Meinung

Wie der Populismus von Friedrich Merz die AfD stärkt

Der Populismus von CDU-Chef Friedrich Merz zeigt sich nicht nur in seinen Interviews, sondern auch in seinem Verhalten im Bundestag. Es ist höchste Zeit, diesen falschen und gefährlichen Weg zu verlassen, kommentiert vorwärts-Redakteur Lars Haferkamp.

von Lars Haferkamp · 23. Januar 2024
CDU-Chef Friedrich Merz setzt auf Populismus: So wenn er wahrheitswidrig über Asylbewerber*innen behauptet, „die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine“.

CDU-Chef Friedrich Merz setzt auf Populismus: So wenn er wahrheitswidrig über Asylbewerber*innen behauptet, „die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine“.

Manche behandeln unsere Demokratie so, als hätten sie noch eine zweite im Schrank. So soll es der frühere SPD-Vorsitzende Franz Müntefering einmal formuliert haben. Wer Reden und Handeln von CDU-Chef Friedrich Merz betrachtet, kann sich an diesen Satz erinnert fühlen.

Denn Ton und Inhalt der Kritik von Merz an der Ampel-Koalition unterscheiden sich immer weniger vom aggressiven und verächtlichen, vom maßlosen Jargon der AfD. „Was Sie hier machen ist eine Katastrophe für dieses Land“, ereifert sich der CDU-Chef, als stünde das Land durch die Politik der Ampel vor dem Untergang. „Kommen Sie mit ihrer Politik zur Besinnung“, ruft er Richtung Regierungsbank, als hätten die Minister*innen der Ampel den Verstand verloren. „Es ist einfach nur noch peinlich, was wir von Ihnen hier sehen und hören“, setzt er die Koalitionspolitiker*innen im Bundestag herab. Und dem Kanzler schleudert er entgegen: „Sie können es nicht!“ – ausgerechnet Friedrich Merz der mit seinen 68 Jahren noch nie auch nur ein einziges Regierungsamt innehatte, nicht einmal auf kommunaler Ebene. 

Saskia Esken: „CDU und CSU hetzen im Chor mit der AfD“

Kein Wunder, dass die SPD-Vorsitzende Saskia Esken auf dem Berliner Bundesparteitag im Dezember 2023 feststellt: „CDU und CSU hetzen im Chor mit der AfD gegen die Ampel.“ Diese Analyse sei „eine Unverschämtheit“ und „ein Tiefpunkt in der politischen Kultur“, empört sich daraufhin CDU-Chef Merz. Es ist weder das eine noch das andere, denn es beschreibt schlicht die Realität. 

Der Populismus von Friedrich Merz zeigt sich aber nicht nur in seinen regelmäßigen verbalen Entgleisungen, sondern auch in seinem Verhalten und seiner Strategie als Oppositionsführer im Bundestag. Einen beunruhigenden Einblick darin gewähren die Haushaltspolitiker der Ampelfraktionen in der vergangenen Woche. Man habe in der Bereinigungssitzung des Haushaltsauschusses zum Etat 2024 „eine CDU/CSU-Fraktion erlebt, die sich der demokratischen Auseinandersetzung entzogen hat“, so Dennis Rohde, Haushaltssprecher der SPD. Sein FDP-Kollege Otto Fricke ergänzt, dass im Haushaltsausschuss „ausgerechnet die AfD mehr Anträge stellt, sich mehr am Diskurs beteiligt, als die CDU“.

Wie Merz im Bundestag den Trump gibt

Demokratie heißt Diskurs über die besten Lösungen für das Land, heißt Streit in der Sache und über Fakten. Wer sich diesem Diskurs verweigert, wie die Union im Haushaltsausschuss, wer jeden Kürzungsvorschlag der Regierung empört und lautstark ablehnt, ohne einen einzigen konkreten Gegenvorschlag zu machen, und stattdessen nur blind auf die Regierung eindrischt, der verweigert sich der demokratischen Mitarbeit und schadet damit der Demokratie. In der Haushaltsfrage wiegt das umso schwerer, als es CDU und CSU waren, die mit ihrer Klage in Karlsruhe den aktuellen Sparzwang erst herbeigeführt haben.

Dass die Verweigerung der Union Sparalternativen vorzulegen nicht die Idee ihrer Haushaltspolitiker*innen war, sondern die Anordnung des Partei- und Fraktionschefs Merz, steht für Insider außer Frage. „Das ist die Entscheidung von Friedrich Merz, weil Friedrich Merz im Bundestag auf Populismus setzt“, analysiert Sven-Christian Kindler, der haushaltspolitische Sprecher der Grünen. Die Methode Merz erinnert nicht wenige an die Methode Trump. So ist es kein Zufall, wenn die grüne Ex-Agrarministerin Renate Künast im Bundestag an den CDU-Chef appelliert: „Geben Sie nicht den Trump.“ Bis jetzt leider ein vergeblicher Appell.

Keine Ausrutscher, sondern Methode

Denn Merz rechtspopulistische Ausfälle sind keine Ausrutscher, sie haben Methode. So wenn er wahrheitswidrig über Asylbewerber*innen behauptet, „die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine“. Wenn er dekretiert,nicht Kreuzberg ist Deutschland, Gillamoos ist Deutschland“. Wenn er von einem angeblichen „Sozialtourismus“ von aus der Ukraine nach Deutschland Geflüchteten schwadroniert. Oder wenn er nach der erstmaligen Direktwahl eines AfD-Landrats nicht die Rechtspopulist*innen, sondern die Grünen zum „Hauptgegner“ der Union erklärt. Und wenn Merz dann auch noch im Bundestag beteuert, „es gibt niemanden, der sich in der Abgrenzung zu dieser Fraktion da ganz rechts überbieten lässt, wie wir“, weiß man nicht, ob man lachen oder weinen möchte.

Dass Friedrich Merz' Strategie, mit seinem Populismus die Populist*innen der AfD klein zu machen, nicht funktioniert, müsste mittlerweile jedem klar sein. Die Umfragen und die Wahlergebnisse sprechen eine eindeutige Sprache: Nicht die Union wird stärker, die AfD wird immer stärker. Merz' Populismus schadet also nicht der AfD, er schadet der Demokratie. Und deshalb ist es höchste Zeit für den CDU-Chef, diesen falschen und gefährlichen Weg zu verlassen.

Weitere interessante Rubriken entdecken

6 Kommentare

Gespeichert von Peter Boettel (nicht überprüft) am Di., 23.01.2024 - 15:31

Permalink

Einige Beispiele zum Thema:
Merz wollte die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe abschaffen,
Merz wollte den Kündigungsschutz abschaffen,
Merz wollte das Renteneintrittsalter erhöhen,
Merz wollte die Strafbarkeit von Steuerhinterziehung abschaffen.

Gespeichert von Peter Plutarch (nicht überprüft) am Di., 23.01.2024 - 15:59

Permalink

Wenn und falls man Friedrich Merz Populismus vorwerfen kann, dann ist er hier nicht trefflich wiedergegeben worden. In dem Artikel sind nur die üblichen Oppositionssprüche aufgeführt, die man in vergleichbarer Form von jedem Oppositionsführer hierzulande gegenüber der jeweiligen Regierung hören durfte und darf.

Es war nun einmal die Entscheidung der Ampel, den Flüchtlingen aus der Ukraine Sonderrechte einzuräumen, die über die Leistungen hinausgehen, die Asylbewerber aus anderen (z.B. afrikanischen oder arabischen) Ländern erhalten. Ist die Erwartung an die Opposition hier ernsthaft, der Regierung diese falsche und spalterische Entscheidung durchgehen zu lassen?

Und die Aussage von Merz zu den Asylbewerbern im Wartezimmer der Zahnärzte stimmt zwar nicht hinsichtlich der "Allerweltsasylbewerber", aber hinsichtlich der ukrainischen Flüchtlingen mit Sonderrechten ist sie jedenfalls nicht falsch. Denn die wurden quasi mit Ankunft sofort mit Sonderrechten wie z.B. vollem Zugriff auf die Krankenversicherung und Gesundheitsversorgung ausgestattet. Richtig wäre, dies allen Flüchtlingen zuteil werden zu lassen, oder dies den Ukrainern auch vorzuenthalten.

Merz mag ein Populist sein, seine hier wiedergegebene Kritik trifft trotzdem zu und kann so wie in dem obigen Artikel jedenfalls nicht entkräftet werden. Dazu müsste die Ampel schon bessere Politik machen. Und besser bedeutet: Sie müsste sozialdemokratische Politik machen. Das aber scheint weder Lindners noch Scholzens Herzensanliegen zu sein.

So bleibt hier nur nur Rhetorik, die über mangelnde Substanz nicht hinwegtäuschen kann.

Gespeichert von Martin Holzer (nicht überprüft) am Di., 23.01.2024 - 17:26

Permalink

Die CDU muß die wahren Problem im Land genauso verschweigen wie Ampel. Das ist schließlich die Aufgabe der Opposition.

Gespeichert von max freitag (nicht überprüft) am Mi., 24.01.2024 - 12:11

Permalink

r den Zustrom der Wählergunst zu danken hat. Ich hoffe sehr, die CDU wird dies nun auch bald einsehen, und einen anderen Mann bzw andere Frau an die Parteispitze stellen. Dann hat das schnell ein Ende mit der AfD- dann steigen auch unsere Zustimmungswerte wieder in altbekannte Höhen