Inland

SPD will AfD-Verbot prüfen lassen: Wichtige Fragen zum Parteitagsbeschluss

Nach dem Beschluss auf dem Bundesparteitag will die SPD nun die Weichen für ein Verbot der rechtsextremen AfD stellen. Doch wer entscheidet, ob eine Partei verboten wird? Antworten auf die wichtigsten Fragen zu der einstimmig gefassten Entscheidung.

von Nils Michaelis · 2. Juli 2025
Bärbel Bas und Lars Klingbeil auf dem Parteitag der SPD

Bundesparteitag in Berlin: Die SPD-Vorsitzenden Bärbel Bas und Lars Klingbeil mit der Aktivistin einer Initiative für ein AfD-Verbot.

Was genau nimmt sich die SPD in dem Parteitagsbeschluss zu einem AfD-Verbotsverfahren vor?

Die SPD will sich auf allen Ebenen für die Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD vor dem Bundesverfassungsgericht nach Artikel 21 des Grundgesetzes einsetzen. Die dazu berechtigten Verfassungsorgane sollen die Voraussetzungen schaffen, um unverzüglich einen Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der AfD zu stellen.

In einem ersten Schritt will die SPD darauf hinwirken, dass eine Bund-Länder Arbeitsgruppe Materialien für ein Feststellungsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht sammelt und prüft. Sofern ausreichendes Material vorliegt, soll ein Verfassungsorgan ein Verbotsverfahren gegen die AfD einleiten. Darüber hinaus will die SPD die politische Auseinandersetzung mit der AfD vorantreiben.

„Die AfD will die demokratische Grundordnung systematisch beeinträchtigen“

Warum will die SPD ein Verbotsverfahren gegen die AfD prüfen lassen?

Der vom Parteitag beschlossene Initiativantrag warnt in aller Deutlichkeit vor der Partei, die seit der Bundestagswahl im Februar die zweitgrößte Bundestagsfraktion stellt. Mittels Manipulation und Desinformation verfolge die AfD das Ziel, die freiheitliche demokratische Grundordnung systematisch zu beeinträchtigen, heißt es darin. Außerdem unterstütze sie illiberale, demokratiefeindliche und rechtsextreme Netzwerke.

Wieso fordert die SPD ein AFD-Verbotsverfahren gerade jetzt?

Die SPD verweist darauf, dass der Verfassungsschutz die AfD Anfang Mai auf Bundesebene als gesichert rechtsextrem eingestuft hat. Entscheidend dürfte auch die wachsende Zahl an Erkenntnissen über einen Zusammenhang zwischen einem wachsenden Zuspruch für die AfD und sich häufenden rechtsextremen Ausschreitungen in verschiedenen Regionen sein. Zudem hat sich die Partei bis in die Parteispitze hinein fortwährend radikalisiert.

Wie bewerten Fachpolitiker*innen der SPD-Bundestagsfraktion den Beschluss?

Aus der SPD-Bundestagsfraktion kommt breite Unterstützung. Die AfD „greift die Grundwerte unserer Demokratie gezielt an, wird immer radikaler und redet rechtsextrem“, erklärt Sonja Eichwede, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion und zuständig für Innen- und Rechtspolitik. Ihre Einstufung durch den Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem sei ein „schwerwiegender Vorgang und Warnung zugleich“. 

Die AfD sei demokratisch gewählt, aber nicht demokratisch gesinnt, sagt Dirk Wiese, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion und in der vergangenen Legislaturperiode zuständiger Fraktionsvize für Inneres und Recht. „Sie hat sich von Jahr zu Jahr immer mehr radikalisiert und klar begonnen, die Axt an die Demokratie zu legen.“

113 Bundestagsabgeordnete brachten Antrag für AfD-Verbotsverfahren im Bundestag ein

Wie geht es nach dem Parteitagsbeschluss weiter?

Bei sämtlichen Schritten hin zu einem möglichen Verbotsverfahren ist die SPD auf die Unterstützung durch andere Parteien angewiesen. Daher stehen zunächst eine Reihe von politischen Gesprächen auf dem Programm. Führende Unionspolitiker wie Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) lehnen ein AfD-Verbotsverfahren bislang ab. Zustimmende Signale kamen von Grünen und Linken. 

Im November 2024 hatten 113 Bundestagsabgeordnete den Antrag für ein AfD-Verbotsverfahren im Parlament eingebracht. Der Antrag wurde von einer Gruppe um den früheren CDU-Abgeordneten Marco Wanderwitz erarbeitet. Neben ihm waren die Parlamentarier*innen Carmen Wegge (SPD), Martina Renner (Linke) und Till Steffen (Grüne) maßgeblich beteiligt. Wegen der vorgezogenen Bundestagswahl blieb eine endgültige Entscheidung darüber aus.

Wer kann ein Verbotsverfahren beantragen?

Einen Verbotsantrag können entweder Bundestag, Bundesrat oder die Bundesregierung stellen, so wie in den Jahren 2003 und 2017 im Fall der NPD. Ob sie dies tun, ist eine politische Entscheidung. Das heißt, dass sie darauf verzichten können, selbst wenn die rechtlichen Voraussetzungen für ein Verbot gegeben wären.

Wer entscheidet, ob eine Partei verboten wird?

Über ein Parteienverbot entscheidet das Bundesverfassungsgericht. Erforderlich ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit der acht Richter*innen. Ein solches Verbot wurde bislang zweimal ausgesprochen: im Jahre 1952 gegen die am Nationalsozialismus orientierte Sozialistische Reichspartei und vier Jahre später gegen die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD).

Dirk Wiese zu AfD-Verbotsverfahren: „Das Risiko, nicht zu handeln ist größer, als das zu handeln“

Welche Erfolgsaussichten hätte ein Verbotsverfahren gegen die AfD?

Entscheidend ist der Nachweis, dass eine Partei mehrheitlich von einer kämpferisch-aggressiven Haltung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung geprägt ist und sie über die Möglichkeiten verfügt, die entsprechenden Ziele erfolgreich durchzusetzen. Im Falle der AfD kommen politische Beobachter*innen zu unterschiedlichen Bewertungen. Manche attestieren diese Haltung einzelnen Gruppen oder Landesverbänden, wie etwa in Thrüringen, nicht aber dem Bundesverband als Ganzem.

Den Antrag auf ein NPD-Verbotsverfahren lehnten die Verfassungsrichter*innen im Jahr 2017 mit dem Argument ab, die Partei sei zu unbedeutend geworden. Eine solche Einschätzung der AfD ist angesichts ihres über Jahre gewachsenen Wähler*innenzuspruchs kaum denkbar. 

Entscheidend sei, dass ein Verbotsverfahren juristisch fundiert ist und demokratisch breit getragen wird, betont Wiese. „Die SPD hat diese Frage auf dem Bundesparteitag mit der gebotenen Ernsthaftigkeit und mit Verantwortungsbewusstsein diskutiert und einstimmig entschieden: Das Risiko, nicht zu handeln ist größer, als das zu handeln.“

Weitere interessante Rubriken entdecken

Noch keine Kommentare
Schreibe einen Kommentar

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.