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Bayern-SPD: „Ein solcher Kurs wird sich auch bei Wahlen auszahlen“

Am Montag geht die Landtagsfraktion der Bayern-SPD in Klausur – und fährt dabei vier Tage durch den Freistaat. Im Interview sagt Fraktionschef Holger Grießhammer, was er damit bezweckt und wie er die SPD in die Regierung des Freistaats führen will.

von Kai Doering · 19. September 2025
Holger Grießhammer lehnt in einem blauen Anzug an einer Säule, den Blick nach links gerichtet.

„Ich möchte die SPD in Bayern wieder stärker in die Mitte der Gesellschaft rücken.“ SPD-Fraktionschef Holger Grießhammer

Direkt nach den Sommerferien in Bayern trifft sich Ihre Fraktion zur Klausur – allerdings nicht hinter dicken Klostermauern, wie man es von anderen bayerischen Parteien kennt, sondern im Reisebus. Was haben Sie vor?

Mir ist es sehr wichtig, als SPD vor Ort bei den Menschen präsent zu sein. Sie sollen wissen, dass es die SPD in Bayern nicht nur in den Städten gibt, sondern auch in der Fläche. Daraus ist die Idee entstanden, mit der gesamten Landtagsfraktion auf Tour zu gehen und unsere klassische Herbstklausur in einen Bus verlegen und damit ganz Bayern zu bereisen.

Ganz Bayern an vier Tagen – ist das realistisch?

Wenn ich sage ganz Bayern, dann bedeutet das, dass wir in jedem der sieben Regierungsbezirke aufschlagen werden und zwar möglichst zentral. Ich möchte, dass uns jeder, der das möchte, erreichen kann. Ich denke, das stellen wir auf diese Weise sicher. Dabei sind wir zum einen vor Ort auf Marktplätzen, auf denen wir unseren Infostand aufbauen. Zum anderen gehen wir aber auch in verschiedene Einrichtungen und Unternehmen, um mitzubekommen, was die Menschen in ihrem Alltag beschäftigt und wie wir sie unterstützen können.

Und was passiert nach der Tour mit den Dingen, die Ihnen die Menschen in Bayern mit auf den Weg gegeben haben?

All das werden wir natürlich in unsere politische Arbeit aufnehmen, in Anträge im Landtag etwa. Wir werden aber auch auf unserer Tour im Bus ein Klausurpapier beschließen, in das wir sicher Eindrücke und Vorschläge von vor Ort mit aufnehmen werden. Vor zwölf Jahren hat der Landtag eine Enquete-Kommission zum Thema „Gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Bayern“ eingerichtet, die Anfang 2018 auch konkrete Vorschläge vorgelegt hat. Jetzt sollten wir schauen, wie der Stand heute ist und wo der Freistaat möglicherweise auseinanderdriftet. Ich denke, auch dazu kann unsere Tour einen Beitrag leisten.

Holger
Grießhammer

Vier Tage zusammen in einem Bus? Da mache ich mir überhaupt keine Sorgen.

Vier Tage im Bus, das erinnert eher an die Tour einer Band als an politisches Arbeiten. Wie stellen Sie sicher, dass am Ende trotzdem Ergebnisse stehen, wie sie bei einer Klausurtagung erwartet werden?

Sie meinen, ob wir es vier Tage zusammen in einem Bus aushalten? Da mache ich mir überhaupt keine Sorgen. Wir haben auch Wert darauf gelegt, dass der Bus genug Beinfreiheit hat und über alle Möglichkeiten verfügt, die wir für unsere politische Arbeit brauchen, von schnellem W-Lan bis zu einem Konferenztisch. Das Wichtigste wird vielleicht die Kaffeemaschine sein, denn wir starten durchaus früh und legen zum Teil recht große Entfernungen zurück.

Haben Sie trotzdem Sorge, dass bei dieser Art der Klausur im wahrsten Sinne des Wortes etwas auf der Strecke bleibt?

Nein. Zumal wir ja auch nicht bei null starten werden, sondern schon vor Beginn der Klausur einiges vorbereiten werden. Und im Januar findet dann ja auch schon unsere Winterklausur statt, die wir „klassisch“ abhalten werden. Deshalb trauen wir uns zu, jetzt im September mal etwas anderes zu machen.

Pünktlich zum Landesparteitag der Bayern-SPD am 27. September in Landshut werden Sie von der Klausur-Tour zurück sein. Dort soll die Parteiführung neu gewählt werden. Wie wollen Sie sich als Fraktion dort künftig einbringen?

Momentan sind wir gut vertreten im Parteivorstand. Ich selbst bin als Fraktionsvorsitzender im Präsidium als beratendes Mitglied kooptiert. Meine stellvertretende Fraktionsvorsitzende ist gewähltes Mitglied im Parteivorstand und im Präsidium. Unsere Generalsekretärin ist eine Landtagskollegin, die auch im Fraktionsvorstand mit angedockt ist. Also hatten wir bisher eine gute Vernetzung und wir wollen auch sicherstellen, dass das künftig so sein wird.

Holger
Grießhammer

Nun sollten wir uns fragen, wo der Arbeiter ist, der uns früher immer gewählt hat.

Mit Sebastian Roloff und Ronja Endres soll es künftig wieder eine Doppelspitze geben. Sie selbst hatten kein Interesse, für den Landesvorsitz zu kandidieren?

Nein, ich habe das ausgeschlossen und schließe es auch weiterhin aus, weil die Aufgabe eines Fraktionsvorsitzenden schon sehr groß ist. 

Als Oppositionsfraktion in Bayern ist die Herausforderung nochmal deutlich größer. Wir haben bei weitem nicht den Apparat einer Regierungsfraktion und sind nicht mehr flächendeckend in Bayern präsent. Das heißt, jeder einzelne Abgeordnete bei uns muss mehr leisten. Und es war eine große Aufgabe, die Fraktion zu übernehmen. Wir galten ja als gespalten in der letzten Legislaturperiode. Und mir ist es gelungen, die Fraktion jetzt zu einem Team zu formen. Dieses Pflänzchen möchte ich nicht wieder kaputt machen, indem ich mir noch weitere Aufgabenbereiche suche.

Bei der Landtagswahl 2023 hatte die SPD gerade mal 8,4 Prozent. Bei der Bundestagswahl im Februar waren es 11,5 Prozent. Wie kommt die SPD in Bayern wieder in die Erfolgsspur?

Ich möchte die SPD in Bayern wieder stärker in die Mitte der Gesellschaft rücken. Bayern ist ein konservatives Bundesland. Unsere Themen als SPD sind ganz klar die sozialen, aber ich möchte die SPD auch wieder mehr öffnen für die Wirtschaftspolitik. Ich bin selbst Handwerksmeister, selbstständig, mit eigenem Betrieb. Wir können nur eine gute Sozialpolitik betreiben mit ausreichend Geld, wenn wir eine gute Wirtschaftspolitik betreiben in Deutschland und in Bayern. Denn nur wenn die Wirtschaft läuft, haben wir genügend Spielräume für solche Dinge. Ich denke, ein solcher Kurs wird sich auch bei Wahlen auszahlen.

Also sollte die SPD einen konservativeren Weg einschlagen?

Nein, einen pragmatischen. Wir haben ja auf unserem jüngsten Kleinen Parteitag ein Papier beschlossen, in dem wir das Ziel formulieren, auch die Leistungsträgerinnen und Leistungsträger mitnehmen zu wollen, also die Menschen in den Mittelpunkt zu rücken, die tagtäglich hart arbeiten. Das ist genau der richtige Weg. Wir galten ja viele Jahre als die Interessenvertretung der „Nichtarbeiter“. Wir haben uns um Bürgergeld gekümmert, um die Wohngeldreform. Wir kümmern uns um den Mindestlohn. Nun sollten wir uns fragen, wo der Arbeiter ist, der uns früher immer gewählt hat. Was sind seine Sorgen und seine Wünsche? Darum müssen wir uns kümmern.

Holger
Grießhammer

Wenn die SPD in Bayern Verantwortung übernehmen möchte, dann wird es nur mit der CSU gehen.

Anfang des Jahres haben Sie mit einem Angebot an Ministerpräsident Markus Söder für Aufsehen gesorgt, als Ersatz-Koalitionspartner statt der „Freien Wähler“ bereitzustehen. War das ernst gemeint?

Ja. Allerdings muss man auch den Zusammenhang nennen. Im Frühjahr, als es um das Sondervermögen ging, das CDU/CSU und SPD gemeinsam mit den Grünen mit Zwei-Drittel-Mehrheit durch Bundestag und Bundesrat bringen wollten, standen die Freien Wähler diesem Vorhaben sehr kritisch gegenüber. Markus Söder hat den Freien Wählern daraufhin damit gedroht, die Koalition in Bayern platzen zu lassen.

In dieser Situation haben wir uns als möglichen Koalitionspartner ins Spiel gebracht. Allerdings hätte diese Koalition nur eine Stimme Mehrheit gehabt und am Ende haben die Freien Wähler das Sondervermögen ja auch nicht blockiert. Aber ernst gemeint war unser Angebot durchaus. An den Reaktionen und an der Frage kann man aber sehen, dass es für viele eine ungewohnte Vorstellung ist, dass die SPD in Bayern mitregieren könnte. Ungewohnt heißt aber nicht unmöglich.

Schwarz-Rot könnte also nach der Landtagswahl durchaus eine Option sein?

Absolut. Wenn wir das nicht unterstützen würden, würden wir den Menschen in Bayern ja auch signalisieren, dass wir nicht regieren wollen. Eine Alleinregierung der SPD in Bayern ist ebenso utopisch wie Rot-Grün. Wenn die SPD also in Bayern Verantwortung übernehmen möchte, dann wird es nur mit der CSU gehen. Dafür werbe ich.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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