Miriam Scherff: „Beste Zeit, um Oberbürgermeisterin von Wuppertal zu werden“
Mit fast 75 Prozent der Stimmen hat Miriam Scherff die Wahl für die SPD gewonnen. Nun will die jüngste Oberbürgermeisterin Deutschlands ihren Wuppertal-Plan umsetzen und für frischen Wind im Rathaus sorgen.
Jonas Jordan/vorwärts
Dort hinten ist bald ihr Arbeitsplatz: die neue Oberbürgermeisterin Miriam Scherff vor dem Wuppertaler Rathaus
Wer Miriam Scherff unterschätzt, hat schon verloren. Diese Erfahrung hat kürzlich auch Matthias Nocke gemacht. Der CDU-Kandidat lag nach der ersten Runde der Wuppertaler Oberbürgermeisterwahl knapp zehn Prozentpunkte hinter der 36-jährigen Sozialdemokratin und sagte am Wahlabend sinngemäß, die Wuppertaler*innen müssten sich doch überlegen, ob sie einer so jungen Frau ihre Stadt überlassen wollten.
Wenn sich CDU-Wähler*innen entschuldigen
Das ging nach hinten los. Die Empörung war groß, die Solidarität mit Miriam Scherff auch. „Ich habe viele E-Mails, WhatsApp-Nachrichten und SMS bekommen, auf Instagram und Facebook haben mir viele Leute geschrieben. Manche haben sich sogar entschuldigt, dass sie Matthias Nocke im ersten Wahlgang ihre Stimme gegeben haben.“ Das schlug sich in der Stichwahl nieder, die Scherff mit fast 75 Prozent der Stimmen gewann, das NRW-weit zweitbeste SPD-Ergebnis. Nur Sören Link in Duisburg schnitt besser ab, hatte aber auch einen AfD-Gegenkandidaten.
Nun ist die Sozialdemokratin ab dem 1. November Wuppertaler Rathauschefin und damit die jüngste Oberbürgermeisterin Deutschlands. Doch politisch tätig ist Scherff schon ihr halbes Leben, zuletzt als ehrenamtliche Bezirksbürgermeisterin. Als sie 18 Jahre alt war, schrieb der drei Jahre ältere Genosse Simon Geiß sie auf SchülerVz an, ob sie nicht mal bei den Jusos vorbeischauen wolle und rannte damit bei ihr offene Türen ein. Noch heute sind die beiden gut befreundet.
Simon
Geiß
Es ist beeindruckend, mit welchem Engagement sie diesen Wahlkampf geführt hat.
„Es ist beeindruckend, mit welchem Engagement sie diesen Wahlkampf geführt hat. So viel Energie muss man erst mal haben. Davor habe ich riesigen Respekt und freue mich jetzt als Ratsmitglied auf die Zusammenarbeit mit ihr als Oberbürgermeisterin“, sagt Geiß. Im Rathaus werde Scherff für frischen Wind sorgen, glaubt ihr Parteifreund. Die neue Oberbürgermeisterin hat sich nicht weniger vorgenommen, als ihren „Wuppertal-Plan“ umzusetzen: eine gemeinsame Vision für eine Stadt, in der alle Generationen gern leben.
Gegen Kinderarmut, für mehr Schulen
Damit das gelingt, will sie sich erst einmal um den Nachwuchs kümmern. Denn: „Wir haben eine sehr hohe Kinderarmut in Wuppertal.“ Deswegen will die neue Oberbürgermeisterin mehr Schulen bauen und für ausreichend Erzieher*innen in der Stadt sorgen. Als Mutter einer vierjährigen Tochter, die eine städtische Kita besucht, weiß Scherff selbst aus leidvoller Erfahrung, wie es ist, wenn die Kita mal wieder geschlossen bleibt, weil es an Personal fehlt.
„Das erste Kitajahr meiner Tochter war gruselig. Über einen ganz langen Zeitraum konnte sie nur zwei Tage pro Woche in die Kita. Wir haben dann immer in der Woche vorher einen Zettel in die Hand gedrückt bekommen, an welchen Tagen sie kommen darf. Das war mal donnerstags und freitags, dann wieder dienstags und mittwochs.“ Eine Herausforderung für den Familienalltag. Auch deshalb will Scherff künftig im Rathaus eine Spielecke für ihre Tochter einrichten. „Das hat dann vielleicht den Vorteil, dass sich auch für andere Eltern, die mal ihr Kind mitnehmen müssen, eine andere Kultur etabliert“, sagt sie.
Eine andere Partykultur hat sich in Wuppertal bereits entwickelt. Die 17. größte Stadt Deutschlands gilt bei Clubbesucher*innen derzeit als angesagteste. Das liegt vor allem am „Open Ground“, einem Club in einem unscheinbaren, umgebauten ehemaligen Bunker, dessen Sound schon als bester der Welt beschrieben wurde. Davon überzeugte sich Scherff bei einem Termin im Wahlkampf persönlich. „So einen reinen Klang habe ich in meinem Leben noch nie gehört. Die Musik, die da gespielt wird, ist überhaupt nicht meine, aber der Klang hat mich emotional berührt. Da habe ich verstanden, warum es der beste Club der Welt sein soll“, sagt sie.
Scherff will dieses Aushängeschild nutzen, um Wuppertal besser zu vermarkten. „Es gibt ganz viele Möglichkeiten, wie man die Vorzüge von Wuppertal nach vorne stellen kann“, ist sie überzeugt. Zumal es in nächster Zeit einiges zu feiern gibt: Im nächsten Jahr wird die Schwebebahn 100 Jahre alt. Zum Jubiläum soll diesmal aber besser kein Elefant kommen. 1950 sollte Elefantendame Tuffi mit einer Fahrt in der Schwebebahn für einen Zirkus werben. Der Elefant fiel aus der fahrenden Bahn und überlebte den Sturz unverletzt. Die Geschichte ist in der Stadt bis heute legendär.
Dabei ist Wuppertal selbst noch gar nicht so alt. 2029 jährt sich der historische Zusammenschluss von Barmen und Elberfeld zum 100. Mal und zum 102. Geburtstag Wuppertals empfängt die Stadt 2031 dann hunderttausende Besucher*innen zur Bundesgartenschau. Auch deswegen sagt Scherff: „Jetzt ist die beste Zeit, um Oberbürgermeisterin von Wuppertal zu werden.“
Zur Serie
In unserer Serie „Rising Stars“ stellen wir in loser Reihenfolge Menschen aus der Sozialdemokratie vor, die auf unterschiedlichen Ebenen der Partei mit ihren Ideen oder ihrem Handeln beispielhaft für die Erneuerung der Partei stehen.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo