Doppelspitze in Sachsen-Anhalt: „Die SPD muss progressiv provokant werden.“
Juliane Kleeman und Andreas Schmidt sind neue Vorsitzende der SPD Sachsen-Anhalt. Der Landesparteitag in Aschersleben wählte sie am Freitagabend mit 89,9 (Kleemann) bzw. 87,2 Prozent (Schmidt) zu Nachfolgern von Burkhard Lischka. Zuvor hatten sie sich in einem Mitgliedervotum durchgesetzt. Die SPD Sachsen-Anhalt ist damit der erste Landesverband mit einer Doppelspitze. Im vorwärts-Interview sagen Kleemann und Schmidt, wie sie sich die Arbeitsteilung vorstellen und wie sie die SPD zum Erfolg führen wollen.
Die SPD Sachsen-Anhalt ist der erste Landesverband mit einer Doppelspitze. Was bedeutet das für die künftige Arbeit der Partei?
Andreas Schmidt: Zunächst mal sind wir stolz, dass wir in Sachsen-Anhalt die erste Landes-SPD mit einer Doppelspitze sind. Die Weichen dafür haben wir schon vor längerer Zeit gestellt, noch bevor die Bundespartei die notwendige Satzungsänderung auf den Weg gebracht und selbst eine Doppelspitze gewählt hat. Ganz praktisch bedeutet das Vorsitzenden-Duo aus Juliane und mir, dass künftig zwei Köpfe und vier Hände die Arbeit machen. Angesichts der vielen Aufgaben, die vor uns liegen, ist das ein großer Gewinn. Ein Vorteil ist auch, dass Juliane und ich unterschiedliche Alltage und damit tägliche Erfahrungen haben: Juliane ist in der Kommunalpolitik verankert und in ihrer Arbeit in der Kirche, ich habe eher die Perspektive als Landtagsabgeordneter. Das ist durchaus ein Gewinn.
Juliane Kleemann: Andreas und ich haben wirklich ganz unterschiedliche Hintergründe. Er hat jahrelange politische Erfahrung, ich dafür den frischeren Blick der politischen Quereinsteigerin, die erst sechs Jahre Mitglied der SPD ist. Das ergänzt sich gut und führt zu einer Lebendigkeit in der Partei.
Anders als bei der Bundespartei sind Sie nicht als Team angetreten, sondern von den Mitgliedern zusammengewählt worden. War Andreas Schmidt ihr Wunschpartner, Frau Kleemann?
Juliane Kleemann: Ich bin mit dem Ausgang des Mitgliederentscheids sehr zufrieden. Andreas und ich bilden ein gutes Tandem, weil wir in manchen Punkten sehr ähnlich sind, in anderen dafür sehr unterschiedlich. Insofern konnte ich mir diese Paarung von Anfang an am besten vorstellen.
Wie war es bei Ihnen, Herr Schmidt?
Andreas Schmidt: Der Landesvorstand hat bewusst dieses Verfahren gewählt, das sich von dem der Bundespartei unterscheidet. Das finde ich auch gut so. Während der Mitgliederbefragung haben wir Kandidaten uns bewusst zurückgehalten und nicht gesagt, mit wem wir künftig am liebsten zusammenarbeiten wollen, um die Mitglieder nicht zu beeinflussen. Deshalb werde ich mich auch jetzt zurückhalten. Juliane und ich kennen uns aber schon eine ganze Weile und haben bisher immer gut zusammengearbeitet. Deshalb denke ich, dass das auch künftig so sein wird. Wir ergänzen uns gut.
Wie wollen Sie die Arbeit künftig aufteilen?
Andreas Schmidt: Das haben wir noch nicht abschließend besprochen. Zwischen dem Ergebnis der zweiten Runde der Mitgliederbefragung und unserer Wahl auf dem Landesparteitag lag ja gerade einmal eine Woche. Da ist klar, dass wir noch nicht alle Dinge im Detail klären konnten.
Im kommenden Jahr wird in Sachsen-Anhalt gewählt. Ist mit der Vorsitzenden-Wahl auch schon eine Vorentscheidung für die Spitzenkandidatur gefallen?
Andreas Schmidt: Nein, das eine hat mit dem anderen gar nichts zu tun. Juliane und ich haben von Anfang an gesagt, dass wir die Spitzenkandidatur nicht anstreben und dabei bleiben wir auch. Wir sind angetreten, um Vorsitzende der SPD Sachsen-Anhalt zu sein und nicht, um das als Sprungbrett für die Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl zu nutzen. Unser Anliegen ist vielmehr, die Verantwortung auf mehrere Schultern zu verteilen. So halten wir es in Sachsen-Anhalt seit einigen Jahren und diesen Weg sollten wir auch beibehalten.
Juliane Kleemann: Unsere Aufgabe ist die Arbeit in der und für die Partei. Vorsitz und Spitzenkandidatur voneinander zu trennen, ist eine sehr kluge Entscheidung. Dass mehrere Protagonisten in der ersten Reihe stehen, aber unterschiedliche Aufgaben haben, finde ich absolut richtig. Ein Spitzenkandidat ist viel stärker in der Tagespolitik eingebunden, während die Spitze der Partei mit der Frage beschäftigt ist, wie sich die Partei weiterentwickeln kann.
Zurzeit regiert in Magdeburg mit „Kenia“ eher ein Zweckbündnis. Im Leitantrag zum Parteitag heißt es, die SPD strebe „perspektivisch eine progressive Mehrheit anstatt erzwungener Bündnisse an“. Wie soll das gelingen?
Juliane Kleemann: Die SPD muss progressiv provokant werden und deutlich sagen, warum sie für bestimmte Dinge eintritt, etwa die Ganztagsschulen. Damit machen wir auch deutlich, wo wir uns von der CDU unterscheiden, die eher darauf ausgerichtet ist, das zu bewahren, was sie schon immer gut gefunden hat, statt sich auf Neues einzulassen. Veränderung findet statt, ob wir wollen oder nicht, und wir müssen uns entscheiden, ob wir sie gestalten oder sie nur geschehen lassen. Ich bin eher fürs Gestalten.
Andreas Schmidt: Am entscheidendsten wird sein, dass wir als SPD wieder stärker werden. Dafür brauchen wir ein Wahlprogramm, das dazu führt, dass die Menschen über unsere Themen reden und nicht über das, was in den Medien gerade hochgejazzt wird. Unser Wahlprogramm muss mutig sein und nicht schon den Kompromiss vorwegnehmen. 30 Jahren nach der Wiedervereinigung werden in Sachsen-Anhalt die Weichen neu gestellt und wir müssen über viele Dinge neu nachdenken. Leider wird darüber öffentlich viel zu wenig geredet. Das sollten wir ändern. Von allen Parteien im Land haben wir das größte Potenzial. Das müssen wir heben.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.