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Nach der Wahl in Niedersachsen: So will Martin Schulz die SPD erneuern

Nach dem Erfolg bei der Landtagswahl in Niedersachsen hat am Montag der Erneuerungsprozess bei der SPD begonnen. Zunächst will die Parteiführung bei acht „Dialogveranstaltungen“ erfahren, was die Mitglieder bewegt. Der Bundesparteitag im Dezember soll nur eine erste Zwischenetappe sein.
von Kai Doering · 16. Oktober 2017
Rückenwind für die Erneuerung der SPD: Nach dem Wahlsieg in Niedersachsen mit Stephan Weil wollen sich die Sozialdemokraten neu aufstellen.
Rückenwind für die Erneuerung der SPD: Nach dem Wahlsieg in Niedersachsen mit Stephan Weil wollen sich die Sozialdemokraten neu aufstellen.

An diesem Montagmorgen um zehn ist die Welt im Willy-Brandt-Haus in Ordnung. Strahlend betreten SPD-Chef Martin Schulz und die übrigen Mitglieder des Parteipräsidiums das Atrium. Den Grund für die gute Laune haben sie mit dabei: Mit deutlichem Vorsprung hat Stephan Weil am Sonntag die Landtagswahl in Niedersachsen gewonnen. Erstmals seit 19 Jahren stellt die SPD wieder die stärkste Fraktion im Landtag.

Schulz: Weils Sieg ist „Ermutigungszeichen für die SPD auf Bundesebene“

Martin Schulz begrüßt Weil als „amtierenden und zukünftigen Ministerpräsidenten von Niedersachsen“. Dieser haben nach einer „einzigartigen Aufholjagd“ klar die Landtagswahl gewonnen. Dieser Sieg sei auch ein „Ermutigungszeichen für die SPD auf Bundesebene“ und „Rückenwind für die organisatorische, personelle und inhaltliche Erneuerung der SPD“.

„Ich hoffe, dass der Impuls aus Niedersachsen auch als Zeichen der Ermutigung in der ganzen Partei wahrgenommen wird“, sagt Stephan Weil. Er sei sehr stolz auf die niedersächsische SPD, die „in schwierigen Zeiten einen engagierten Wahlkampf geführt“ habe. Das gute Abschneiden sei vor allem ein „Ergebnis von vielen Jahren harter Arbeit“. Bei einem Auftritt in der Bundespressekonferenz drei Stunden später wird Weil von einem „Sockel der Zufriedenheit“ sprechen, den sich die SPD in Niedersachsen mit der Zeit erarbeitet habe.

Weil: Wahlsieg darf für die SPD „keine Beruhigungspille“ sein

Zudem habe er auf eine „dialogische Form von Wahlkampf“ gesetzt: Statt lange Reden zu halten – nach Weils Aussage waren es im gesamten Wahlkampf nur vier – stellte sich der Ministerpräsident bei Auftritten den Fragen der Bürger. „Für Niedersachsen war das genau die richtige Form der Wahlkampfführung.“

Bei aller Ermutigung dürfe der Wahlsieg in Niedersachsen für die SPD jedoch „keine Beruhigungspille“ sein, mahnt Stephan Weil am Morgen im Willy-Brandt-Haus. Dass der Wahlkampf in den drei Wochen nach der Bundestagswahl „ohne bundespolitische Nebengeräusche“ abgelaufen sei, habe ihm die Arbeit zwar sehr erleichtert, nun müsse aber die Debatte über die Erneuerung der SPD starten. „Jetzt beginnt die Arbeit erst richtig“, ist Weil überzeugt.

Die Vorschläge der SPD-Mitglieder sind gefragt

Wie sie aussehen wird, erklärt Martin Schulz als er knapp fünf Stunden später nach der Sitzung des Parteivorstands erneut im Atrium des Willy-Brandt-Hauses vor die Presse tritt. „Mit dem Wahlsieg in Niedersachsen ist für die SPD nicht ein einziges Problem aus der Welt“, sagt der Vorsitzende. Die Sozialdemokraten müssten sich erneuern, das werde „dauern und nicht konfliktfrei sein“. Schulz kündigt auch einen „neuen Stil“ an, er und die SPD setzten „vor allem auf Dialog“.

Konkret bedeutet das, dass die Parteimitglieder bei acht regionalen Dialogveranstaltungen zwischen dem 28. Oktober und 19. November mit der Parteiführung über die Neuausrichtung der SPD diskutieren werden. Dies soll unter Ausschluss der Presse geschehen. Die Ergebnisse sollen in den Leitantrag für den Bundesparteitag vom 7. bis 9. Dezember in Berlin einfließen. Parallel soll dort ein Arbeitsprogramm für die kommenden zwei Jahre beschlossen werden.

Bis 2021 die SPD als moderne Partei aufstellen

Der Parteitag soll allerdings nur „eine Etappe“ sein. „Die Erneuerung der SPD wird deutlich länger dauern als bis zum Parteitag“, ist Martin Schulz sicher. Ziel sei, dass die SPD im Jahr der nächsten Bundestagswahl, also 2021, so aufgestellt sei, „dass sie den Anforderungen an eine moderne Partei entspricht“.

Wie das aussehen könnte, lässt Martin Schulz am Montag bereits in Ansätzen erkennen. Die SPD müsse „einen erkennbaren gesellschaftlichen Entwurf in Zeiten der Globalisierung erarbeiten“, fordert der Parteichef. Dabei müsse sie „anknüpfen an ihre Tradition als Partei des Fortschritts“. Um dies zu erreichen, will Schulz neben den hergebrachten Parteistrukturen mit Ortsverein und Unterbezirk „moderne Kommunikations-und Partizipationsmöglichkeiten“ in der SPD etablieren. Auch die Struktur des Willy-Brandt-Hauses müsse sich anpassen.

Weil: Schulz ist für die Erneuerung der SPD „zwingend notwendig“

Ganz ähnlich das sieht der Wahlsieger von Niedersachsen, Stephan Weil. Die SPD müsse das Thema Gerechtigkeit „mit einem Zukunftsprojekt verbinden“, sagt er in der Bundespressekonferenz. Für Weil muss „der Schwerpunkt der Erneuerung der SPD auf der Politik liegen“, nicht auf der Organisation. Er selbst wolle sich „auf jeden Fall intensiv in den Erneuerungsprozess einbringen“. In welcher Funktion lässt Weil am Montag offen.

Eins stellt der Ministerpräsident jedoch klar: Eine Erneuerung der SPD ohne Martin Schulz an der Spitze komme für ihn nicht infrage. Der Parteivorsitzende „genießt eine emotionale tiefe Verbundenheit der Mitglieder“, sagt Weil, der auch Vorsitzender der niedersächsischen SPD ist. Martin Schulz sei für den Erneuerungsprozess der SPD daher „zwingend notwendig“.

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Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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