Stahlindustrie: SPD denkt über Staatsbeteiligung nach
Die Stahlindustrie in Deutschland ist in der Krise. Die SPD denkt nun zur Rettung auch über eine Staatsbeteiligung nach. Ein entsprechendes Papier hat die Bundestagsfraktion in dieser Woche beschlossen.
IMAGO/Jochen Tack
Am Standort Duisburg droht der Verlust von tausenden Arbeitsplätzen in der Stahlindustrie.
Die Stahlindustrie in Deutschland ist angeschlagen. Der Umbau auf eine klimaneutrale Produktion mit aus erneuerbaren Energien gewonnenem, sogenanntem grünen Wasserstoff hakt. Bislang ist unklar, wie dieser auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig sein kann, zumal in den USA nach dem Deal der EU-Kommission mit Donald Trump 50-prozentige Zölle auf Stahl und Aluminium aus der EU gelten und zeitgleich der hiesige Markt durch billigen und qualitativ minderwertigen Stahl aus Asien überschwemmt wird. Auch dadurch droht der Abbau von tausenden Arbeitsplätzen. Insbesondere die Standorte im Ruhrgebiet und im Saarland sind davon gefährdet. Deswegen hatte die SPD schon kürzlich auf der Konferenz der Fraktionsvorsitzenden in Saarbrücken ein Papier zur Stärkung der Stahlindustrie beschlossen.
Roloff: Heimische Arbeitsplätze nicht gefährden
In dieser Woche legte die Bundestagsfraktion noch einmal nach. Ihr Positionspapier sieht im Zweifel sogar eine Staatsbeteiligung als ultima ratio vor, um die heimische Industrie zu schützen. „Wir dürfen heimische, gut bezahlte Arbeitsplätze nicht gefährden, indem wir uns in Abhängigkeit von massiv subventioniertem ausländischem Stahl begeben“, machte der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Sebastian Roloff, auf Nachfrage des „vorwärts“ deutlich. Daher sei es notwendig, die Wettbewerbsbedingungen der Stahlindustrie deutlich zu verbessern. Damit dies gelinge, brauche es verlässliche Entlastungen bei den Strompreisen, grüne Leitmärkte und verbindliche „Buy European“-Vorgaben. „Zu guter Letzt sollte ein Staatseinstieg in begründeten Einzelausnahmefällen eine Option sein“, sagte Roloff, der auch Vorsitzender der bayerischen SPD ist.
Denn schon ein Blick auf die Zahlen zeigt die Bedeutung des Stahls in Deutschland. Etwa vier Millionen Menschen arbeiten in stahlintensiven Branchen, rund 80.000 direkt in der Stahlindustrie. Neben der Baubranche und der Automobilindustrie ist auch die Rüstungsindustrie auf heimischen Stahl angewiesen. „Darüber hinaus leistet die Stahlindustrie einen zentralen Beitrag zur Resilienz und Unabhängigkeit Deutschlands, indem sie essenzielle Komponenten für die Verteidigungsindustrie und die (Energie-)Infrastruktur bereitstellt“, heißt es daher auch im Papier der SPD-Bundestagsfraktion.
Mehr Schutz vor Dumping-Stahl
Die Branche besitze „herausragenden Vorbildcharakter“ mit Blick auf die geplante Umstellung der Industrie auf klimaneutrale Produktion. Denn aktuell verursacht die Stahlherstellung rund ein Drittel aller Industrieemmissionen hierzulande. Wenn es gelingen soll, Deutschland bis zum Jahr 2045 klimaneutral zu machen, ist eine deutliche CO2-Einsparung in der Stahlproduktion unausweichlich. Denn eine klimaneutrale Stahlindustrie würde die gesamten CO2-Emmissionen in Deutschland auf einen Schlag um sieben Prozent reduzieren. Hingegen wäre ein Aus für die heimische Stahlproduktion aus Sicht der SPD „ein unwiderruflicher Verlust an industrieller Wertschöpfung und Resilienz in Deutschland insgesamt“.
Daher fordert sie wirksame industriepolitische Maßnahmen, um die Zukunft der Stahlindustrie in Deutschland zu sichern. Beispielsweise ist aus Sicht der Sozialdemokratie eine effektive Nachfolgelösung für die im Jahr 2026 auslaufenden EU-Schutzklauselmaßnahmen notwendig, die den heimischen Markt vor Dumping-Konkurrenz schützen. Zudem kündigt die Bundestagsfraktion an: „Mit einem Mix aus politischen Maßnahmen wollen wir dafür sorgen, dass ein international wettbewerbsfähiges Strompreisniveau für die Stahlindustrie erreicht wird.“ Dazu gehöre in erster Linie der Ausbau erneuerbarer Energien, aber auch eine verlässliche Senkung der Stromkosten.
Staatseinstieg in Ausnahmefällen
Um ausreichend Nachfrage für grünen Stahl aus heimischer Produktion zu schaffen, sollen verbindliche Nachhaltigkeitskriterien Teil der öffentlichen Auftragsvergabe werden. In begründeten Einzelausnahmefällen soll sich der Staat außerdem, wie erwähnt, das Recht vorbehalten können, in die Stahlproduktion einzusteigen, um strategische Abhängigkeiten zu vermeiden, Mitentscheidungsrechte zu sichern und die Sicherheitsinteressen Deutschlands zu wahren.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo
Die SPD und ihre Bundesregierung sollten sich lieber darauf konzentrieren, die Hauptursache der heimischen Stahlkrise zu lösen, nämlich die horrenden Energiekosten, die natürlich bei der energieintensiven Stahlindustrie massiv zu Buche schlagen. Das wäre nach Lage der Dinge aber nur möglich, wenn wir unseren Konforontationskurs mit Russland beenden und wieder russisches Gas kaufen (falls es uns überhaupt noch angeboten wird). Machen wir das nicht, haben wir genau zwei weitere Alternativen: Atomenergie (womit jahrzehntealte Konflikte wieder aufgerissen werden) oder den dauerhaften Wegfall der Geschäftsgrundlage für die energieintensiven Industrien in Deutschland (der aktuelle Weg). Den Verlust von sehr vielen Arbeitsplätzen können wir täglich in den Nachrichten verfolgen. Der weiter Verlust an Industriearbeitsplätzen wird sich nicht dadurch vermeiden lassen, dass der Staat dauerhafte die entstehenden Verluste abdeckt. Damit wird nur das Interesse der Shareholder bedient.
gehören in die Hand des Staates, ebenso wie Grund und Boden sowie Immobilien. Der Einstieg wäre gemacht, mehr davon muss folgen