Progressive Alliance: Wie die SPD Sozialdemokraten weltweit neu vernetzt
Am Freitag kamen in der SPD-Parteizentrale in Berlin Sozialdemokraten und Progressive aus aller Welt zusammen. SPD-Chef Lars Klingbeil hat die „Progressive Alliance“ neu aufgestellt. Warum gerade jetzt?
Seit Jahren erstarken rechte Bewegungen weltweit, und knüpfen in den sozialen Medien ein internationales Netzwerk – erst vor kurzem reisten AfD-Abgeordnete in die USA, um vom Social-Media-Team von Donald Trumps rechtspopulistischer Maga-Bewegung („Make America Great Again“) zu lernen. Und X-Besitzer und Tech-Milliardär Elon Musk unterstützt auf offener Bühne den Wahlkampf von Rechtsextremen in Deutschland und Italien.
Im Oktober 2024 neu aufgestellt
Vor diesem Hintergrund will Lars Klingbeil das globale Netzwerk sozialdemokratischer Parteien stärken. Der SPD-Chef hatte im Oktober 2024 die „Progressive Alliance“ (PA) als internationalen Zusammenschluss sozialdemokratischen, sozialistischen und progressiven Parteien und Organisationen neu aufgestellt. Am Freitag kam das Netzwerk als neu installiertes Präsidium erstmals in der SPD-Zentrale Willy-Brandt-Haus zusammen.
„Autokratien überall auf der Welt werden stärker. Rechtspopulisten vernetzen sich über Grenzen hinweg in alle Richtungen. Wenn rechte Netzwerke sich in den USA anbiedern und gemeinsame Sache mit Russland machen, müssen progressive Kräfte noch enger zusammenrücken als bisher“, sagte der SPD-Chef. Eine Weltordnung, die auf gemeinsamen Regeln fußt, werde immer mehr infrage gestellt. Europa dürfe in dieser Lage nicht zögern, sondern müsse eine selbstbewusste Rolle einnehmen.
Mitglieder aus sechs Kontinenten
Die PA ist ein Netzwerk von 121 Parteien und Organisationen aus 101 Ländern. An dem Treffen am Freitag in Berlin nahmen neben Klingbeil die Parteichefin des Sozialdemokratischen Arbeitspartei Schwedens (SAP) Magdalena Andersson, der indische Oppositionsführer und Parteivorsitzender des sozialliberalen INC Indien, Rahul Gandhi, sowie Jameson Timba, Parteivorsitzender der CCC Simbabwe, teil.
Dem Präsidium gehören außerdem Vertreter*innen aus Chile, Australien, der Dominikanischen Republik, Mongolei und der Autonomen Region Kurdistans an. Damit kommen die Mitglieder aus sechs Kontinenten: jeweils zwei aus Europa, Afrika und Asien, je ein Mitglied aus Süd- und Nordamerika und ein Mitglied aus Australien.
2013 als Alternative zur „Sozialistischen Internationalen“ gegründet
Die „Progressive Alliance“ soll als Forum fungieren, um internationale Herausforderungen zu diskutieren und sozialdemokratische Positionen abzustimmen. Damit will die SPD ihre internationale Handlungsfähigkeit und sozialdemokratische Außen- und Sicherheitspolitik stärken. Klingbeil sagte: „Wir brauchen gleichgesinnte Verbündete auf allen Kontinenten. Der konstruktive Austausch in der Progressive Alliance ist mir ein zentrales Anliegen. Wir wollen gemeinsam eine Richtung finden für die weitere Unterstützung der Ukraine, im weltweiten Kampf gegen Rechtsextremismus und in für uns zentralen Gerechtigkeitsfragen.“
Sigmar Gabriel hatte die PA 2013 anlässlich des 150. Geburtstages der SPD als Alternative zur „Sozialistischen Internationalen“ (SI) in Leipzig gegründet. Die SI als traditioneller Zusammenschluss weltweiter sozialdemokratischer und sozialistischer Parteien hat ihre Wurzeln in der von Karl Marx angeregten „Internationalen Arbeiterassoziation“. Der frühere Bundeskanzler und langjährige SPD-Vorsitzende Willy Brandt war von 1976 bis 1992 ihr Vorsitzender. Mit dem „Arabischen Frühling“ wurde allerdings offenkundig, dass in der SI auch Parteien von Diktatoren vertreten waren, sowie Organisationen, die mit der organisierten Kriminalität in Verbindung standen. Reformversuche scheiterten.
Tim Klüssendorf: „Wir glauben, dass das nur zusammen geht“
Auch SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf forderte eine Vernetzung der progressiven Kräfte als Antwort auf den „Höhenflug der Rechten“. Während einer Pressekonferenz am Montag im Willy-Brandt-Haus sagte er mit Blick auf das bevorstehende Treffen der „Progressive Alliance“ am Freitag: „Wir befinden uns dabei in einer Tradition von Willy Brandt. Das, was uns auszeichnet, die gemeinsamen Werte, wollen wir auch stärker in eine gemeinsame Strategie zusammenführen.“
Weltweit gehe es sozialdemokratischen Parteien aktuell wie der SPD. Deswegen laute die Devise: „Wir wollen uns rauskämpfen aus dieser aktuellen Lage. Wir wollen nach vorne schauen, unsere eigenen Punkte setzen, Desinformation bekämpfen und unsere demokratischen Institutionen weltweit stärken. Wir glauben, dass das nur zusammen geht.“
Klingbeil befürwortet EU-Entscheidung zu Ukrainehilfen
SPD-Chef Klingbeil reagierte am Freitag auch auf die Einigung der EU auf einen zinslosen 90-Milliarden-Kredit für die Ukraine. Damit hatten sich die EU-Länder in der Nacht vorerst gegen die Nutzung der eingefrorenen russischen Vermögenswerte als Ukrainehilfen entschieden. „Russland muss am Ende für die Zerstörung durch den Angriffskrieg bezahlen“, sagte Klingbeil. Durch den Kredit sei die Finanzierung der Verteidigung der Ukraine für die nächsten zwei Jahre gesichert. „Das ist das Entscheidende an der Einigung von heute Nacht. Deshalb ist es eine gute und pragmatische Einigung, die mit einer breiten Mehrheit fast aller EU-Staaten erreicht wurde. Sie verringert auch Risiken einer direkten Nutzung der eingefrorenen russischen Vermögenswerte.“
Die EU-Staaten haben jedoch ausgehandelt, die russischen Vermögenswerte nach Ende des Krieges heranzuziehen, sollte Russland keine Entschädigungen für Kriegsschäden an die Ukraine zahlen. Klingbeil sagte, er hoffe, dass die Ukraine einem Frieden näher kommt, „wenn Putin erkennen muss, dass die Fortsetzung der zerstörerischen Angriffe die Kosten für Russland massiv weiter erhöht.“