Israels Angriff auf Katar: Symbolischer lässt sich Diplomatie kaum beerdigen
Mit dem Angriff auf Katar wird den moderaten arabischen Staaten bewusst, dass auch sie im Fadenkreuz der israelischen Militärmacht stehen. Israel macht damit klar, dass es an einem friedlichen Zusammenleben kein Interesse hat. Das hat auch Auswirkungen auf das Verhältnis zu den USA.
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Israelischer Bombenangriff in Katars Hauptstadt Doha: Symbolischer lässt sich Diplomatie kaum beerdigen.
Mit dem Luftangriff auf Hamas-Unterhändler in Doha hat Israel erneut eine rote Linie überschritten. Das Völkerrecht und die Regeln des zwischenstaatlichen Handelns weichen im Nahen Osten zunehmend einem „Anything goes“. Doch die Strategie reiner Gewalt führt direkt in die Anarchie. Galt lange der Iran in arabischen Hauptstädten als unberechenbarer „Rogue State“, nimmt zunehmend Tel Aviv diese Rolle ein. Eine Normalisierung der Beziehungen mit der arabischen Welt, allen voran mit deren Vormacht Saudi-Arabien, rückt damit in immer weitere Ferne.
Die Unverletzbarkeit von Grenzen zählt für Israel nicht mehr
1.700 Kilometer Luftlinie trennen Israel von Katar. Dass die israelische Luftwaffe selbst diese Distanz überwindet, ist seit dem Zwölftagekrieg mit dem Iran und den massiven Bombardements Teherans kein Geheimnis mehr. Geografisch liegt das Golfemirat längst im Fadenkreuz Tel Avivs. Bemerkenswerter ist jedoch, dass mit Katar erstmals ein „Major non-NATO ally“ der Vereinigten Staaten, also ein wichtiger Verbündeter außerhalb der NATO, ins Visier gerät. Doha ist nicht nur enger Verbündeter Washingtons, sondern beherbergt auch die größte amerikanische Militärbasis in der gesamten Region – mehr als 10 000US-Soldaten sind dort stationiert.
Damit ist Katar ein ungewöhnlicher Neuzugang auf der stetig wachsenden inoffiziellen Liste „bombardierungsfähiger“ Staaten, die bislang ausschließlich gescheiterte oder feindliche Staaten umfasste. Katar markiert eine rote Linie: Die Botschaft an Riad, Ankara und Kairo lautet, dass auch sie im Zweifel nicht unantastbar sind. Souveränität und die Unverletzbarkeit von Grenzen zählen im Nahen Osten zunehmend wenig. Israel scheint dabei von seinem Erzfeind Iran gelernt zu haben.
Ein Anschlag auf die Gaza-Verhandlungen
Die Tollkühnheit des Schlages steht im Kontrast zu seiner Erfolglosigkeit. Nach katarischen Angaben traf die Attacke nicht die Hamas-Exilführung, sondern lediglich einige Untergebene. Doch auch dieser Fehlschlag ist ein Anschlag auf den Verhandlungsprozess selbst und ein weiteres Signal dafür, dass der Regierung Netanjahu das Leben der israelischen Geiseln gleichgültig ist. Ein Waffenstillstand wird offenkundig nicht angestrebt.
Der Angriff auf Doha fällt zudem zeitlich mit der international scharf verurteilten Offensive auf Gaza-Stadt zusammen, bei der über eine Million Kriegsversehrte und Geflüchtete erneut vertrieben werden sollen. Internationale Eskalation ist da eher hilfreich, um von den Kriegsverbrechen vor Ort abzulenken. Anders als die israelische Propaganda suggeriert, ist Katar kein Verbündeter der Hamas, sondern beherbergt deren Exilführung auf ausdrücklichen Wunsch der USA. Gerade um Gesprächskanäle offenzuhalten, die nun im Raketenhagel zertrümmert werden.
In Gaza soll es keinen „Day After“ geben
Wozu noch verhandeln, wenn das eigentliche Ziel in Gaza längst darin besteht, jede Nachkriegsordnung zu verhindern? Militärisch ergibt die erneute Ausweitung der Kämpfe kaum Sinn: Die Hamas existiert nicht mehr als kohärente Streitmacht und stellt keine existenzielle Bedrohung für Israel dar. In der postapokalyptischen Trümmerlandschaft von Gaza agiert sie nur noch als zersplitterte Guerilla. Dass die israelische Regierung den Krieg nicht politisch beenden will, liegt daran, dass ihre Ziele weit über die Zerschlagung der Hamas hinausreichen.
In Gaza soll es keinen „Day After“ geben, auch wenn alternative palästinensische und regionale Akteure längst bereitstünden. Stattdessen verfolgt man gemäß dem Trump-Plan die Massenvertreibung der palästinensischen Bevölkerung. Nur so erklärt sich die systematische Vernichtung aller menschlichen und natürlichen Lebensgrundlagen, die längst jede militärische Notwendigkeit übersteigt. Im orwellschen Neusprech Israels heißt dies „freiwillige Ausreise“ in Richtung Somaliland, Libyen oder Südsudan.
Israel hat seinen Nachbarn nichts anzubieten
Mit dem Angriff auf Katar wird den moderaten arabischen Staaten erstmals bewusst, dass auch sie im Fadenkreuz der israelischen Militärmacht stehen. Kein amerikanischer Schutzschirm kann ihnen hier helfen, gibt es doch eine klare Hierarchie unter Washingtons Verbündeten. Bis zu eine Milliarde US-Dollar investierte das Emirat, um Präsident Trump einen aufwendig umgebauten Jet zu schenken. Offenkundig eine gigantische Fehlinvestition.
Die Ordnung, die sich seit dem 7. Oktober 2023 in der Region herauskristallisiert, ist eine israelische Vormachtstellung nahezu ohne militärische Beschränkungen. Der jüdische Staat ist dabei Vormacht, Hegemon ist er jedoch nicht. Ein Hegemon hätte der Region eine zumindest in Teilen positive Vision anzubieten, der die Satellitenstaaten auch aus Eigeninteresse folgen. Israel hingegen hat seinen Nachbarn außer Bomben, Staatszerfall und Unterordnung nichts anzubieten.
Die amerikanische Nahostpolitik wird in Tel Aviv gemacht
Die israelische Vormacht steht auf tönernen Füßen. Mit einem Dauerkrieg nach allen Seiten riskiert der Zehn-Millionen-Staat mit seiner Reservistenarmee eine militärisch-ökonomische Überdehnung. Durchhalten lässt sich das nur dank massiver westlicher, vor allem amerikanischer Unterstützung. Wie kaum ein anderer Premier hat Netanjahu Israel fest an die USA gebunden.
Jeder der tollkühnen Schläge kalkuliert implizit ein, dass die Weltmacht ihrem Premium-Verbündeten im Zweifel zur Seite steht. Und wie schon unter Biden gilt offenbar auch unter Trump: Die amerikanische Nahostpolitik wird in Tel Aviv gemacht. Der Schwanz wedelt sinnbildlich mit dem Hund. Wie schon im Fall Iran beendet nun wieder ein israelischer Militärschlag einen amerikanisch-forcierten Verhandlungsprozess.
Trump gerät selbst bei den eigenen Leuten unter Druck
In den USA selbst formiert sich derweil Widerstand. Das offizielle Diktum, Washington sei erst informiert worden, als die israelischen Bomber schon in der Luft waren, glaubt in der Region niemand. Am Golf bedeutet der Angriff auf Katar für Amerika einen massiven Vertrauensverlust. Wie schon 2019 bei den iranischen Attacken auf saudische Ölanlagen zeigt sich die Weltmacht auch diesmal unfähig, ihre Verbündeten zu schützen. Doch diesmal geht es nicht um Abschreckung gegen einen Feind, sondern um den Kontrollverlust bezüglich des eigenen Partners.
Wenn nicht im Washingtoner Machtzentrum, dann doch in unmittelbarer Umgebung stellt sich die Frage, ob Israel noch ein geostrategischer Trumpf ist. Oder längst eine Bürde, welche die nach Asien strebende Weltmacht im Nahen Osten festhält, ihre Alliierten entfremdet und die Weltmeinung gegen sie aufbringt. Diese Zweifel reichen inzwischen weit über den linken Flügel der Demokraten hinaus. Selbst im Herzen der MAGA-Bewegung attackiert Chefideologe Steve Bannon Netanjahu und wirft ihm vor, Israel in ein „jüdisches Pakistan“ zu verwandeln. Wie schon beim Iran gerät ein schwach wirkender Trump damit auch bei den eigenen Leuten unter Druck. Der einst parteiübergreifende Konsens zur unbedingten Unterstützung Israels beginnt zu bröckeln.
Israel setzt auf totale Vorherrschaft
Für die Golfstaaten und ihr Streben nach Sicherheit und Stabilität ist der Angriff auf ein Wohnviertel im Zentrum von Doha ein Fanal. Er macht zweierlei deutlich: Erstens lässt sich der israelische Krieg nicht länger auf Gaza und die Levante begrenzen. Unweigerlich greift er auf sie über, untergräbt ihre Souveränität und erschüttert ihr auf Ruhe und Ordnung gebautes Staatsmodell. Entblößt und wehrlos stehen sie da. Zweitens hat Israel die lange ausgestreckte Hand für einen Kompromissfrieden endgültig ausgeschlagen. Zerbombt wurde der Ort der Verhandlungen selbst. Symbolischer lässt sich Diplomatie kaum beerdigen.
Trotz enormer gesellschaftlicher Verwerfungen, die die Horrorbilder aus Gaza produzieren, waren die Araber bis zuletzt bereit für einen umfassenden regionalen Frieden. Mehrfach haben Riad und Co. die arabische Friedensinitiative von 2002 erneuert, die Israel die vollständige Normalisierung im Austausch für eine Zweistaatenlösung verspricht. Doch statt Frieden setzt Tel Aviv auf totale Vorherrschaft und militärische Handlungsfreiheit zwischen Mittelmeer und Persischem Golf. Statt der ausgestreckten Hand sieht der jüdische Staat in seinem Tunnelblick überall nur neue Feinde.
Wie reagieren die arabischen Staaten?
Dies stellt die moderaten Herrscher in der arabischen Welt vor eine unangenehme Frage. Bisher beließen sie es bei Empörungsdepeschen, ohne den israelischen Kriegs- und Völkerrechtsbrüchen etwas entgegenzusetzen. Das Leid der Palästinenser geschieht damit nicht nur unter dem Mantel westlicher Doppelmoral, sondern auch unter arabischer Tatenlosigkeit.
Nun aber, da sie selbst ins Visier geraten, wird Passivität zunehmend zur unhaltbaren Option. Wollen sie Frieden und eine selbst gestaltete Regionalordnung, müssen sie mehr tun, als bloße Statisten zu bleiben. Die nahe Zukunft wird zeigen, ob die Araber wieder eine aktivere Rolle einnehmen oder in anhaltender Demütigung verharren werden.
Bei jedem Angriff auf Schulen, Krankenhäuser und jetzt auf Katar gibt Netanyahu vor, auf Hamas-Leute zu zielen, was sich in der Regel als Fehlschlag erweist. Die Konseqenz aus diesem terroristischen Verhalten besteht allenfalls darin, dass auf diese Weise das Leben der restlichen Geiseln gefährdet wird. Wieviele Menschenleben sowohl bei den Geiseln wie bei den palästinensischen Zivilisten, ob durch Angriffe oder durch Verhungern hat dieser Typ mit seinem Verhalten auf dem Gewissen? Hier sollte die Bundesregierung der - erstaunlich posiven - Ankündigung von der EU-Kommissionspräsidentin zustimmen. Denn andernfalls macht sich Deutschland an dem menschenrechtswidrigen Verhalten der israelischen Regierung mitschuldig.
will diese Bundesregierung und die SPD noch dieses terroristische Netanjahuregime unterstützen ?
deutlich, sah sich aber- wenn ich ihn richtig verstanden habe- mangels atomarer Bewaffnung seines Landes außerstande, konkret zu handeln. Was sagt unsere Parteispitze dazu? Schweigen ist keine Lösung
warum wehrt sich Katar nicht militärisch, es ist doch hoch gerüstet.
Ist es eventuell so, dass gar nicht Katar, sondern lediglich sich dort aufhaltende Menschen angegriffen wurden, möglicherweise sogar mit Kenntnis der Regierung in Katar? Ein Blick auf die Landkarte lässt diese Frage durchaus zu, denn die Flieger aus Israel müssen ja fremde Territorien überfliegen, insbesondere SA und Jordanien. Das macht man nicht so ohne weiteres, man will ja nicht in die Liftabwehr der genannnten Staaten geraten.
Es ist als wenigstens nicht auszuschließen, dass dies alles mit Zustimmung Katars erfolgte, was natürlich öffentlich niemand sagen darf und kann