Neuwahl in Großbritannien: Johnsons Spiel mit dem Feuer
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Es war einmal eine konservative Partei, die aus populistischen Beweggründen heraus mit dem Feuer spielte und sich verbrannte. So oder so ähnlich könnte ein Märchen über den Brexit beginnen. Doch leider ist der Brexit kein Märchen, sondern nur noch eine Farce, die das Vertrauen in Politik, den demokratischen Parlamentarismus und Europa nahezu zerstört. Und das nicht nur in Großbritannien.
Als sich Cameron verzockte
Die altehrwürdige Westminster-Demokratie schlägt sich bereits sein dreieinhalb Jahren mit dem Thema herum. 2016 begann der Alptraum, der eigentlich nur eine parteipolitische Taktiererei werden sollte, um sich bessere Konditionen innerhalb der Europäischen Union zu erkaufen. Am Morgen des 24. Juni kam dann aber der Schock: Eine knappe Mehrheit im noch Vereinigten Königreich stimmte für den Austritt aus der Europäischen Union und David Cameron verbrannte sich an der politischen Herdplatte, um dann zurückzutreten.
Es folgte Theresa May, welche den Brexit vollziehen wollte. Zumindest war dies ihr Versprechen und Auftrag. Ihr gelang zwar noch 2017 die erste erfolgreiche Abstimmung im Parlament, seitdem herrscht aber parlamentarisches Chaos. Dieses Chaos führte im Sommer 2019 zu Boris Johnson.
Der optische und politische Bruder von Donald Trump brilliert mit einem rechtspopulistischen und radikalen Anti-EU-Kurs. Er will den Austritt um jeden Preis, auch wenn der Preis einen ungeregelten Brexit und im Extremfall einen Bürgerkrieg in Nordirland zur Folge hätte.
Die Tories im Aufwind
Johnson droht, blockiert und hebelt das Parlament aus. Nichts scheint ihm heilig zu sein und genau mit diesem harten Kurs scheint er auch noch Erfolg zu haben. Seit er auf Theresa May folgte, verzeichnen die Tories einen Aufstieg in der Wählergunst. Wohingegen der fatale Hickhack-Kurs der Labour-Partei, welcher liebevoll "squabbling" gennant wird, zur Stärkung der neoliberalen Liberaldemokraten (Lib Dems) führt.
Während Johnson die Konservativen nach seiner Vorstellung umbaut, Fraktionsmitglieder rauswirft und sie durch ihm genehme Nachfolger ersetzen wird, kann er auf das steigende Vertrauen vieler Nationalisten und Antidemokraten bauen. Denn der wahrhaft und ehrgeizig kämpfende Johnson scheitert am Parlamentarismus und somit an der Demokratie, so zumindest seine Erzählung. Dieses brandgefährliche Narrativ könnte im Fall einer Neuwahl zum Wahlkampfschlager Johnsons werden. Und genau das führt uns zurück zum Stand des Brexits.
Alles wieder auf Anfang?
Nach langem politischen Kampf gelang Johnson der Durchbruch. Zumindest für wenige Minuten. Labour-Rebellen, die Konservativen und die nordirische DUP stimmten der neusten Version des zwischen der EU und dem UK ausgehandelten Brexit-Deal zu. Damit bekam Johnson seine langerwartete Mehrheit im Parlament. Doch wenig später wurde der von Johnson beantragte Zeitplan zum Austritt am 31. Oktober abgelehnt. Jetzt ist zwar der Weg für die dritte Lesung und Abstimmung frei, aber die große Frage ist, wann dies geschehen soll und ob das aktuelle Parlament dies überhaupt noch kann.
Denn weitere Änderungen am Brexitvertrag sind möglich. So könnten etwa Labour, die DUP und die Lib Dems den Vertrag mit ihrer Mehrheit wieder abändern und dann stünde alles wieder auf Anfang, da die EU dem erneut zustimmen müsste. Mit dem Brexit verhält es sich daher wie mit Schrödingers Gedankenexperiment: Niemand weiß, was los ist, niemand weiß, was passieren wird und niemand weiß, ob Großbritannien die EU verlassen wird. Zudem weiß niemand mehr, welchen Kurs Corbyn und Labour mittlerweile ernsthaft verfolgen oder wie vereinigt das Vereinigte Königreich überhaupt noch ist.
All das hätte aber nicht passieren müssen, wenn David Cameron nicht mit dem Feuer gespielt oder sich Jeremy Corbyn 2016 klar zur EU bekannt hätte.