Shoaiub Nazir: „Jupp“ erobert für die SPD Oer-Erkenschwick zurück
Mehr als 20 Jahre lang war Oer-Erkenschwick CDU-regiert. Nun hat Shoaiub „Jupp“ Nazir das Rathaus der einstigen SPD-Hochburg in für die Sozialdemokratie zurückerobert. Dabei waren auch in der SPD zunächst einige skeptisch.
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Shoaiub „Jupp“ Nazir ist neuer Bürgermeister von Oer-Erkenschwick.
Am Anfang sei auch der eine oder die andere in der SPD skeptisch gewesen, berichtet Shoaiub Nazir im Gespräch mit dem „vorwärts“. „Ein junger Kandidat, dann habe ich Migrationshintergrund, einen Vornamen, der für viele kaum auszusprechen ist.“ Kann so jemand wirklich das Rathaus in Oer-Erkenschwick erobern – zumal in einer Stadt, die seit mehr als 20 Jahren von der CDU regiert wird?
Doch da war noch Shoaiub Nazirs Spitzname, den ihm einst eine Lehrerin in der siebten Klasse verpasst hatte. „Pass auf, du bist für mich der Jupp“, habe sie damals gesagt. Seitdem begleitet ihn der Name und so war auch schnell der Slogan für die Kampagne geboren, für die die SPD-Landtagsabgeordnete Anna Kavena verantwortlich zeichnete: „Jupp packt‘s an.“
Einstige SPD-Hochburg zurückerobert
Jupp, das klingt nach Ruhrgebiet, nach anpacken und Malochertum. In seiner SPD packt Shoaiub Nazir schon seit 2022 als Vorsitzender in Oer-Erkenschwick an vorderster Front an. Zuvor war in den vergangenen Jahrzehnten in der einstigen SPD-Hochburg so manches in Schieflage geraten. Bis in die 70er-Jahre verfügte die Sozialdemokratie im Rat der früheren Bergbaustadt mit ihren gut 30.000 Einwohner*innen im Kreis Recklinghausen über eine Zwei-Drittel-Mehrheit, stellte wie selbstverständlich den Bürgermeister. Bis ein Streit über die Kandidatur die Partei 2004 entzweite. Die CDU nutzte die Gunst der Stunde und gewann.
Fortan war Oer-Erkenschwick von den Konservativen regiert. Das hat sich am vergangenen Sonntag geändert, als Nazir die Stichwahl gegen CDU-Amtsinhaber Carsten Wewers mit fast zehn Prozentpunkten Vorsprung gewann. Schon im ersten Durchgang hatten beide Kandidaten fast gleichauf gelegen. Auch die Wahlempfehlung der rechtsextremen AfD nutze Nazirs konservativem Konkurrenten letztlich nicht. Und doch bereitet das starke AfD-Ergebnis dem neuen Bürgermeister Sorge. Denn bei der Ratswahl kam die Partei auf fast 20 Prozent, stellt dort künftig die drittstärkste Fraktion.
Ziel für 2030: AfD zurückdrängen
Auch deswegen sagt der neue Bürgermeister mit Blick auf die Wahl in fünf Jahren: „Ich will 2030 eine hohe Wahlbeteiligung und ein gutes Ergebnis für unsere Politik haben, damit der rechte Rand nicht weiter erstarkt.“ Denn seine aktuelle Beobachtung ist: „Viele Menschen sind einfach enttäuscht von der Politik, vor allem von den etablierten Parteien. Das führt zu Frust und deshalb wird entsprechend auch viel blau gewählt.“ Er selbst habe im Wahlkampf auch Vorbehalte gespürt: Menschen, die ihm sagten, er spreche schon gut Deutsch, obwohl er in Oer-Erkenschwick geboren und aufgewachsen ist. Teilweise seien Sätze wie „Wir können ja keinen Ausländer zum Bürgermeister wählen“ gefallen.
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Ich glaube, dass viele gemerkt haben, dass ich hier verwurzelt bin und mich seit meinem 16. Lebensjahr politisch engagiere
Das seien jedoch nur wenige Stimmen gewesen, der Großteil der Bevölkerung vertraute ihm. „Ich glaube, dass viele gemerkt haben, dass ich hier verwurzelt bin und mich seit meinem 16. Lebensjahr politisch engagiere“, sagt Nazir und berichtet von sehr vielen positiven Reaktionen, als er im Wahlkampf an rund 3.000 Haustüren klingelte. Als SPD-Vorsitzender zeichnet der 35-Jährige in Oer-Erkenschwick nicht nur für seinen eigenen Wahlerfolg verantwortlich, sondern auch dafür, dass die SPD mehr als fünf Prozentpunkte dazu gewann und künftig wieder die stärkste Fraktion im Stadtrat stellt.
Nazir selbst feierte entsprechend auch einen doppelten Wahlerfolg. Einmal am 14. September, als er seinen Wahlkreis mit deutlichem Vorsprung direkt gewann und ein zweites Mal in der Stichwahl. Da er aber natürlich nur einen Sitz im Stadtrat annehmen kann, rückt mit Ulrich Falk ein weiterer Genosse nach. Er ist gleichzeitig mit 31 Jahren Stadtratszugehörigkeit der dienstälteste Kommunalpolitiker in Oer-Erkenschwick und wird Nazir daher in der konstituierenden Sitzung den Amtseid als Bürgermeister abnehmen.
Oer-Erkenschwick soll schöner werden
Bis dahin bleibt für Nazir nur wenig Zeit zum Durchatmen. In seinem Beruf als Spezialist für Trade Finance für die Sparkassengruppe muss er bis Ende des Monats eine vernünftige Übergabe organisieren und sich parallel für seinen künftigen Job in alle relevanten Themen einarbeiten. Denn ab dem 1. November packt’s „Jupp“ dann wirklich an. „Wir haben hier viele Stellschrauben, an denen gedreht werden muss.“ Die Stadt soll sauberer werden, gepflegter und mehr Aufenthaltsqualität bieten. Deswegen liegt Nazirs Fokus vor allem auf der Innenstadt. „Mein Ziel ist es, die kleinen Dinge anzupacken, die eine große Wirkung haben.“
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo