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Haushalt 2026: Warum Rekordschulden diesmal nötig sind

Der Bundestag entscheidet in dieser Woche über den Haushalt 2026. Die Regierung plant Rekordausgaben mit hohen Krediten. Im Gespräch erklärt der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Thorsten Rudolph, warum die entscheidende Sitzung sich über 15 Stunden hinzog.

von Kai Doering · 25. November 2025
Im Bundestag ist diese Woche Haushaltswoche für den Etat 2026.

Im Bundestag ist diese Woche Haushaltswoche für den Etat 2026.

Als haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion haben Sie in den vergangenen Wochen gleich zwei Haushalte – den für das laufende Jahr und den für 2026 – auf den Weg gebracht. Welcher war der schwierigere?

Die Verhandlungen über den Haushalt für 2026 waren definitiv schwieriger. Zum einen konnten wir den Haushalt 2025 über den Sommer verhandeln. Da war das politische Berlin zum Teil in der Sommerpause und es war deutlich ruhiger als während des normalen Parlamentsbetriebs. Der Haushalt für 2026 war aber auch deshalb schwieriger, weil der Konsolidierungsdruck noch deutlicher zu spüren ist. Und schließlich bewirkt die aktuelle politische Lage, dass der Druck größer und die Spielräume enger werden.

Die entscheidende Sitzung des Haushaltsausschusses, die sogenannte Bereinigungssitzung, dauert traditionell lange. Diesmal zog sie sich 15 Stunden bis 5:40 Uhr am nächsten Morgen. Warum war das so?

Natürlich könnte man die Bereinigungssitzung auch über zwei oder drei Tage strecken, aber das Format, die Haushalte aller Ministerien, die sogenannten Einzelpläne, unmittelbar nacheinander zu behandeln, hat sich über die Jahre bewährt. Das verhindert dann auch, dass zusätzliche Begehrlichkeiten entstehen und Nachverhandlungen geführt werden müssen. Die Beratungen über den Haushalt insgesamt laufen über mehrere Wochen. In der Bereinigungssitzung liegt ein riesiges Paket auf dem Tisch und wir entscheiden final über all das, was zuvor nicht abgeräumt werden konnte.

In der Bereinigungssitzung wurde der ursprüngliche Haushaltsentwurf der Bundesregierung noch mal um acht Milliarden Euro aufgestockt. Wofür ist das Geld gedacht?

Dabei handelt es sich vor allem um zwei große Blöcke: zum einen um eine Aufstockung der Militärhilfe für die Ukraine im Umfang von drei Milliarden Euro und zum anderen um ein Darlehen für die Pflegeversicherung in Höhe von 1,7 Milliarden Euro. Wenn wir das nicht gewähren würden, hätte die Pflegeversicherung im kommenden Jahr ein deutliches Defizit und die Beiträge müssten erhöht werden. Das wollen wir vermeiden. Dazu kommen kleinere Anpassungen aufgrund der Steuerschätzung und eine veränderte Planung mit Blick auf den Haushalt 2027. 

Wo liegen die Schwerpunkte des Haushalts für das kommende Jahr?

Mit dem Haushalt für 2026 setzen wir den Kurs fort, den wir mit dem Haushalt für dieses Jahr begonnen haben. Wir legen klare Schwerpunkte auf Wachstum und Investitionen, innere und äußere Sicherheit sowie den sozialen Zusammenhalt. Unser vorrangiges Ziel ist, dass die Wirtschaft wieder anspringt. Mit Rekordinvestitionen und Strukturreformen tun wir das dafür Notwendige. Die Ausgaben für unsere Sicherheit ergeben sich aus der veränderten geopolitischen Lage – zum einen aus der Bedrohung durch Russland, zum anderen aus dem Umstand, dass die USA nicht mehr in der Weise für die Sicherheit Europas garantieren, wie wir es jahrzehntelang gewohnt waren. Deshalb müssen wir nun selbst mehr Verantwortung für die Sicherheit Europas übernehmen. In den parlamentarischen Beratungen ist es uns als SPD zudem gelungen, eine Reihe von Maßnahmen in den Haushalt aufzunehmen, die für den gesellschaftlichen Zusammenhalt wichtig sind.

Thorsten Rudolph

Thorsten Rudolph ist seit 2021 Mitglied des Deutschen Bundestags. Seit 2025 ist er haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.

Thorsten Rudolph ist der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.

Welche sind das?

Wir haben zum Beispiel einen Schwerpunkt auf Politik für Frauen gelegt. Wir fördern die bauliche Sanierung von Frauenhäusern mit 150 Millionen Euro, Projekte wie „StoP“ gegen Partnergewalt, die „Tarn-App“ für Frauen, die von häuslicher Gewalt bedroht sind, aber beispielsweise auch ein Forschungsprogramm zur Frauengesundheit. Ein zweiter großer Punkt ist die Forschungsdekade gegen postinfektiöse Erkrankungen wie Long-Covid. Hierfür stellen wir zehn Jahre lang jedes Jahr 50 Millionen Euro bereit, also insgesamt eine halbe Milliarde. 

Wir haben drittens die Mittel für die Sprach- und Integrationskurse erhöht und stärken auch die psychosozialen Zentren noch mal mit viereinhalb Millionen Euro. Wir haben viertens eine zweite Tranche der „Sportmilliarde“ auf den Weg gebracht; das sind weitere 333 Millionen Euro für die Sanierung kommunaler Sportstätten. Dazu kommen zusätzlich einmalig 250 Millionen Euro für die Sanierung von Schwimmbädern. Und wir haben ein Programm „Deutschland lernt schwimmen“ auf den Weg gebracht, von dem vor allem sozial benachteiligte Kinder profitieren sollen. Ich bin sicher: All das zusammengenommen stärkt den Zusammenhalt in der Gesellschaft deutlich.

Im Haushalt sind Rekordinvestitionen vorgesehen, aber auch Rekord-Schulden – die zweihöchsten in der Geschichte der Bundesrepublik. Macht Ihnen das Sorgen?

Wir holen mit diesem Haushalt Investitionen nach, die über Jahrzehnte versäumt wurden, insbesondere bei Infrastruktur und Verteidigung. Das ist notwendig und richtig. Natürlich klingen die Summen gewaltig, aber – wie übrigens auch bei der Diskussion über die Rente – sollten wir sie ins Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) setzen. Wenn man alles zusammenrechnet, wird unsere Neuverschuldung in den nächsten Jahren bei 4 bis 4,5 Prozent des BIP pro Jahr liegen. Damit liegen wir zwar über den drei Prozent, die der Vertrag von Maastricht vorsieht, aber das könnten wir uns im Zweifel über einen längeren Zeitraum leisten. Es ist immer noch deutlich unter der jährlichen Neuverschuldung der USA, von Frankreich oder Spanien. Zugleich ist klar, dass wir uns das in der Form nur leisten sollten, bis wir bei den Investitionen unseren Rückstand aufgeholt haben.

Auch wenn der Haushalt für das kommende Jahr noch nicht beschlossen ist, geht der Blick bereits auf 2027. Hier droht eine große Lücke im zweistelligen Milliardenbereich. Hat das bei den aktuellen Haushaltsberatungen bereits eine Rolle gespielt?

Ja, das hat eine Rolle gespielt. Zu einer verantwortungsvollen Haushaltspolitik gehört schließlich dazu, nicht nur das kommende, sondern auch die folgenden Jahre in den Blick zu nehmen. Deshalb haben wir entschieden, die bestehende Rücklage in Höhe von fast 10 Milliarden Euro doch nicht – wie ursprünglich vorgesehen – anzutasten. Zudem hat sich die Lücke durch die verbesserte Steuerschätzung etwas verkleinert, sodass sich der Blick auf 2027 zumindest ein wenig aufgehellt hat. Trotzdem bleibt der Konsolidierungsdruck hoch. Finanzminister Lars Klingbeil hat deshalb einen Brief an seine Kabinettskollegen geschrieben und sie aufgefordert, jeweils ein Prozent in ihrem jeweiligen Haushalt einzusparen. 

Darüber hinaus sollen die inzwischen eingesetzten Sozialstaatskommissionen die überdurchschnittlich schnell wachsenden Sozialausgaben begrenzen. Dabei ist klar, dass Reformen hier immer sozial gerecht ausgestaltet sein müssen. Auch hier muss gelten, dass starke Schultern mehr tragen müssen als schwache. Und schließlich gehört für mich zum Konsolidieren auch dazu, sich die Vermögens- und Einkommensverteilung in Deutschland kritisch anzusehen.

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Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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