Warum ein Wehrdienst keine Wehrpflicht ist
An diesem Freitag will der Bundestag das „Wehrdienst-Modernisierungsgesetz“ beschließen. Kehrt damit die Wehrpflicht in Deutschland zurück? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
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Demonstration in Hamburg: Mit den neuen Wehrdienst kehrt die Wehrpflicht nicht zurück.
Erwartet werden Tausende Teilnehmer*innen. Davon zumindest gehen die Veranstalter*innen aus, die in rund 90 Städten bundesweit Demonstrationen unter dem Motto „Schulstreik gegen Wehrpflicht“ angemeldet haben. Auslöser ist die parallel im Bundestag stattfindende Abstimmung über die Einführung eines „neuen Wehrdienstes“. Aber sind Wehrdienst und Wehrpflicht wirklich dasselbe?
Was bedeutet eine Wehrpflicht?
Die Wehrpflicht wurde in Deutschland am 21. Juni 1956 eingeführt, damals nur für die Bundesrepublik. In der DDR galt eine Wehrpflicht seit dem 24. Januar 1962. In beiden Fällen mussten Männer einen mehrmonatigen Wehrdienst leisten, der in der Folge mehrfach verkürzt wurde. Grundlage in der Bundesrepublik ist das Wehrpflichtgesetz, das Männer „vom vollendeten 18. Lebensjahr an“ für eine gewisse Zeit zum Dienst in der Bundeswehr verpflichtet. Auf Antrag kann ein Ersatzdienst (auch „Zivildienst“ genannt) geleistet werden.
Gibt es zurzeit eine Wehrpflicht in Deutschland?
Ja. Das Wehrpflichtgesetz besteht weiter, wurde allerdings per Beschluss des Bundestags am 1. Juli 2011 ausgesetzt. Junge Männer müssen seitdem weder Wehr- noch Ersatzdienst leisten. Allerdings besteht die Möglichkeit, freiwillig Wehrdienst zu leisten. Und: Im sogenannten Spannungs- oder Verteidigungsfall – wenn also die Gefahr eines militärischen Angriffs besteht – kann die Wehrpflicht vom Bundestag jederzeit aktiviert werden. In diesem Fall sind alle Männer zwischen 18 und 60 Jahren wehrpflichtig. Das ist in der Geschichte der Bundesrepublik allerdings noch nie vorgekommen.
Führt der Bundestag am Donnerstag die Wehrpflicht wieder ein?
Nein. Das Wehrpflichtgesetz bleibt ausgesetzt. Stattdessen will das Parlament das sogenannte Wehrdienst-Modernisierungsgesetz beschließen. Dieses setzt weiterhin auf einen freiwilligen Wehrdienst, will jedoch dessen Attraktivität deutlich steigern, etwa mit einer besseren Bezahlung. „Wir wollen junge Menschen gewinnen, nicht verpflichten“, sagt der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Falko Droßmann, dazu.
Bleibt also mit dem neuen Wehrdienstgesetz alles freiwillig?
Nicht ganz. Ab dem kommenden Jahr werden alle Frauen und Männer in Deutschland mit Erreichen des 18. Lebensjahres angeschrieben und dazu aufgefordert, einen digitalen Fragebogen auszufüllen. Hier wird unter anderem die Bereitschaft abgefragt, Wehrdienst in der Bundeswehr zu leisten. Für die Männer ist das Ausfüllen verpflichtend, für die Frauen freiwillig. Alle ab dem 1. Januar 2008 geborenen Männer werden zudem verpflichtend gemustert. Wehrdienst soll aber weiterhin nur leisten, wer sich freiwillig dazu bereiterklärt.
Ist eine Wehrpflicht damit ausgeschlossen?
Nach dem Wehrdienst-Modernisierungsgesetz ja. „Einen Automatismus zur Aktivierung der Wehrpflicht wird es nicht geben“, stellten die Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD nach ihrer Einigung auf den Gesetzentwurf Mitte November klar. Melden sich allerdings zu wenig Freiwillige, um den Bedarf der Bundeswehr zu decken, kann der Bundestag über die Einsetzung einer so genannten Bedarfswehrpflicht entscheiden. Als letztes Mittel, als „ultima ratio“, wie Verteidigungsminister Boris Pistorius es nennt, soll in diesem Fall ein „Zufallsverfahren“ angewendet werden, um auszulosen, wer Wehrdienst leisten muss. Eine Entscheidung darüber fällt jedoch mit dem Wehrdienst-Modernisierungsgesetz noch nicht.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.