Friedensnobelpreis für María Corina Machado: So reagiert Lateinamerika
Für ihre Arbeit als Führerin der demokratischen Opposition in Venezuela erhielt María Corina Machado in diesem Jahr den Friedensnobelpreis. Wegen ihrer konservativen Positionen ist sie in Lateinamerika jedoch umstritten.
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Die konservative Politikerin María Corina Machado bekam für ihre Arbeit als Anführerin der Opposition in Venezuela den Friedensnobelpreis.
Als die Nachricht bekannt wurde, dass María Corina Machado aus Venezuela den diesjährigen Friedensnobelpreis erhalten würde, haben sich sicher viele gefragt: Corina wer? Für diejenigen, die sich mit Venezuela befassen, ist sie keine Unbekannte: sie gilt als Führerin der demokratischen Opposition gegen das Regime von Nicolas Maduro, muss sich in ihrem Land vor den Schergen des Regimes versteckt halten, hat es aber im Gegensatz zu vielen anderen Oppositionellen noch nicht verlassen.
Das Nobelpreiskomitee würdigte ihren »unermüdlichen Einsatz für die demokratischen Rechte des venezolanischen Volkes«. Bei der letzten Wahl 2024 durfte sie selbst nicht antreten. Sie war angeklagt wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten in ihrer Zeit als Abgeordnete. Deshalb überließ sie die Spitzenkandidatur Edmundo Gonzáles, der die Wahl gewonnen hätte, wenn es mit demokratischen und transparente Maßstäben zugegangen wäre.
María Corina Machado widmete ihren Preis Donald Trump
Machado ist eine konservative Politikerin, die umgehend ihren Preis dem amerikanischen Präsidenten widmete, der ihn so gerne bekommen hätte. Für die klassische anti-imperialistische und anti-amerikanische Linke Lateinamerikas (und in Europa) ein Affront. Podemos in Spanien, Kubas Präsident Días-Canel, Boliviens Ex-Präsident Morales bis hin zur chilenischen Kommunistischen Partei (KP) und viele andere kritisierten die Vergabe mit dem Hinweis auf die angebliche Absicht Machados sogar einen „Regime change“ mit ausländischer militärischer Hilfe in Betracht zu ziehen.
Friedensnobelpreis für Machado in Lateinamerika umstritten
Der chilenische Außenminister van Klaveren hingegen beglückwünschte die Preisträgerin: „sie ist zweifelsfrei die Anführerin der venezolanischen Opposition und wir wissen alle, dass die Situation dort sehr komplex und sehr hart ist“. Die Kandidatin der chilenischen Linken bei der im November anstehenden Präsidentschaftswahl, Jana Jara, selbst KP-Mitglied, sieht in der Vergabe immerhin „eine wichtige Anerkennung“.
Kolumbiens Präsident Gustavo Petro beglückwünschte sie, legte aber mit einem Brief nach, in dem er Klärung einiger aus seiner Sicht offenen Fragen wünschte, ihre Haltung zu Trump und Netanyahu kritisierte. Mexikos Präsidentin Sheinbaum zeigte sich distanziert und unterstrich die Notwendigkeit der Anerkennung der Souveränität Venezuelas, ein Hinweis auf die unklare Haltung Machados zu einer eventuellen amerikanischen Militärintervention. “María Corina, du bist ein Leuchtturm für deine Land und die Welt“ lautete hingegen der Glückwunsch des sozialdemokratischen Präsidenten der Dominikanischen Republik, Luis Abinader.
Nicht nur in Chile, das momentan nach dem Mord in Chile an einem geflüchteten venezolanischen Soldaten keine diplomatischen Beziehungen zu Venezuela unterhält, sind die Auswirkungen der Diktatur Maduros vor allem in den unkontrollierten Migrations- und Flüchtlingsbewegungen zu spüren, die zu politischer Instabilität, Debatten über Sicherheit und einem Anstieg politischen Rechten führen.
Opposition unter sozialistischen Diktaturen: Meist eher konservativ
War die Benennung durch das Nobelpreiskomitee ein politischer Kompromiss, um dem Druck durch den amerikanischen Möchtegernfriedensnobelpreisträgers zu entgehen und gleichzeitig eine Preisträgerin zu benennen, die auch vom ihm akzeptiert werden würde?
Natürlich hätten die progressiven politischen Parteien und Bewegungen lieber eine unumstrittene progressive Kämpferin für Menschenrechte bevorzugt. Das Problem ist nur, dass in Ländern diktatorischer Regime mit sozialistischem Anstrich, die Opposition eher konservativ aufgestellt ist, was wir in Mittel- und Osteuropa nach dem Mauerfall verfolgen konnten.
Widerstand gegen Autoritäre braucht breite Allianzen
Seit langem diskutieren die globalen, progressiven und demokratischen Linken nicht nur in Hinblick auf Venezuela immer wieder über die Prinzipien der Nicht-Einmischung, der Lösung der Probleme durch einen demokratischen Wandel im Lande selbst, der aber auch nach Jahren wie in Venezuela nicht eintritt. Oder wir sind in Europa schnell dabei, einen nicht legitimierten Oppositionsführer wie damals Gaidó anzuerkennen. Was die Lage nicht besser macht.
Unabhängig von der Person Machados und ihren politischen Überzeugungen hat der Beschluss des Nobelpreiskomitees den Blick auf Lateinamerika gelenkt, das für viele europäische Regierungen eher durch die Rohstoffe und seltenen Erden interessant ist. Und immer wieder müssen sie dabei feststellen, die Chinesen sind schon da. Sie haben eine langfristige Strategie.
Ein Glückwunsch an María Corina Machado heißt nicht über ihre umstrittenen Positionierungen hinwegzusehen! Menschen- und demokratische Rechte sind und bleiben unteilbar! Und im demokratischen Widerstand gegen autoritäre Regime sind Allianzen unterschiedlichster politischer Kräfte die Norm.
Maurice Weiss/Ostkreuz
war von 2020 bis 2023 globaler Koordinator der Progressive Alliance und lebt zwischen Berlin und Santiago de Chile.