Meinung

Diese Gefahren birgt Trumps Friedensplan für Gaza und den Nahen Osten

Große Hoffnungen ruhen auf dem Friedensplan Donald Trumps für den Nahen Osten. Doch schon wie er zustande kam, zeigt, dass die Risiken groß sind. Deutschland und die EU sollten sich deshalb nicht allein auf die Finanzierung des Wiederaufbaus des Gazastreifens beschränken.

von René Wildangel · 21. Oktober 2025
Donald Trump hält in Sharm al-Scheikh seinen Friedensplan für Gaza in die Kamera.

US-Präsident Donald Trump in Sharm al-Scheikh: blumige Absichtserklärung des Weißen Hauses

Es war ein in großen Teilen bizarrer Auftritt von Donald Trump in der Knesset. In der vergangenen Woche wurde der US-Präsident dort euphorisch begrüßt, was angesichts der Tatsache, dass er gerade die Freilassung der noch lebenden israelischen Hamas-Geiseln erreicht hatte, durchaus nachvollziehbar ist.

Doch der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu dankte Trump noch für zahlreiche andere Dinge: Die US-Ankerkennung der israelischen Annexion Ost-Jerusalems und der Golan-Höhen, seinen Einsatz gegen „die Lügen gegen Israel in den Vereinten Nationen“ – und dafür, dass Trump die israelischen „Rechte in Judäa und Samaria“ (gemeint ist das Westjordanand) anerkenne, womit er sich auf Entscheidungen aus Trumps erster Amtszeit bezog. Alles Punkte, die den Frieden in Nahost behindern, nicht befördern.

Trumps 20-Punkte-Plan spielte keine Rolle

Zwei Knesset-Abgeordnete, die es wagten, ihre kritische Haltung zu äußern, wurden ausgebuht und dann von Sicherheitskräften aus dem Saal entfernt. Selbst Trump bemerkte sichtlich beeindruckt, der Rausschmiss sei „sehr effektiv“ gewesen. In seiner langen Rede führte Trump aus, warum er der „beste Freund (sei), den Israel je hatte“ – nicht zuletzt aufgrund des massiven Umfangs an Waffen, den die USA Israel seit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 für die zweijährige Militäroffensive in Gaza, aber auch die weiteren Krieg in der Region zur Verfügung gestellt haben. 

Das hinderte Trump nicht daran, sich wenige Stunden später in Scharm al-Scheikh für die Beendigung eines der zerstörerischsten Militäreinsätze seit dem Zweiten Weltkrieg zu feiern, den er in diesem Umfang erst selbst ermöglicht hatte. Dort stand Trump auf einer Bühne mit den riesigen Lettern „Peace 2025“ und lud die angereisten Staatsführer nacheinander zum Pressefoto. Die Veranstaltung hatte mehr von einem gigantischen Kindergeburtstag als von internationalen Verhandlungen. Trumps in den Tagen zuvor verkündeter „20-Punkte-Plan“ spielte hier keine Rolle, statt dessen wurde eine blumige Absichtserklärung des Weißen Hauses unterzeichnet. 

 Trumps „Friedens“-Plane könnte eher ins Chaos führen

Es gibt mindestens drei Gründe, warum Trumps Pläne nichts mit „Frieden“ zu tun haben – und  statt zu Stabilisierung in weitere Eskalation und Chaos führen könnten: 

Erstens ist in dem 20-Punkte-Plan keine Rede vom Völkerrecht und den Menschenrechten, die Vereinten Nationen spielen bestenfalls eine Nebenrolle. Genau das ist aber der relevante internationale Rahmen: Urteile Internationaler Gerichtshöfe wie das IGH-Gutachten von 2024 zur israelischen Besatzung, sämtliche verpflichtende Sicherheitsratsresolutionen, die wichtige Rolle verschiedener UN-Organisationen vor Ort – all das will die Trump-Administration abräumen. Auch das Westjordanland kommt in den Plänen überhaupt nicht vor, wo seit Monaten die Gewalt eskaliert. Seit dem 7. Oktober haben israelische Armee und bewaffnete Siedler hier über 1000 Palästinenser*innen getötet. 

Trumps Vorschlag eines „Friedensrats“ ist zudem ein willkürlich geschaffenes Instrument, mit dem sich die USA zu einer Art Neuauflage einer Mandatsmacht aufschwingen; dass ausgerechnet der in der Region nicht nur wegen des Irakkriegs völlig diskreditierte ehemalige britische Premierminister Tony Blair eine zentrale Rolle spielen soll, zerstört zusätzlich jede Glaubwürdigkeit.

Ein Gremium wie der „Friedensrat“ müsste von den Vereinten Nationen berufen und legitimiert werden; vor allem aber fehlt außer vager Andeutungen die Beschreibung eines Weges zu palästinensischer Selbstbestimmung und einem Ende der Entrechtung von Palästinenser*innen unter israelischer Besatzung. Zwar durfte der palästinensische Präsident Mahmoud Abbs, dem Trump noch vor kurzem die Einreise in die USA verwehrt hatte, in Scharm al-Scheikh anreisen. Doch Trumps Plan sieht bis auf Weiteres keine Rolle für die Autonomiebehörde vor. 

Trump ist schon einmal im Nahen Osten gescheitert

Zweitens ist der Plan und das gesamte Herangehen der US-Administration von offener Einseitigkeit gekennzeichnet. Das ist auch kein Wunder mit Blick auf jene, die ihn vorlegen. Denn Trump und sein Schwiegersohn sowie ehemaliger Nahostbeauftragter Jared Kushner sind schon einmal im Nahen Oisten gescheitert. Bereits 2020 kündigten sie den „Deal of the Century“ an. Auch dies ein Plan, der angeblich „Frieden und Wohlstand“ sichern sollte, de facto aber Israel die Übernahme weiter Teile des Westjordanlandes ermöglichen sollte und weitgehend den Vorstellungen der israelischen Siedlungsbewegung folgt.

Dass Präsident Trump die Details des jahrzehntelangen israelisch-palästinensischen Konfliktes nicht kennt, mag niemanden überraschen. Doch Äußerungen, in denen er davon sprach, die Hamas habe „70.000 Leute verloren“, sprechen Bände: Damit negiert er die überwiegend zivilen Opfer der israelischen Offensive. Von den tief traumatisierten Menschen in Gaza verlangt er eine wie auch immer geartete „Deradikalisierung.“ Auch in der Knesset wurde deutlich, wer Trumps Sicht auf den Konflikt prägt: Dort dankte er ausführlich Miriam Adelson, die auf der Zuschauertribüne saß. Ihr verstorbener Ehemann Sheldon Adelson war ein Hauptunterstützer von Benjamin Netanjhu und den Interessen der Siedlerbewegung.

 Trumps Plan ist vage und einseitig

Drittens ist der Plan nicht mit den Konfliktparteien ausverhandelt und bleibt in vielen Punkten vage. Das ist möglicherweise auch der gefährlichste Punkt mit Blick auf ein mögliches Scheitern. Denn die Verankerung vor Ort ist eine Grundvoraussetzung für jede funktionierende Friedensregelung. Statt dessen besprach der US-Präsident den Plan zunächst mit dem israelischen Ministerpräsidenten – und setzte hinterher der Hamas ein Ultimatum. Die stimmte zwar zu, doch nur Tage nach Trumps Visite zeigte sich bereits, wie unsicher selbst Phase 1 des Waffenstillstandes bleibt: Weil die Hamas die Leichen von 24 israelischen Geiseln nicht übergab – nach Ansicht des Roten Kreuzes auch nicht übergeben konnte – verhinderte die israelische Regierung die angekündigte Öffnung des Grenzübergangs Rafah und schränkte Hilfslieferungen ein.

Nach Israels gezielter Aushungerungspolitik der vergangenen Monate wird so erneut dringend erforderliche humanitäre Hilfe instrumentalisiert. Von den anvisierten schwierigen Folgeschritten wie der Entsendung von Friedenstruppen, dem Rückzug der israelischen Armee und einer Entwaffnung der Hamas ganz zu schweigen – hierzu wurden vor Unterzeichnung überhaupt keine Details vereinbart. Und die Hamas hat bereits auf brutale Weise deutlich gemacht, dass sie fürs Erste die dominierende Kraft in Gaza bleibt.

Die Europäische Union muss Einfluss auf Trump nehmen

Aus diesen Gründen wäre es schon längst geboten gewesen, dass die EU sich von dem Plan abgrenzt bzw. eigene Akzente setzt. Natürlich war der Impuls richtig, eine sofortige Einstellung der Angriffe und Freilassung der Geiseln nachdrücklich zu unterstützen. Und dass die EU mit Trump diplomatisch umgehen muss, ist nachvollziehbar; doch den von ihm beschrittenen, einseitigen Ansatz kritiklos mitzutragen, könnte sich noch als fatal erweisen. Der von Bundeskanzler Friedrich März und Außenminister Johann Wadephul geäußerte Optimismus ist groß, doch worauf er fußt sagen sie nicht.

Klar ist, dass die extremistischen Mitglieder der israelischen Regierung den Militäreinsatz in Gaza weiterführen wollen. Wenn sich Deutschland und die die EU jetzt allein auf die Finanzierung von humanitärer Hilfe und Wiederaufbau verlegen, wäre das extrem kurzsichtig, denn die so dringend benötigten wieder aufgebauten Strukturen könnten dann bald wieder in neuerlichen Angriffen zerstört werden. Wenn sie nicht auf Trump einwirken, ist der Plan ein Programm für andauerndes Unrecht und weiteres Leid, nicht für Trumps ewigen Frieden im Nahen Osten.

Autor*in
René Wildangel

ist Historiker, Dozent an der International Hellenic University in Thessaloniki und Autor mit Schwerpunkt Naher Osten und östliches Mittelmeer. Von 2012 bis 2015 leitete er das Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Ramallah.

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