Warum Bundespräsident Steinmeier gut für die Kultur in Deutschland ist
Als Donald Trump am 20. Januar 2017 als Präsident der USA vereidigt wurde, hielt sich die Begeisterung unter Intellektuellen und Kulturschaffenden in engen Grenzen. Die meisten boykottierten die feierliche Amtseinführung, kaum ein namhafter Künstler wollte zusammen mit Trump gesehen werden. Traten für Barack Obama im Jahr 2009 noch Showgrößen wie Beyoncé und Aretha Franklin auf, musste sich Trump mit einer Sängerin begnügen, die zuvor den zweiten Platz einer Castingshow gewonnen hatte. Die Botschaft war klar: Die meisten ernstzunehmenden Künstler gingen auf Distanz zum neuen US-Präsidenten.
Bundespräsident Steinmeier: „perfekt geeignet“
Bei Frank-Walter Steinmeier, der am Mittwoch als Bundespräsident vereidigt wurde, sieht das ganz anders aus. Der SPD-Politiker gilt als ein besonderer Freund der Künste. Deswegen schätzen ihn viele in der deutschen Kulturszene.
Steinmeier zeichne sich durch „große Offenheit und Weitblick“ aus, wenn es um Kultur geht, lobt die Jazzpianistin Julia Hülsmann. Sie war 2015 mit dem damaligen Außenminister fünf Tage in Südamerika unterwegs. Steinmeier sei gerade von den Friedensverhandlungen in Minsk gekommen, habe kaum geschlafen, bevor er das Flugzeug in Richtung Brasilien bestieg. Trotzdem habe sich der Minister Zeit für ein langes Gespräch mit den mitreisenden Künstlern genommen. Weil er „die Kraft der Kultur richtig einschätzt“, sei Steinmeier für das Amt des Bundespräsidenten „perfekt geeignet“, findet Hülsmann.
Steinmeier und die Kunst: „Die Welt verstehen!“
Dass ein Spitzenpolitiker wie Steinmeier intensiven Kontakt zur Kulturszene unterhält, ist keine Selbstverständlichkeit im hektischen Alltag der Hauptstadt. Die Beziehungen zwischen Politikern und Kulturschaffenden finden meist eher in der zweiten Reihe statt, etwa zwischen Abgeordneten und Künstlern im Wahlkreis. Dass sich Minister mit Malern, Musikern und Schauspielern umgeben, ist eher selten.
Für Steinmeier gehört die Beschäftigung mit der Kunst jedoch seit langem zu seinem Selbstverständnis als Politiker. Bereits in seiner ersten Amtszeit als Außenminister ließ er sich ab 2005 bei Auslandsreisen von Kulturdelegationen begleiten. Zwischen 2014 und 2017 unternahm er über 30 offizielle Reisen ins Ausland, bei denen er von deutschen Künstlern begleitet wurde. In der Geschichte des Auswärtigen Amts ist das eher ungewöhnlich: Steinmeiers Vorgänger überließen Kulturbeziehungen ins Ausland meist dem Goethe-Institut. Steinmeier hingegen nahm Künstler mit auf Reisen, ließ sich als Minister die Welt von den Kreativen erklären. „Wenn wir Deutsche uns einbringen wollen, wenn wir ein kleines Stück beitragen wollen zum Frieden – und diesen Anspruch sollten wir haben!–, dann müssen wir zuallererst eines können: die Welt verstehen!“, sagte er 2014 beim Stuttgarter Institut für Auslandsbeziehungen.
Die „Kunst des Zuhörens und Fragens“
Der Schriftsteller Albert Ostermaier schätzt genau das an seinem langjährigen Freund Frank-Walter Steinmeier: die „unglaubliche Neugier auf verschiedene Perspektiven“. Der neue Bundespräsident sei ein Meister in der „Kunst des Zuhörens und Fragens“. Als Mitglied der deutschen Kulturdelegation in Saudi-Arabien habe er das selbst erlebt, erzählt Ostermaier im Gespräch mit vorwärts.de: Während die Diplomaten und Wirtschaftsvertreter aus Deutschland dem Protokoll folgten, habe die Kulturdelegation saudische Künstler getroffen – darunter auch Regime-Kritiker. Für deren Aussagen habe sich Frank-Walter Steinmeier im Anschluss besonders interessiert.
Von Steinmeiers „absoluter Leidenschaft für die Kultur“ könne die Kulturszene hierzulande sehr profitieren, findet Ostermaier. Er ist sicher, dass Steinmeier sein Interesse für die Kunst mit dem neuen Amt verbinden werde. Auch beim SPD-Kulturforum im Willy-Brandt-Haus heißt es, Steinmeier werde als Präsident seiner Freude an der Kunst sicher treu bleiben.
Julia Hülsmann: „Das macht mir Mut“
Der neue Bundespräsident will den Deutschen Mut machen, betonte er in seiner Rede vor Bundestag und Bundesrat. Albert Ostermaier wünscht sich, „dass er auch den Künstlern Mut macht“. Damit sich mehr Kreative politisch engagieren. Bei der Jazzmusikerin Julia Hülsmann ist die Botschaft Steinmeiers offenbar schon abgekommen. Dass jetzt ein ausgesprochener Freund von Kunst und Kultur im Schloss Bellevue wohnt, findet sie gut – und sagt: „Das macht mir Mut.“
ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.