Inland

Neue Queer-Beauftragte Sophie Koch: Warum der Rechtsruck so gefährlich ist

Sophie Koch (SPD), die Queer-Beauftragte der Bundesregierung, warnt vor den Folgen einer neuen Minderheitenfeindlichkeit in Deutschland. Sie hofft auf den wachsenden Widerstand der Zivilgesellschaft und sieht ermutigende Zeichen.

von Lars Haferkamp · 6. Juni 2025
Sophie Koch, die Queer-Beauftragte der Bundesregierung, betont: „In einer Gesellschaft, in der Minderheiten diskriminiert werden, kann niemand auf Dauer vor Diskriminierung sicher sein.“

Sophie Koch, die Queer-Beauftragte der Bundesregierung, betont: „In einer Gesellschaft, in der Minderheiten diskriminiert werden, kann niemand auf Dauer vor Diskriminierung sicher sein.“

Sophie Koch, herzlichen Glückwunsch zur Berufung als neue Queer-Beauftragte der Bundesregierung.

Vielen Dank. Ich freue mich sehr, dieses Amt antreten zu dürfen. Ich gehe mit viel Vorfreude an die Arbeit, aber auch mit Demut.

Nicht alle Menschen können mit dem Begriff „Queer“ etwas anfangen. Was genau ist gemeint?

Ich bin „Beauftragte für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt“. Das verbirgt sich auch hinter dem Kürzel LGBTQ+, das aus dem Englischen kommt und zum Beispiel Lesben, Schwule, Bisexuelle und trans*Menschen meint. Das wird eine wichtige Aufgabe für mich, Menschen zu erklären, was genau mit den Begriffen gemeint ist und Aufklärung zu leisten. 

Warum sind die Rechte der queeren Minderheit für alle Menschen von Bedeutung?

Wir als queere Community sind ein Teil der Gesellschaft und wir sollten in einer Gesellschaft leben, in der alle Menschen gleiche Rechte haben. In einer Gesellschaft, in der Minderheiten diskriminiert werden, kann niemand auf Dauer vor Diskriminierung sicher sein.

Sophie
Koch

Ich erlebe auch viele Menschen, die nicht queer sind, und dennoch CSDs oder die Community unterstützen.

Manche sagen dennoch: Ich bin heterosexuell, das geht mich nichts an.

Die gibt es. Aber ich erlebe auch viele Menschen, die nicht queer sind, und dennoch CSDs oder die Community unterstützen, weil sie sagen: Ich bin für Gleichberechtigung, für Solidarität, für Vielfalt. Für Werte, für die sich die SPD seit ihrer Gründung einsetzt.

Welche Aufgaben hat die Queer-Beauftragte der Bundesregierung?

Eine wichtige Aufgabe ist, die Community und die Zivilgesellschaft an einen Tisch zu holen, um zu erfahren, wo es konkreten Verbesserungsbedarf für queere Menschen gibt. Und dafür dann gemeinsam in der Bundesregierung Lösungen zu finden.  

Haben Sie schon konkrete Pläne im neuen Amt?

Ja. Ich möchte, dass Artikel 3 des Grundgesetzes, nach dem alle Menschen gleich sind und niemand benachteiligt werden darf, explizit auch für queere Menschen gilt. Und ich möchte, dass wir im Abstammungsrecht alle Familienformen rechtlich absichern. Wenn heute etwa die leibliche Mutter in einer Ehe zweier Frauen bei der Geburt stirbt, sind die Kinder plötzlich Vollwaise. Das möchte ich ändern.

Starkes
Zeichen

Für Vielfalt und Toleranz: der CSD am 1. Juni 2025 in Dresden

Starkes Zeichen für Vielfalt und Toleranz: der CSD am 1. Juni 2025 in Dresden

Sie kommen selbst aus Ostdeutschland. Welche Erfahrungen wollen Sie als Ostdeutsche in Ihr Amt einbringen?

In Ostdeutschland gibt es jedes Jahr mehr CSDs. Das macht Mut und diese Message möchte ich mitbringen. Auf der anderen Seite macht uns im Osten der Rechtsruck zu schaffen, wie etwa das massive rechte Vorgehen gegen den CSD in Bautzen in 2024 zeigt. Auch diese Perspektive möchte ich einbringen.

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hat vor kurzem von einem Kulturkampf um das Wort queer im Koalitionsvertrag gesprochen. Die Union wollte es da nicht einmal erwähnt wissen. Wo erleben Sie diesen Kulturkampf? 

Ich erlebe ihn zum Glück nicht bei Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU), zu deren Ministerium ich gehöre. Wir haben uns darauf verständigt, dass wir gemeinsam für mehr Akzeptanz sorgen wollen. Ich halte nichts von Kulturkämpfen. Ich möchte gemeinsame Lösungen und so mehr Akzeptanz schaffen.

Dennoch spielen CDU und CSU oft keine queer-freundliche Rolle: In fünf von der Union geführten Bundesländern gibt es etwa im öffentlichen Dienst ein Gender-Verbot.

Ob Kinder in der Schule gendern oder nicht, ist eigentlich nicht die Herausforderung. Viele queere Kinder werden an der Schule gemobbt und angefeindet. Darüber sollten wir viel eher reden. Und entschlossen dagegen vorgehen.

Der Rechtsruck in vielen Ländern hat oft massive Auswirkungen auf das Leben queerer Menschen. Welche sind das?

Es gibt mitunter ein Zurückziehen queerer Menschen. Oft auch als Folge konkreter Übergriffe. Sei es auf CSDs oder auf einzelne Personen. Natürlich schüchtert das ein. Auf der anderen Seite erlebe ich aber auch, dass es oft zu einer großen Solidaritätswelle führt. Die CSDs wachsen. Es gibt immer mehr Unterstützende, die sich an die Seite der Community stellen.

Sophie
Koch

Gegen jegliche Radikalisierung und queerfeindliche Ideologie müssen wir entschieden vorgehen.

Dennoch steigen von Jahr zu Jahr Anfeindungen und Gewalt gegen queere Menschen. Was sind die Ursachen?

Die sind sehr vielfältig. Es gibt viele Ideologien, die sehr anti-feministisch sind und daher auch sehr anti-queer, die an einem alten patriarchalen Männerbild festhalten.

Welche meinen Sie konkret?

Ich meine konkret etwa das Vorgehen der „Elblandrevolte“ gegen den CSD Bautzen, rechtsradikale Jugendliche, die queere Menschen als Feindbild sehen in ihrer Ideologie. Da heraus kommen dann auch organisierte Desinformationskampagnen in sozialen Medien. 

Queere Selbsthilfegruppen verweisen auf einen hohen Anteil an männlichen Tätern mit oft migrantischem und muslimischem Hintergrund. Welche Konsequenzen sind daraus zu ziehen?

Gegen jegliche Radikalisierung und queerfeindliche Ideologie müssen wir entschieden vorgehen. Da hilft vor allem Aufklärungsarbeit, zum Beispiel an Schulen, Demokratiearbeit, politische Bildung. 

Besonders trans*Menschen sind das aktuelle Feindbild der Rechten. Warum?

Sie sind in der queeren Community eine kleinere Gruppe. Es ist immer leichter, sich eine kleine Gruppe rauszupicken. Gleichzeitig ist aber immer die gesamte queere Community gemeint. Das trifft momentan Transpersonen härter, aber es ist immer ein Gesamtvorgehen gegen Vielfalt. Das bedroht die ganze Gesellschaft.

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