Abschiebehaft: Warum sie nicht automatisch zu mehr Abschiebungen führt
Die Ausweitung von Abschiebehaft ist immer wieder Thema in der Migrationspolitik. Doch obwohl mehr Menschen inhaftiert werden, steigen die Abschiebungsquoten nicht proportional. Woran liegt das?
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Die Zahl der Abschiebungen ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Inwieweit hängt das mit mehr Inhaftnahmen vor der Abschiebung zusammen?
Alexander Dobrindt (CSU) will einen härteren Migrationskurs, und kündigt mitunter Verschärfungen an, bei denen unklar bleibt, wie er sie rechtlich umsetzen will. So sagte der Bundesinnenminister beim Migrationsgipfel in München im Oktober: „Wir wollen, dass wir unbefristete Abschiebehaft für abgelehnte Asylbewerber ermöglichen.“ Unbefristete Haftstrafen sind in Deutschland durch das Grundrecht auf Freiheit nicht zulässig, erst recht nicht pauschal für abgelehnte Asylbewerber*innen, auch wenn sie straffällig geworden sind. Über jeden Einzelfall muss ein Gericht entscheiden.
Und trotzdem: Die Frage nach dem Umgang mit Personen, die ihrer Ausreisepflicht nicht nachkommen, bestimmt die Migrationsdebatte nicht erst seit Amtsantritt der Regierung unter Friedrich Merz (CDU). Im Koalitionsvertrag kündigen SPD und CDU/CSU an, die Zahl der Rückführungen zu steigern. Dafür sollen auch die Kapazitäten für Abschiebehaft ausgeweitet werden. Doch eine jüngste Analyse des Mediendiensts Integration zeigt: Mehr Inhaftierungen von Ausreisepflichtigen führen nicht zwangsläufig zu mehr Ausreisen.
In Bayern beispielsweise stieg die Zahl der Inhaftnahmen den Angaben nach zwischen 2021 und 2022 um 74 Prozent – im gleichen Zeitraum wurden aber nur 7 Prozent mehr Abschiebungen durchgeführt.
Abschiebehaft ist „ultima ratio“
Abschiebehaft kann in Deutschland als „ultima ratio“ angeordnet werden, wenn Ausreisepflichtige nicht freiwillig gehen und drohen, eine Abschiebung zu verhindern, indem sie zum Beispiel untertauchen. Die Inhaftierung ist aber niemals Folge einer Straftat, sie soll ausschließlich sicherstellen, dass die Abschiebung durchgeführt wird. Dem Mediendienst zufolge sind solche Inhaftnahmen seit 2021 um mehr als 60 Prozent angestiegen: Von rund 3.800 auf 6.200. Insgesamt gibt es in Deutschland rund 800 Plätze für Abschiebehaft auf zehn Bundesländer verteilt, die ihre Daten nach unterschiedlichen Methoden erheben. Die Zahlen sind dadurch nur bedingt vergleichbar.
Dass die Zahl der Inhaftierungen gestiegen ist, wird als Folge von mehr Abschiebungen gewertet: Wenn mehr Personen abgeschoben werden, werden logischerweise auch mehr Personen davor inhaftiert. Den Angaben nach gab es 2024 rund 67 Prozent mehr Abschiebungen als 2021, nämlich rund 20.000. Diese Entwicklung sei vor dem Hintergrund einer Zunahme der Migrationszahlen zu werten: Mehr Asylbewerber*innen erhalten auch mehr Ausreiseaufforderungen, parallel dazu steigen die Abschiebungen, wenn sie nicht freiwillig gehen.
Jeder Fünfte aus Abschiebehaft entlassen
Dennoch kommt die Autorin der Studie, die Rechtswissenschaftlerin Hannah Franz, zu dem Ergebnis, dass die Abschiebungen nicht automatisch steigen, wenn es mehr Inhaftierungen gibt. Neben den bereits genannten Beispielen aus Bayern gingen etwa in Sachsen die Inhaftnahmen zwischen 2023 und 2024 um ein Viertel zurück, aber die Abschiebungen stiegen um elf Prozent.
Die Analyse zeigt auch: Eine Inhaftierung vor der Abschiebung verfehlt in jedem fünften Fall ihren Zweck. Demnach führten in fast allen Bundesländern im Schnitt 20 Prozent der Inhaftnahmen nicht zu einer Abschiebung, die Personen wurden also wieder freigelassen. Ein Grund dafür kann sein, dass sich die Person zu einer freiwilligen Ausreise entschieden hat.
Nicht mehr Abschiebungen aus Strafhaft
Die Regierungen haben in den vergangenen zehn Jahren mehrfach die Abschiebehaft erweitert. Das reguläre Höchstmaß liegt derzeit bei sechs Monaten, wenn ein Verdacht auf Fluchtgefahr vorliegt. Bei Gefährder*innen und Straftäter*innen kann es ausgedehnt werden. Wenn eine Abschiebung organisatorisch aufwendig ist und Ausreisepflichtige drohen, sich der Maßnahme zu widersetzen, können sie seit 2024 für maximal 28 Tage in einen Ausreisegewahrsam kommen.
In der politischen Debatte geht es oft um die Abschiebung von Straftäter*innen und Gefährder*innen. Allerdings betont der Mediendienst, dass keine Daten zu Personen erhoben werden, die aufgrund einer Straftat ausgewiesen und später abgeschoben werden. Erhoben wird nur, wenn Straftäter*innen direkt aus der Strafhaft abgeschoben werden – die Zahl solcher Fälle sei in den vergangenen Jahren konstant geblieben. Im Verhältnis zu den Abschiebungen insgesamt gingen die Abschiebungen aus der Strafhaft sogar zurück.
geht es nicht mehr- wir brauchen die jungen Männer, wer soll denn zukünftig unsere Rente erwirtschaften?