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Midyatli oder Kämpfer: Warum sie die SPD in die Landtagswahl führen wollen

Die Landesvorsitzende oder der Kieler Oberbürgermeister? Die Basis in Schleswig-Holstein entscheidet darüber, wer die SPD in die nächste Landtagswahl 2027 führen soll. Was die beiden antreibt, erklären Serpil Midyatli und Ulf Kämpfer hier im Interview.

von Kai Doering · 30. Oktober 2025
Serpil Midyatli und Ulf Kämpfer wettstreiten um die SPD-Spitzenkandidatur.

Duell in Schleswig-Holstein: Serpil Midyatli und Ulf Kämpfer wettstreiten um die SPD-Spitzenkandidatur.

Welche Eigenschaft schätzen Sie besonders an Ulf Kämpfer, Serpil Midyatli? 

Serpil Midyatli: Ulf hat einen sehr lösungsorientierten Ansatz, Politik zu machen. Das schätze ich sehr an ihm.

Serpil Midyatli

Die 50-jährige gebürtige Kielerin ist seit 2009 Mitglied des Landtags von Schleswig-Holstein und seit 2023 Fraktionsvorsitzende. Seit 2019 ist Midyatli SPD-Landesvorsitzende sowie stellvertretende Bundesvorsitzende.

Serpil Midyatli ist SPD-Landesvorsitzende in Schleswig-Holstein.

Und was schätzen Sie an Serpil Midyatli, Ulf Kämpfer? 

Ulf Kämpfer: Mich beeindruckt die Leidenschaft, mit der Serpil Politik macht – gerade in den Feldern, die ihr besonders am Herzen liegen, also Migrations-, Familien- und Bildungspolitik. Das ist etwas, das die SPD dringend braucht.

Ulf Kämpfer

Der 53-jährige gebürtige Eutiner ist seit 2014 Oberbürgermeister von Kiel. Vorher war er zwei Jahre Staatssekretär im Umweltministerium in Schleswig-Holstein. Seit 2023 ist Kämpfer stellvertretender Vorsitzender der Landes-SPD.

Ulf Kämpfer ist Kieler Oberbürgermeister.

Sie beiden kennen sich schon lange und arbeiten seit mehreren Jahren im Vorstand der SPD Schleswig-Holstein eng zusammen, zurzeit als Vorsitzende und Stellvertreter. Wie fühlt es sich da an, plötzlich Konkurrenten zu sein?

Kämpfer: Es fühlt sich vor allem aufregend an. Es geht auch um etwas, für die Partei und das Land, aber auch für mich persönlich natürlich. Je nachdem, wie die Mitglieder entscheiden, werden auch die eigenen Lebensweichen gestellt. In der Demokratie gibt es immer Unsicherheit. Man weiß nicht, wie es ausgeht. Aber das ist auch das Tolle an der Demokratie.

Midyatli: Ich bin in diesem Jahr 25 Jahre Mitglied in der SPD und diese Kandidatur ist eine der wichtigsten politischen Entscheidungen, die ich in dieser Zeit getroffen habe. Ich habe großen Respekt – Respekt vor der Aufgabe, die möglicherweise vor mir liegt, aber auch vor den Mitgliedern, die die Entscheidung in diesen Wochen treffen. Bevor wir gesagt haben, dass wir antreten, haben Ulf und ich uns ausgetauscht und eng abgestimmt. 

Wir waren uns schnell einig, dass wir die Spitzenkandidatur nicht im Hinterzimmer ausklüngeln wie das bei anderen Parteien gemacht wird. Wir wollen, dass die Mitglieder darüber entscheiden, denn die SPD ist eine Mitmachpartei. Mit unseren Kandidaturen machen wir der Partei ein starkes Angebot und die Mitglieder können entscheiden, mit wem von uns an der Spitze sie 2027 in den Landtagswahlkampf ziehen wollen.

Serpil
Midyatli

Ich bin froh, dass wir einen so guten Umgang miteinander haben.

Ihre Präsentation in den Mitgliederforen während den vergangenen Wochen waren von großem Respekt voreinander geprägt. Wie ist es, mit jemandem zu konkurrieren, den man persönlich schätzt? 

Kämpfer: Ich finde, es ist leichter. Wenn Serpil jemand wäre, mit der es schon Verletzungen, Enttäuschungen, Intrigen gegeben hat, dann wäre dieser innerparteiliche Wahlkampf viel schwieriger. Und auch für die Partei ist es so einfacher, weil wir uns nicht zerlegen oder die Partei durch die Urwahl spalten.

Midyatli: Genau so sehe ich es auch. Ich bin froh, dass wir einen so guten Umgang miteinander haben, nicht nur bei den Vorstellungsrunden, bei denen wir gemeinsam auf der Bühne gestanden haben, sondern auch im täglichen Miteinander. Uns ist beiden klar, dass es am Ende darum geht, wer Daniel Günther ablöst. Und wir wollen beide, dass es eine starke Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein gibt, die die Landesregierung anführt.

Kämpfer: Es gibt ja zwei gute Vorbilder: Niedersachsen 2011 mit Stephan Weil und Olaf Lies sowie Schleswig-Holstein 2012 mit Torsten Albig und Ralf Stegner. Zwischen Torsten Albig und Ralf Stegner hat es damals wesentlich mehr gepritzelt als zwischen Serpil und mir. Und trotzdem haben sie sich nach der Entscheidung für Torsten zusammengerauft und die Landtagswahl gewonnen. 

In Niedersachsen war es genauso mit der besonderen Pointe, dass Olaf Lies Nachfolger von Stephan Weil und in diesem Jahr Ministerpräsident geworden ist. Insofern ist es kein Ding der Unmöglichkeit, nach einem innerparteilichen Wahlkampf geeint in den Landtagswahlkampf zu ziehen. Aus meiner Sicht ist es sogar etwas, das man von einer Politikerin oder einem Politiker erwarten sollte.

Ulf
Kämpfer

Ich habe den Eindruck, der letzte Wahlsieg ist der CDU in Schleswig-Holstein zu Kopf gestiegen.

Warum haben Sie sich jeweils entschieden, Spitzenkandidat*in für die Landtagswahl werden zu wollen? 

Midyatli: Bei der Analyse der verlorenen Landtagswahl 2022 haben wir festgestellt, dass wir bei vielen Fragen zwar eine klare Position unserer Partei haben, die aber bei den Bürgerinnen und Bürgern oft nicht ankommt. Ich denke, dass ich viele Themen, für die die SPD steht, persönlich verkörpere und dadurch auch eine große Glaubwürdigkeit vermittele. 

Wenn ich etwa darüber spreche, dass alle Kinder die gleichen Chancen haben müssen, gerade in der Bildungspolitik, dann muss ich nicht in Statistiken gucken, sondern ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man mit schlechteren Chancen ins Leben startet. Und ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn Menschen keinen bezahlbaren Wohnraum bekommen oder wenn Frauen Familie und Beruf nicht miteinander vereinbaren können. All diese Probleme werden vom derzeitigen Ministerpräsidenten weggelächelt.

Kämpfer: Ich habe den Eindruck, der letzte Wahlsieg ist der CDU in Schleswig-Holstein zu Kopf gestiegen. Unter der freundlich präsidialen Oberfläche des Ministerpräsidenten verbirgt sich sehr viel wirklich schlechte Politik. Und ich bin der festen Überzeugung, es braucht gerade jetzt in diesen sehr schwierigen und unsicheren Zeiten eine starke Sozialdemokratie. 

Früher haben wir als SPD den Menschen Sicherheit im Wandel versprochen. Mittlerweile treffe ich viele Leute, die von uns enttäuscht sind, weil sie sagen, den Wandel habe ich, aber die Sicherheit nicht mehr. Es ist wichtig, so auf die Menschen zuzugehen, dass sie das Gefühl haben, da ist jemand, der wirklich etwas verändern und mit der Sozialdemokratie die Probleme nicht nur beschreiben, sondern auch lösen will. 

Bei der Landtagswahl 2022 hat die SPD nur 16 Prozent geholt. Wie wollen Sie das verbessern? 

Midyatli: Vor allem brauchen wir ein starkes personelles Angebot, das Aufmerksamkeit und Interesse schafft. Das auch einen wahrnehmbaren Unterschied macht. Das zweite sind die Schwerpunktthemen, die wir uns bis zur Wahl erarbeiten werden, denn wir wollen die schwarz-grüne Landesregierung nicht nur kritisieren, sondern ein ganz konkretes Gegenangebot machen. Wie sieht eine gerechte Bildungspolitik aus, wenn wir regieren? 

Wie treiben wir den Wohnungsbau voran? Hier haben wir bereits gute Vorschläge entwickelt, die wir für den Wahlkampf noch zuspitzen werden. Ich bin mir sicher, dass wir so das Vertrauen der Menschen in Schleswig-Holstein zurückgewinnen werden. Es ist aber auch klar, dass es ohne Rückenwind aus Berlin nicht gehen wird.

Kämpfer: In Schleswig-Holstein liegen wir in den Umfragen zwischen 15 und 17 Prozent. Im Bund sieht es ganz ähnlich aus. Politische Trends und Stimmungen wechseln immer schneller, für uns ist zwischen zehn und 35 Prozent alles drin. 2021 lag die SPD zwei Monate vor der Bundestagswahl auch scheinbar aussichtslos zurück und hat am Ende gewonnen. 

Natürlich ist das nicht eins zu eins übertragbar, aber es zeigt, wie schnell sich der Wind drehen kann. Das bedeutet aber natürlich nicht, dass wir uns zurücklehnen und einfach abwarten können, im Gegenteil. Wir müssen die kommenden eineinhalb Jahre nutzen, um der Landesregierung gehörig Dampf zu machen. Dafür müssen wir selbst auf der Höhe der Zeit sein, damit die Menschen uns auch wirklich zutrauen, dass wir die bessere Alternative für das Land sind.

Wo würden Sie als Spitzenkandidat*in den politischen Schwerpunkt im Wahlkampf setzen?

Kämpfer: Viele Menschen sind gerade sehr verunsichert von all den Veränderungen der vergangenen Jahre. Als Volkspartei und als Partei mit Machtanspruch müssen wir diese Sorgen aufnehmen und auch bei den Themen, um die wir uns sichtbar kümmern, breit aufgestellt sein. Ich fand es interessant, welche Themen bei der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen vor allem eine Rolle gespielt haben. 

Das waren die Wirtschaftspolitik, Migration und Integration und die öffentliche Sicherheit – also alles Themen, bei denen man nicht unbedingt zuerst an die SPD denkt. Das sollten wir ändern, denn auf all diese Fragen gibt es durchaus sozialdemokratische Antworten. Mein Appell ist daher, die Themen nicht liegen zu lassen, mit denen wir scheinbar nicht punkten können, wenn es die Themen sind, die die Menschen eben beschäftigen.

Midyatli: In der derzeitigen Landesregierung fehlt eindeutig das Soziale. Dabei ist das das, was unsere Gesellschaft zusammenhält. Wir müssen es hinkriegen, dass der Alltag der Menschen wieder funktioniert, bei der Kinderbetreuung, bei der Pflege von Angehörigen. 

Die Menschen müssen sich darauf verlassen können, dass die Landesregierung sich um die Lösung ihrer Probleme kümmert. Ein anderes Thema sind die Erneuerbaren Energien. Da ist Schleswig-Holstein ja bisher Spitzenreiter, aber das könnte sich durch die Planungen der Wirtschaftsministerin bald ändern. Hier braucht es eine Landesregierung, die klar auf Kurs bleibt. Gerade in unsicheren Zeiten will ich für Mut und Zuversicht stehen. 

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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