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SPD Ronsdorf: Wo Ferdinand Lassalle vor 160 Jahren seine letzte Rede hielt

Nur ein Jahr nach Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeiter-Vereins starb Ferdinand Lassalle. Seine letzte große Rede hielt er in Ronsdorf. Der Wuppertaler Stadtteil ist bis heute eine SPD-Hochburg geblieben.

von Jonas Jordan · 22. Mai 2024
Heute erinnert eine Tafel an den Ort, an dem Ferdinand Lassalle seine letzte Rede hielt.

Heute erinnert eine Tafel an den Ort, an dem Ferdinand Lassalle seine letzte Rede hielt.

Angeblich soll Lassalle hier mit der Kutsche hoch gekommen sein. Heute ist die Straße vierspurig und soll ausgebaut werden, berichtet Simon Geiß, der für die SPD im Wuppertaler Stadtrat sitzt. Seit acht Jahren führt er den Ortsverein Ronsdorf auf einem der Südhügel von Wuppertal. Es ist einer der ältesten Deutschlands. Zur Feier des 160. Jubiläums kam im September 2023 die SPD-Vorsitzende Saskia Esken – in einem angemieteten Saal mit mehr als 200 Gästen.

Ronsdorf: Eine Hochburg der Sozialdemokratie

Direkt davor parkt Geiß sein Auto. Gegenüber liegt das Parteibüro, vor dem sich schon einige Genoss*innen versammelt haben. Von dort sind es nur wenige Hundert Meter bis zur Remscheider Straße 24. Im Saal der dortigen Gaststätte feierte der ein Jahr zuvor in Leipzig gegründete SPD-Vorgänger ADAV am 22. Mai 1864 sein erstes Stiftungsfest. 

Die Gaststätte gibt es nicht mehr, eine Plakette am Haus erinnert noch an die Ronsdorfer Rede von Parteigründer Ferdinand Lassalle. Sein letzter öffentlicher Auftritt wenige Monate vor seinem Tod, dem bis zu 2.000 Menschen im damals 8.000 Personen zählenden Ronsdorf beigewohnt haben sollen. Geiß erklärt: „Ein Großteil der Bevölkerung stand hinter den Ideen von Lassalle und der Gründung der Sozialdemokratie.“ Denn Ronsdorf war damals eine Hochburg der Bandwirker, die mit Maschinen Bänder herstellten.

Bezirksbürgermeister Harald Scheuermann-Giskes

Auch heute ist die SPD im Stadtteil tonangebend, stärkste Kraft in der Bezirksvertretung, und auch Bezirksbürgermeister Harald Scheuermann-Giskes ist Genosse. „Ihn kennt hier in Ronsdorf jeder“, sagt Geiß. Wie aufs Stichwort kommt er mit einem blauen Bus um die Ecke gefahren, begrüßt mit festem Händedruck. „Habt ihr die Ronsdorfer Rede? Wirklich lesenswert“, sagt er.

 

Zwei stumme Zeitzeug*innen

„Harald, kennst du noch Zeitzeugen von damals?“, fragt der stellvertretende Ortsvereinsvorsitzende Andreas Bergert. „Klar kenne ich die, liegen oben auf dem Friedhof“, antwortet der feixend. Doch wenige Hundert Meter weiter stehen tatsächlich noch zwei Anhänger Lassalles, ein Textilarbeiter und seine Frau, auf dem Bandwirkerplatz. Das Denkmal ist das Zentrum von Ronsdorf, das für den Wochenmarkt, ein Weinfest im Sommer oder einen kurzen Plausch mit den heutigen Vertreter*innen der SPD genutzt wird.

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„Wir sind hier einfach in allen Vereinen vernetzt. Den Marsch durch die Institutionen brauchen wir gar nicht. Das ist bei uns natürlich gewachsen“, sagt Bergert und fügt mit Blick auf den SPD-Vorstand stolz an: „Wir sind super divers aufgestellt.“ Sieben Frauen und acht Männer zählt der Vorstand. Der Jüngste dort ist der 17-jährige Beisitzer Jan-Ole Hübner, Bezirksbürgermeister Schermann-Giskes mit 52 Jahren Parteimitgliedschaft derjenige mit der meisten Erfahrung.

„Spaß an der politischen Arbeit“

Manchmal hilft der Zufall beim Weg in die SPD. So wie bei Sabrina Beckmann, die seit 2020 Sprecherin in der Bezirkvertretung ist. Seit elf Jahren wohnt sie in Ronsdorf und sagt selbst: „Ich hätte nie gedacht, hier Fuß zu fassen.“ In Kontakt zur Partei kam sie, weil es in der Kita ihres Sohnes an Spielzeug fehlte. Geiß kümmerte sich und animierte sie: Mach doch bei uns mit! „Wir möchten Ronsdorf gerechter machen und haben alle Spaß an der politischen Arbeit“, erklärt Beckmann.Spontan versammelt sich ein Dutzend Genoss*innen zu Kaffee und Kuchen.

Der Vorsitzende kann mit Mitte 30 schon auf 20 Jahre Engagement in der SPD zurückblicken. Doch satt oder müde ist Geiß noch lange nicht. Er ist stolz auf die 88 Mitglieder des Ortsvereins, die auch gerne privat etwas zusammen unternehmen, gemeinsam zum Kabarettabend oder zum Kneipenquiz gehen oder eben mal spontan mit einem Dutzend Leuten zu Kaffee und Kuchen an diesem Mittwochnachmittag ins Parteibüro kommen. Dort wird es ansonsten einmal im Monat richtig voll, wenn ein Genosse seine Rentenberatung anbietet. Ursprünglich suchte er dafür nur einen Raum im Stadtteil. Die SPD half und hat so ein weiteres Mitglied gewonnen.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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1 Kommentar

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Fr., 24.05.2024 - 11:49

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Eine tragische Person. Die SPD missbraucht ihn immer mal wieder um den "Braven Reformisten" gegen die bösen Marxundengels zu stellen - das hat er nicht verdient. Weil er in der revolutionäären Zeit 1849 im Gefängnis saß (wegen Aufrufs zur Bewaffnung der Düsseldorfer Bürgerwehr gegen die preußische Soldateska) blieb ihm Exil oder gar Exekution erspart. Marxundengels hielten so lange er lebte Kontakt zu ihm. Lassalle erhoffte sich in einem Bündnis mit dem reaktionären Junkertum (Bismarkkontakte) gegen die Bourgeoisie Erleichterung für die Arbeiterklasse, während Marxundengels im ersten Schritt gemeinsam mit dem liberalen Bürgertum zuerst mal die Demokratie gegen den Obrigkeitsstaat erkämpfen wollten.
Nichtsdestotrotz gehört er zu den Begründern der deutschen Sozialdemokratie - und SOZIALDEMOKRATIE ist genau das was ich in der SPD immer mehr vermisse.