Schaustellerbund: „Weihnachtsmärkte sind wichtig für die Gesellschaft“
Werden in Deutschland massenhaft Weihnachtsmärkte abgesagt? Nein, sagt Albert Ritter, Präsident des Deutschen Schaustellerbunds. Im Interview spricht er darüber, was solche Falschmeldungen für die Schausteller*innen bedeuten und mit welchen Problemen sie wirklich zu kämpfen haben.
IMAGO/Sabine Gudath
Weihnachtsmarkt in Berlin: Eine flächendeckende Gefährdung der Weihnachtsmarkt-Kultur durch steigende Sicherheitskosten oder gar Terrorwarnungen ist nicht zu beobachten.
Anfang November hat der Schaustellerbund eine Pressemitteilung herausgegeben mit der Überschrift „Weihnachtsmärkte 2025 in Deutschland finden statt“. Was hat Sie dazu veranlasst?
Auslöser war, dass insbesondere in sozialen Medien behauptet wird, Weihnachtsmärkte würden aufgrund von Problemen bei der Sicherheit massenhaft abgesagt. Als Deutscher Schaustellerbund sind wir bestens vernetzt und wissen deshalb genau, was auf Volksfesten und Weihnachtsmärkten los ist in Mitteleuropa. Deshalb wollten wir klarstellen, dass es keine Massenabsagen von Weihnachtsmärkten gibt und auch nicht geben wird.
Das einzige, was uns bekannt ist, ist die Absage eines Mini-Weihnachtsmarktes einer Kirchengemeinde und dass ein Weihnachtsmarkt in „Genussmarkt“ umbenannt wurde, weil dort in diesem Jahr nur noch Anbieter von Speisen und Getränken vertreten sind. Davon abzuleiten, dass massenhaft Weihnachtsmärkte abgesagt würden, ist Unsinn. Eine flächendeckende Gefährdung der Weihnachtsmarkt-Kultur durch steigende Sicherheitskosten oder gar Terrorwarnungen ist nicht zu beobachten.
Was bedeuten solche Falschnachrichten für die Schausteller*innen, die ja Sorge haben müssen, dass die Menschen nicht auf die Weihnachtsmärkte kommen, wenn sie denken, dass sie nicht stattfinden?
Für uns Schausteller sind solche Falschmeldungen natürlich ein Problem, denn die Weihnachtsmärkte sind für uns lebenswichtig. Wir gehen ja traditionell danach bis Ostern in die Winterpause und brauchen die Weihnachtsmärkte, um finanziell noch ein bisschen Speck anzusetzen, um gut durch die Winterpause zu kommen. Aber auch für die Menschen sind die Weihnachtsmärkte sehr wichtig.
Ich bezeichne sie ja gerne als die letzten Lagerfeuer unserer Gesellschaft. Hier trifft man sich, redet bei einem Glühwein miteinander, egal, woher man kommt, ob man viel Geld hat oder wenig. Für unsere Gesellschaft spielen Weihnachtsmärkte eine unheimlich wichtige Rolle. Sie haben auch eine wichtige soziale Funktion. Und als Schausteller freuen wir uns, dazu einen Beitrag zu leisten.
Albert
Ritter
Als Schausteller waren wir schon immer Experten in Sachen Gefahrenabwehr.
Sie machen das allerdings vor dem Hintergrund steigender Preise, vor allem für Energie. Wie setzen diese den Schausteller*innen zu?
Die hohen Energiepreise sind ein riesiges Problem für die Branche und da helfen auch Maßnahmen wie der Industriestrompreis oder ähnliches nicht, denn der hilft nur dem Großkapital. Große Unternehmen zahlen sechs Cent pro Kilowattstunde, wir den teuren Baustellenstrom von bis zu 63 Cent pro Kilowattstunde. Das funktioniert nicht, zumal wir die Kosten nicht einfach an unsere Kunden weitergeben können. Ich zahle etwa 8.000 Euro für Strom nur auf dem Weihnachtsmarkt. Das muss ich erstmal wieder über den Verkauf reinbekommen. Und die Energie ist ja nicht das einzige. Es kommen auch noch Personalkosten dazu, denn niemand möchte seinen Glühwein nachvollziehbarerweise aus einem Automaten bekommen.
Nach den Anschlägen der vergangenen Jahre – ob 2016 in Berlin oder 2024 in Magdeburg – wurden die Sicherheitsvorkehrungen der Weihnachtsmärkte erhöht. Welchen Einfluss hat das auf Sie als Schausteller?
Als Schausteller waren wir schon immer Experten in Sachen Gefahrenabwehr. Wir haben auch schon bedrängten Frauen geholfen, lange bevor es dafür spezielle Konzepte gab. Wir haben auch schon immer verloren gegangene Kinder eingesammelt und ihre Eltern gesucht. Von der Sicherheit der Fahrgeschäfte gar nicht zu reden. Es ist ja auch in unserem eigenen Interesse, dass die Menschen bei uns ihren Spaß haben und den Platz danach wieder unbeschadet verlassen. Insofern sind wir auch die Augen und Ohren der hoheitlichen Kräfte wie der Polizei oder des Ordnungsamtes und produzieren die Sicherheit mit, nicht erst seit den Anschlägen in den vergangenen Jahren.
Albert
Ritter
Wir unternehmen mit den Veranstaltern und den hoheitlichen Kräften zusammen alles Menschenmögliche, dass es nicht zu gefährlichen Situationen kommt.
Es muss also niemand Angst haben, wenn sie oder er auf einen Weihnachtsmarkt geht?
Nein. Wir unternehmen mit den Veranstaltern und den hoheitlichen Kräften zusammen alles Menschenmögliche, dass es nicht zu gefährlichen Situationen kommt. Ich muss allerdings auch klar sagen, dass Terrorabwehr eine hoheitliche Aufgabe ist, die vom Staat und seinen Sicherheitskräften übernommen werden muss. Wenn jemand mit Waffen oder Sprengstoff kommt, haben wir als Schausteller auch keine Möglichkeiten. Da muss dann die Polizei ran. In Frankreich oder Portugal ist das etwas anders: Da ist das Militär für die Terrorabwehr zuständig.
Nach dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt im vergangenen Jahr wurde das Sicherheitskonzept grundlegend überarbeitet. Trotzdem hat das Land der Stadt nun die Eröffnung bis auf weiteres untersagt. Wie bewerten Sie das?
Wir sind höchst erstaunt, dass diese Entscheidung kurz vor dem Start des Weihnachtsmarktes getroffen wurde. Natürlich ist die Sicherheit der Besucher und auch der Schausteller oberstes Gebot, aber der Veranstalter und die für die Sicherheit verantwortlichen Akteure hatten fast ein Jahr lang Zeit, Defizite zu korrigieren. Warum erst jetzt diese Sicherheitsbedenken geäußert werden, ist nicht nachvollziehbar. Letztlich wird der Streit auch auf dem Rücken von uns Schaustellern ausgetragen, denn der Weihnachtsmarkt in Magdeburg ist fast vollständig aufgebaut und es wurden bereits Ausgaben getätigt.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.