Kultur

Nelson Mandelas Worte waren seine stärkste Waffe

100 Jahre alt wäre Nelson Mandela in diesem Jahr geworden. Zu diesem Anlass sind ausgewählte Briefe, die er während seiner 27 Jahren Haft verfasst hat, in dem 700 Seiten starken Buch „Briefe aus dem Gefängnis“ veröffentlich worden.
von Angelina Sortino · 30. Juli 2018
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Wie konnte Nelson Mandela eine so lange Zeit im Gefängnis durchstehen? Wie hat er es geschafft, nach all den Jahren nicht als verbitterter, vom Hass gezeichneter Mann in die Freiheit zu gehen -  sondern als Anführer einer politischen Bewegung, der seinen Gegnern verzeihen kann? Mandelas „Briefe aus dem Gefängnis“ helfen dem Leser, den Freiheitskämpfer auf einer persönlichen Ebene kennenzulernen. Man kann ihn nach der Lektüre des Buches besser verstehen und nur noch mehr bewundern.

Liebe, Hoffnung und ein fester Wille

Während seiner Haft lassen Mandela vor allem Liebe, Hoffnung und sein fester Wille, für die eigenen Überzeugungen einzustehen, durchhalten. „Für einen Freiheitskämpfer ist die Hoffnung das, was der Rettungsring für den Schwimmer ist: die Garantie, dass er nicht untergeht und nicht in Gefahr ist,“ schreibt er. In den Jahren 1968 und 1969 erleidet Mandela drei schwere Schicksalsschläge: Seine Mutter und sein Sohn sterben, seine Frau Winnie kommt für 14 Monate in Haft. Trotzdem gibt er die Hoffnung nicht auf.

Die Qualen, die er in dieser Zeit leidet, werden durch die Briefe für den Leser auf bedrückende Weise deutlich und erfahrbar. In einem Brief an seine Frau Winnie schildert er seine Reaktion auf den Tod seines erstgeborenen Sohns Thembi: „Plötzlich schien mein Herz still zu stehen, & das warme Blut, das in den vergangenen 51 Jahren mühelos durch meine Adern geströmt war, gefror zu Eis.“

Postalischer Kampf für bessere Haftbedingungen

Die Haftbedingungen, unter denen Mandela 27 Jahre lang leben muss, sind vor allem anfangs unmenschlich. Die schwarzen Gefangenen werden besonders schlecht behandelt, erhalten nicht genug zu essen, keine warme Kleidung und müssen nackt auf dem Boden schlafen. Besuche sind zu Beginn nur alle sechs Monate gestattet. Briefe dürfen nicht mehr als 500 Wörter enthalten und nur an nahe Angehörige versendet werden. Nach und nach erkämpften Mandela und seine Anwälte eine deutliche Lockerung dieser Beschränkungen und Mandela entwickelte sich zu einem fleißigen Briefschreiber.

Seinen Kampf gegen die Gefängnisbehörden und für bessere Haftbedingungen muss er ebenfalls vor allem postalisch ausfechten. Seine Briefe an den Gefängnisleiter und den Minister für Polizei und Gefängnisse zeugen von Durchhaltevermögen und Bestimmtheit. Angesichts der Tatsache, dass er sogar um einen Pyjama und eine neue Brille mehrfach bitten muss, und dabei stets höflich respektvoll bleibt, sind diese Briefe auch ein Beweis des Kampfgeistes und der Güte Mandelas.

Die Briefe geben ihm Kraft

Der Kontakt mit seiner Familie und seinen Freunden ist für Mandela eine wichtige Stütze in dieser langen, schweren Zeit. So schreibt er über einen der Briefe, den er von seiner Frau erhalten hat: „Er war eine Entschädigung für die kostbaren Dinge, die mir durch Deine Verhaftung genommen wurden ...“. Doch die Briefe unterliegen einer starken Zensur und werden oft gar nicht abgeschickt. „Nur ein zu lebenslanger Haft verurteilter Gefangener kann ermessen, wie frustrierend und qualvoll es sein kann, wenn der Versuch von Freunden, einen zu erreichen und einem Mut zuzusprechen irgendwo unterwegs abgeblockt wird,“ findet Mandela

Auch in Gefangenschaft versucht er, seiner Rolle als Vater und Großvater, so gut es geht, gerecht zu werden. Dies tut er vor allem durch Ratschläge, Lob und Tadel in seinen Briefen. Er bemüht sich aber auch um Stipendien für seine Nachkommen und hofft, ihnen so eine gute Bildung ermöglichen zu können.

Freiheit nach 27 Jahren in Haft

Später steht Mandela auch mit der Regierung in Kontakt und verhandelt mit ihr, um das Ende der Apartheid einzuleiten. Mehrmals wird ihm dabei die Freiheit angeboten, doch Mandela lehnt ab. Er ist nicht bereit, seine politischen Überzeugungen für seine Freiheit aufzugeben. Auch nicht, nach mehreren Jahrzenten der Gefangenschaft.

Am 11. Februar 1990 um 16 Uhr 22 verlässt Nelson Mandela das Victor-Verster-Gefängnis und ist nach 27 Jahren in Haft wieder ein freier Mann.

Wegweiser zurück zur Menschlichkeit

Die Sammlung von mehr als 250 Briefen eignet sich gut für Leser, die ihr Wissen und vor allem ihr Verständnis für Nelson Mandela vertiefen möchten. Doch auch für jene, die sich zum ersten Mal näher mit ihm, Südafrika und der Apartheit auseinandersetzen möchten, ist das Buch eine geeignete Lektüre. Die einzelnen Briefe sind mit zahlreichen Anmerkungen versehen, viele der Namen werden immer wieder erklärt. So verliert man, trotz Mandelas großer Familie und den vielen Freunden, denen er schreibt, nie den Überblick.

Auf dem Einband ist zu lesen, dass Barak Obama wohl über das Buch sagte: „Mandelas Worte geben uns einen Kompass in einem Meer des Wandels.“ Auch wenn das vielleicht ein wenig geschwollen klingt, muss man dem Kern dieser Aussage dennoch zustimmen.

Mandelas Briefe vermitteln Werte und Kompetenzen. Diese weisen immer wieder auf den richtigen Weg, vor allem in einer Zeit, in der die Menschlichkeit manchen Politikern und Bürgern abhandengekommen zu sein scheint.

Spannend für alle Mandela-Interessierten ist auch die Nelson-Mandela-Ausstellung, die derzeit im Willy-Brandt-Haus zu sehen ist. 

„Briefe aus dem Gefängnis“ C.H.Beck Verlag, München 2018, 752 Seiten, 28 Euro, ISBN-13: 978-3406718342

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Angelina Sortino

studiert Communication, Culture and Management und ist Praktikantin beim „vorwärts“.

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