Debatte

Warum die SPD auch ihre digitale Infrastruktur erneuern muss

Bei der Erneuerung der Partei darf die SPD auch die Modernisierung ihrer digitalen Infrastruktur nicht außen vor lassen. Das Debattenportal bietet dafür eine gute Grundlage. Es sollte künftig auch für einen direkten Austausch zwischen Parteiführung und -basis genutzt werden.
von Christoph Beeck · 15. Januar 2019
Das SPD-Debatteportal bietet die Chance, Führung und Basis direkt und öfter in einen Austausch zu bekommen, meint Christoph Beeck.
Das SPD-Debatteportal bietet die Chance, Führung und Basis direkt und öfter in einen Austausch zu bekommen, meint Christoph Beeck.

Auf dem Weg von #SPDerneuern ist die Europawahl im Mai eine große Chance, allen sozialdemokratischen Parteien Europas in ihrer oft schwierigen Lagen wieder Mut zu machen und mit den Menschen in Deutschland zu zeigen, dass die SPD ein für die Zukunft relevanter Akteur ist, mit Mut und klaren Erkennungsmerkmalen. Zur Erneuerung gehören die drei Ebenen Inhalte – Personen – Organisation. Mit Katarina Barley und Udo Bullmann wurde eine starke Doppelspitze gewählt; im neuen Debattenportal können aktuell alle Mitglieder ihre Ideen für das Europa-Programm formulieren.

spd.de muss zur zentralen Partei-Plattform werden

Damit die ganze Partei die wichtigen Debatten führen und ihre Haltung klar nach außen vertreten kann, bedarf es aber auch einer Erneuerung von Strukturen. SPD.de muss dafür zum Kraftzentrum der Unterstützung werden. Viele (junge) Menschen wollen sich für Europa engagieren. Wir müssen ihnen leichter ermöglichen, das bei uns zu tun. Viel wichtiger sind aber die ungenutzten Potentiale, die spd.de aus einer Hand für die Zusammenarbeit der Mitglieder bieten könnte – weit über das bisherige „Mein Bereich“-Angebot hinaus.

Viele Aufgaben, die von den Vorstandsmitgliedern der Ortsvereine, Arbeitsgemeinschaften und Kreisverbände notwendigerweise erledigt werden müssen, sind eher lästig und undankbar. Sie laufen im Hintergrund und fallen nur auf, wenn etwas nicht klappt. Dazu gehört als wichtige Aufgabe die Organisation und technische Umsetzung von Einladungen und Mitgliederinfos. Hier kann und muss spd.de – immer synchron auch die App – als zentrale Plattform zur Entlastung eingesetzt werden.

Schneller und besser miteinander kommunizieren

Es muss für alle Vorsitzenden und Mitgliederbeauftragten der Gliederungen und auch der Arbeitsgemeinschaften möglich sein, sich dort die nach eigenen Bedarfen konfigurierte aktuelle Mitgliederliste herunterzuladen, damit diese bei Neueintritten oder Wohnortwechseln nicht händisch ergänzt werden muss.Besonders wichtig, aber auch lästig in der Pflege, sind funktionierende E-Mail-Verteiler. Der Easymailer ist da ein guter (wenn auch weitgehend ungenutzter) Ansatz. Er muss auch den AGs zur Verfügung stehen.

Neben zu wenig kann es aber auch zu viel Ansprache geben. Oft genug wundern sich Mitglieder über eine Flut an Parteiemails und gerade am Anfang ist es sehr irritierend, von wie vielen Personen man (hoffentlich) begrüßt wird. Eine Idee wäre, dass E-Mails gebündelt werden können, also nur eine E-Mail ankommt und alles enthält. Dafür könnte es einen Bereich geben, in dem die Vorstände, Fraktionen, Geschäftsstellen ihre Texte und Anhänge ablegen können, die dann für den E-Mail-Versand nach dem Eintritt oder einen regelmäßigen Termin-Newsletter automatisch eingebunden werden. Übrigens: Alle Mitglieder sollten automatisch auf spd.de registriert sein und mit dem Eintritt (oder für den Bestand zu einem Stichtag) ihre Zugangsdaten bekommen, damit zusätzliche Registrierung keine Hürde darstellt.

Organisationszeit verkürzen – Daten strukturieren

Jedem Ortsverein und jeder AG muss eine kleine Cloud zur Verfügung stehen, die einen Bereich für alle ihre Mitglieder und den Vorstand enthält. So kann wesentliches Material für alle zugänglich gesammelt und gesichert werden und steht auch bei Wechseln weiter zur Verfügung. Zu oft geht Wissen verloren oder müssen Vorlagen immer wieder neu erstellt werden. Das ist unnötig. Und die Mitglieder können jederzeit die Protokolle einsehen, ohne ihre Postfächer zu überfüllen oder selbst Ordner anzulegen. Das ist wichtig, um „seine“ Delegierten vor Parteitagen zu kontaktieren oder die Bearbeitung von Themen nachvollziehen zu können. Beeindruckend wäre es auch, wenn Vorlagen in der Cloud direkt in die Tagesordnungen und Protokolle verlinkt wären.

Auch konkrete Arbeiten, in die man sich immer wieder reindenken muss, lassen sich technisch unterstützen. So könnten Vorsitzende von den Details der Vorbereitung einer Jahreshauptversammlung entlastet werden, indem im Portalbereich Vorlagen für Einladungen und Tagesordnungen bereitsteht, die um individuelle Anschreiben oder zusätzliche TOPs ergänzt werden kann. Die notwendigen Stimmzettel und eine Anwesenheitsliste werden als Vorlage direkt zum Download oder zum Auslösen eines Druckauftrags bereitgestellt. So kann auch nichts vergessen werden und alles verläuft satzungskonform.

Vielfalt kennen und nutzen

In der SPD gibt es knapp 450.000 Mitglieder mit unzähligen Kombinationen von Fähigkeiten, Interessen und Kontakten. Die Mitglieder sind der größte Schatz der Partei, der aber mangels Karte meist im Verborgenen bleibt. Die Digitalisierung bietet die Möglichkeit, ihn zu heben. Alle Mitglieder müssen mehr Informationen zu sich beim Eintritt angeben oder später in ihrem Profil online ergänzen können - natürlich immer komplett selbstbestimmt. Die örtlichen Vorsitzenden können sie dabei unterstützen, Daten vernetzen und für einen Mehrwert einsetzen.

Für die Arbeit der SPD vor Ort ist es wichtig zu wissen, wer im Sportverein, in der Kirche, bei der Feuerwehr Mitglied ist, sich vielleicht auch aktiv engagiert. Dort, wo die Vernetzung und Präsenz der SPD besonders groß ist, erhält sie meist auch die besten Ergebnisse. Auch eine weitere Erfassung von Interessen und Fähigkeiten über den Berufszweig hinaus hilft, unsere Mitglieder zielgerichtet anzusprechen, sie zu beteiligen und zu informieren ohne sie zu überfluten, ihre Unterstützung abzufragen ohne penetrant zu sein.

Gemeinsam diskutieren und entscheiden

Im Oktober ist das SPD-Debattenportal freigeschaltet worden, um bereits im Vorfeld die Themen des Debattencamps deutschlandweit diskutieren zu können. Zurzeit wird hier debattiert, was „Europa ist die Antwort“ konkret bedeutet. Das Portal bietet vor allem aber die Chance, Führung und Basis direkt und öfter in einen Austausch zu bekommen, die Schwarmintelligenz zu nutzen, der Stimme des Einzelnen strukturiert Gehör zu verschaffen. Der Parteivorstand sollte es zu großen Fragen oder aktuellen Aufregerthemen nutzen, um quantitative und qualitative Rückmeldungen der Genossinnen und Genossen zu bekommen.

Besonders cool wäre es, wenn einfache Mitglieder Themen auf die Tagesordnung, zum Beispiel des Parteivorstandes oder ihrer Landtagsfraktion, setzen könnten. Sie schlagen einen Punkt im Portal vor, es kann diskutiert werden (schon hier kann die Führung vielleicht etwas lernen) und vor allem können die Mitglieder Plus- und Minuspunkte vergeben. Ein Punkt, dem ein bestimmtes Quorum der Mitglieder zustimmt, kommt dann auf die Tagesordnung.

Nicht zuletzt bietet das Debattenportal die Chance, die vielfach kritisierte Strukturierung der Bundesparteitage zu reformieren und vielleicht die Antragskommission zu ergänzen oder teilweise zu ersetzen. Die Mitglieder könnten über die Priorisierung von Anträgen oder Themenbereichen abstimmen und somit gemeinsam spürbar Einfluss ausüben. Vielleicht könnten die Antragsteller ähnlicher Anträge sich im Vorfeld hier auch koordinieren, um zu einem gemeinsamen Entwurf oder einer bevorzugten Beratungsgrundlage zu kommen.

Erprobte Lösungswege aufgreifen

Die SPD hat in ihrer Geschichte viele notwendige Strukturen selbst geschaffen. Dafür muss man gar nicht bis in Bebels Zeiten mit den Arbeitersportvereinen und sozialdemokratischen Zeitungen zurückblicken, sondern kann den Werbemittelshop und das Druckportal heranziehen. Warum kann die ddvg mit ihren Unternehmensbeteiligungen nicht auch ein eigenes Hosting-Angebot führen, das Onlineleistungen für alle Gliederungen, Fraktionen und öffentlichen Personen zu niedrigen Preisen aus einer Hand anbietet und den Aufwand für Technik und Verträge vor Ort minimiert?

In manchen Landesverbänden oder freiwilligen Zusammenschlüssen gibt es dafür ja bereits gut funktionierende Muster, die als Grundstock dienen können. Ein einheitliches, ansprechendes Erscheinungsbild nach außen und eine Arbeitsentlastung nach innen sollten hinreichender Ansporn sein. Auch dieses Angebot würden die Aktiven über den internen Bereich auf spd.de erreichen können.

Einfach machen

Kleine technische Lösungen werden auch in der Summe nicht die große Erneuerung der SPD bilden, aber sie können eine wichtige Grundlage für den weiteren Prozess sein. Für sie braucht es, im Gegensatz zu den Fragen, wie wir zukünftig leben wollen oder welche Rolle die SPD einnehmen soll, keine großen Debatten und Abwägungen. Die SPD kann hier wieder lernen, was sie generell mehr braucht: Mut zur Entscheidung und Handlung. Der Parteivorstand muss es einfach machen, um es einfacher zu machen!

Autor*in
Christoph Beeck

ist Vorsitzender des Kieler Ortsvereins Suchsdorf und Mitarbeiter des Bundestagsabgeordneten Mathias Stein.

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