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Selbststimmungsgesetz: „Wir schaffen staatliches Unrecht ab.“

Das Selbststimmungsgesetz beendet die jahrzehntelange Diskriminierung von trans* Personen, sagt die SPD-Abgeordnete Anke Hennig. Behauptungen, Männer könnten nun leichter in Frauen-Schutzräume eindringen, weist sie zurück.

von Kai Doering · 12. April 2024
Anke Hennig,  federführende SPD-Berichterstatterin für das Selbstbestimmungsgesetz: Betroffen ist nur ein kleiner Teil der Gesellschaft. Für diesen bringt das Gesetz aber riesige Fortschritte.

Anke Hennig,  federführende SPD-Berichterstatterin für das Selbstbestimmungsgesetz: Betroffen ist nur ein kleiner Teil der Gesellschaft. Für diesen bringt das Gesetz aber riesige Fortschritte.

Das Selbststimmungsgesetz ist beschlossen. Was ändert sich dadurch für trans* Personen?

Mit dem Selbstbestimmungsgesetz schaffen wir staatliches Unrecht ab. Über Jahrzehnte waren trans* Personen von Diskriminierung bis hin zu Gewalt betroffen. Damit ist jetzt endlich Schluss. Das Bundesverfassungsgericht hat das bisher geltende Transsexuellengesetz mehrfach für verfassungswidrig erklärt. Deshalb ist es gut, dass es damit nun ein Ende hat. Für trans* Personen bedeutet das ein Ende der Erniedrigung.

Das Transsexuellengesetz galt seit 1980. Warum hat es so lange gedauert, es abzuschaffen?

Das ist eine gute Frage! Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte es das Transsexuellengesetz erst gar nicht gegeben. Die Akzeptanz für queere Menschen war in der Gesellschaft lange nicht sehr ausgeprägt. Viele Vorbehalte gab es auch aufgrund von Unwissenheit. In der Ampel-Koalition hatten wir nun erstmals die Chance auf die notwendige Mehrheit, um das Gesetz abzuschaffen. Ich bin sehr froh, dass wir sie genutzt haben, um den Menschen den Weg in ihre wahre Identität zu ebnen.

Kritiker*innen des Selbstbestimmungsgesetzes fürchten, dass Männer ihr Geschlecht ändern könnten, um sich Zugang zu Frauenschutzräumen zu verschaffen. Ist da etwas dran?

Nein, das ist Quatsch. Natürlich wird der Weg erleichtert, die geschlechtliche Identität zu verändern. Das ist ja auch gerade das Ziel des Selbstbestimmungsgesetzes. Aber so zu tun, als würden Männer über den Prozess beim Standesamt ihr Geschlecht ändern, um danach Frauen zu vergewaltigen, ist abstrus. Kein einziger der Sachverständigen, mit denen wir gesprochen haben, hat diese Befürchtung geteilt, im Gegenteil: Alle Verbände, von den Frauenhäusern über den Juristinnenbund bis hin zur katholischen Kirche hat sich für dieses Selbstbestimmungsgesetz ausgesprochen.

Minderheitenrechte werden mittlerweile häufig zu einem Kulturkampf hochstilisiert. Fürchten Sie das beim Selbstbestimmungsgesetz auch?

Jetzt, wo das Gesetz beschlossen ist, mache ich mir da keine Sorgen mehr. Im Vorfeld wurde in der Debatte leider vieles verdreht und falsch dargestellt, aber spätestens ab dem Herbst werden die positiven Auswirkungen des Selbstbestimmungsgesetzes sichtbar werden und damit den Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen. Betroffen ist ja auch nur ein kleiner Teil der Gesellschaft. Für diesen bringt das Gesetz aber riesige Fortschritte. Das Gros der Menschen wird davon aber gar nichts mitbekommen.

Das Selbstbestimmungsgesetz ist beschlossen. Andere Diskriminierung für trans* Personen bestehen weiter. Wo sehen Sie noch Handlungsbedarf?

Wir müssen auf jeden Fall noch ran an das Abstammungsrecht, denn das ist ein elementares Instrument für die queere Gesellschaft. Wenn ein Kind in eine gleichgeschlechtliche Beziehung geboren wird, muss es möglich sein, dass es zwei gleichberechtigte Mütter hat und nicht der biologische Vater genannt werden muss. Demnächst wird es da wahrscheinlich auch ein Grundsatzurteil geben, weil zwei lesbische Mütter geklagt haben. Das wird einer Reform des Abstammungsrechts Rückenwind geben.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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