei, dass die unterschiedliche Vermögensverteilung sich weiter verstärke. Und schließlich seien 80 Prozent der Leitungspositionen im Osten von Westdeutschen besetzt.

Vor diesem Hintergrund fiel das Fazit von Platzeck nach 35 Jahren Deutsche Einheit deutlich aus: „Wir haben noch zu tun.“ Wie das aussehen könnte, skizzierte Platzeck nicht näher, nannte aber seine Wünsche für das Miteinander: „Dem Gegner im Streit mehr Respekt zollen und im Umgang wieder gelassener werden“. Am Ende gehe es um „kluge Kompromisse“, denn die seien „die Seele der Politik“.

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