Nach Parteitag: Mit diesen Themen geht die SPD in die Gespräche mit der Union
„Ergebnisoffen“ war wohl eines der häufigsten Worte auf dem Bundesparteitag der Sozialdemokraten am vergangenen Wochenende. Unter dieser Überschrift sollen aus SPD-Sicht die bevorstehenden Gespräche mit CDU und CSU stehen. „Wir werden ausloten, ob und wie eine Regierungsbildung möglich ist“, heißt es im Beschluss des Parteitags. Dabei zähle laut Martin Schulz: „Unsere politischen Inhalte zuerst und kein Automatismus in irgendeine Richtung.“ Die Botschaft des Parteivorsitzenden ist klar: Große Koalition, Minderheitsregierung, Neuwahl – nichts davon ist vom Tisch.
Große Distanz zwischen SPD und Union
Am kommenden Mittwoch werden sich nun Vertreter von SPD sowie CDU und CSU für ein erstes Gespräch zusammensetzen – wobei es sich nicht um eine Sondierungsrunde handelt, wie im Willy-Brandt-Haus betont wird. Es sei eher ein erstes Ausloten von möglichen Optionen.
Sollten nach Mittwochabend dann aber weitere Treffen folgen, ist Streit zwischen SPD und Union vorprogrammiert. Der Grund: Auf ihrem Parteitag haben die Sozialdemokraten zahlreiche Punkte ihrer zukünftigen Politik festgelegt – und vieles davon dürfte der Union gar nicht gefallen.
Schulz will „Vereinigte Staaten von Europa“ – die Union lehnt ab
So ging Martin Schulz am vergangenen Donnerstag auf maximale Distanz zur rigiden Sparpolitik des ehemaligen CDU-Finanzministers Wolfgang Schäuble. „Vier weitere Jahre Politik à la Schäuble kann sich die EU nicht leisten“, sagte der SPD-Chef und forderte einen europäischen Finanzminister, der über einen eigenen Haushalt verfügen sollte. Außerdem stellte Schulz die Idee der „Vereinigten Staaten von Europa“ bis zum Jahr 2025 in den Raum. Die Reaktionen aus der CDU folgten prompt: Kanzleramtschef Peter Altmaier und Fraktionschef Volker Kauder wiesen die EU-Plänen der SPD sofort zurück.
Auch in der Gesundheitspolitik liegen SPD und Union weit auseinander: „Wir wollen alle Menschen in Deutschland auf die gleiche Weise versichern und dazu eine Bürgerversicherung einführen“, heißt es im Parteitagsbeschluss der SPD. Faktisch bedeutet das eine Abschaffung des dualen Systems aus gesetzlichen und privaten Krankenkassen – der „Zwei-Klassen-Medizin“, wie es in der SPD oft heißt. Die Union will hier jedoch alles beim Alten belassen. Für CDU-Vizechefin Julia Klöckner ist die Bürgerversicherung schlicht „Klassenkommunismus“.
Flucht und Asyl: Die Gespräche werden nicht leicht
Ebenfalls gegensätzlich sind die Positionen von SPD und Union in Sachen Flucht und Asyl – genauer: beim sogenannten Familiennachzug. Die „GroKo“ hatte 2016 beschlossen, Familien von subsidiär Geschützten, etwa Angehörige von Kriegsflüchtlingen, bis März 2018 nicht mehr ins Land zu lassen. Jetzt hat die SPD auf ihrem Parteitag festgelegt, die „temporäre Aussetzung des Familiennachzugs nicht verlängern“ zu wollen. In der CSU gibt es jedoch viele Hardliner, die an der bestehenden Regelung unbedingt festhalten wollen. Auch haben sich Christsoziale und CDU in der Vergangenheit heftig über die Asylpolitik gestritten. Hier dürften eventuelle Regierungsgespräche zwischen Union und SPD also alles andere als leicht werden.
Die Liste der Unterschiede zwischen SPD und Union setzt sich fort: So will die SPD laut Parteitagsbeschluss „eine vollständige Aufhebung des Kooperationsverbots im Bereich Bildung und Forschung“ – damit der Bund den Ländern in Bildungsfragen finanziell unter die Arme greifen kann. Die Union lehnt das ab. Auch möchte die SPD die sogenannte sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen verbieten – für die Union ein rotes Tuch.
Nahles zweifelt an Verlässlichkeit der Union
Wichtiger als diese inhaltlichen Punkte scheint jedoch die Frage zu sein, ob die Sozialdemokraten der Union nach vier Jahren „GroKo“ noch genügend Vertrauen für eine Zusammenarbeit entgegenbringen. Auf dem Parteitag zeigten sich viele Delegierte skeptisch, ob CDU und CSU überhaupt noch verlässliche Partner sein können. Oder wie SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles es fragte: „Sind die überhaupt verhandlungsfähig?“
Eine Antwort darauf werden die Sozialdemokraten möglicherweise am kommenden Mittwoch erhalten.
ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.