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Rekordsommer: Wie Hitze soziale Ungleichheiten verschärft

Für Europa bedeuten die momentanen Spitzentemperaturen mehr Extremwettersituationen. Weltweit bedeuten sie die Verschärfung sozialer Ungleichheiten.
von Johanna Schmeller · 2. August 2018
Gop23
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Der Sommer 2018 bricht alle Temperaturrekorde. Unter dem Titel „Sommer der Zukunft“ spielt die „Süddeutsche Zeitung“ Szenarien durch, die sich bei unterschiedlich starkem Anstieg der Durchschnittstemperaturen ergeben könnten.

Deutschland drohen Ernteausfälle, meldet auch „DIE ZEIT“ und verweist auf Zahlen des Bauernverbandes: Der Juli sei einer der heißesten und trockensten Monate seit Beginn der Wetteraufzeichnungen gewesen. Die Weizenernte liege rund ein Viertel unter dem Durchschnittsertrag der vergangenen fünf Jahre.

In Europa mehren sich Extremwettersituationen, stellt die „Tagesschau“ fest: In Schweden und Griechenland breiten sich Brände aus. Laut einer Studie des Netzwerks „World Weather Attributions“ hat der Klimawandel im nördlichen Europa das Risiko für Hitzewellen deutlich erhöht.

Klimawandel als Risikomultiplikator

Im Globalen Süden sind Opfer der Erderwärmung häufig Frauen und Kinder. Die Folge ist eine Verschärfung ohnehin bestehender sozialer Ungleichheiten. Nach Studien sterben Frauen öfter an den Folgen des menschengemachten Klimawandels als Männer. Dürren treffen sie zuerst. Nach dem Tsunami in Südostasien 2004 überlebten nach Schätzungen von Oxfam fast vier Mal mehr Männer als Frauen. Die Vermutung lautete, dass Männer eher schwimmen gelernt hätten.

 „Der Klimawandel wirkt wie ein Risikomultiplikator“, erklärt Manuela Matthes, Expertin für Internationale Klimapolitik bei der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES). „Er verstärkt Diskriminierungen, die Frauen aufgrund eines geringen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Status erfahren“.

Machtlos bei Katastrophen

Die mexikanische Klimawissenschaftlerin Libertad Chavez-Rodriguez vom Center for Research and Advanced Studies in Social Anthropology in Monterrey (CIESAS) hat sich auf die Auswirkungen des Klimawandels auf Frauen spezialisiert.

Die Ursachen für deren besondere Anfälligkeit sieht sie vielschichtig: Einerseits arbeiteten Frauen häufig in entsprechenden Sektoren, etwa in der Landwirtschaft. In Afrika, Asien und Lateinamerika sind sie für die Bestellung der Felder zuständig. Andererseits würden gerade in Krisensituationen Entscheidungen in Stammesverbünden nur von Männern getroffenen, weil ihnen mehr körperliche Stärke zugeschrieben wird.

„Es ist wichtig, zu betonen, dass Frauen nicht naturgemäß anfälliger für die Auswirkungen des Klimawandels sind“, so die Expertin, „sondern, dass die traditionelle Rollenverteilung in diesen Gesellschaften sie dazu macht.“

Frauen als Trägerinnen des Wandels

Weltweit sind Frauen aber auch ein signifikanter Faktor, um die Ziele der Klimarahmenkonvention zu erreichen. Im Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 hatten sich erstmals alle Vertragsstaaten verpflichtet, Emissionen so weit zu reduzieren, dass die Erderwärmung auf deutlich unter 2°C gegenüber vorindustriellem Niveau begrenzt bleibt.

Und wie jüngste Studien zeigen, haben Frauen das größte Innovationspotential beim Klimaschutz. „Frauen würden Solarkocher besser annehmen als Männer, oder etwa Solarlampen, die Kinder zum Hausaufgabenmachen brauchen“, so Klimaforscher Mojib Latif. Ihnen kommt eine entscheidende Rolle dabei zu, Bewusstsein für das Thema Klimawandel in Familien und Gemeinschaften zu schaffen.

Verstrickung von Macht und Gender

Beispiele für innovative Klimaschutzprojekte von Frauen gibt es viele.

In Georgien beispielsweise unterstützt die Organisation «Women Engage for a Common Future» (WECF) Familien bei der Umstellung von Holz- auf Solarheizungen und Solarkochstellen.

In zahlreichen Klimaschutzprojekten lernen Frauen neue Anbaumethoden: Wenn sie beispielsweise zusätzlich zum traditionellen Ackerbau auch Bienenzucht betreiben, sind sie unabhängiger von Preisschwankungen einzelner Produkte und haben ein zusätzliches Einkommen – vor allem bei Missernten infolge von Trockenheit. In Bangladesch wurden hängende Gemüsegärten gepflanzt und Regenwasserversorgungssysteme eingerichtet.

In der Nähe des Himalayas haben Dorfgemeinschaften ein Programm zur Stärkung der Rechte indigener Frauen und eine Infrastruktur für eine sichere Wasserversorgung hochgezogen.

Fast ironisch liest sich, dass unter den Delegierten der UN-Klimakonferenzen weibliche Stimmen anteilig seltener werden. Bei der Klimakonferenz COP16 in Cancun habe der Frauenanteil in den Verhandlungsdelegationen bei immerhin 30% gelegen. Seit COP21 habe die Anzahl der Delegierten insgesamt zugenommen, aber die Frauenquote sei zurückgegangen: Nur ein Fünftel der Pariser Delegierten waren Frauen, bei COP22 in Marrakesch dann sogar nur noch 17 Prozent. „Dies zeigt die Verstrickung von Macht und Gender-Verhältnissen doch ganz deutlich“, meint Chavez-Rodriguez.

 

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