Inland

Kinder aus Gaza aufnehmen: SPD unterstützt Städte-Initiative

Mehrere deutsche Städte wollen verletzte und traumatisierte Kinder aus Gaza aufnehmen und behandeln. Doch die Bundesregierung reagiert verhalten. Aus der SPD kommt Unterstützung für den Vorschlag.

von Lea Hensen · 7. August 2025
Hunderttausend Kinder in Gaza leiden unter den Folgen von Nahrungsmittelknappheit.

Hunderttausende Kinder in Gaza leiden unter den Folgen von Nahrungsmittelknappheit.

Die humanitäre Not im Gazastreifen ist groß und trifft vor allem die Schwächsten. Täglich zeigen Fotos das Leid von Kindern, die unter der Nahrungsmittelknappheit leiden. Laut Unicef sind Hunderttausende von ihnen und alle unter fünf Jahren von akuter Mangelernährung bedroht. Den Angaben nach sind in Gaza bereits 50.000 Kinder durch israelische Angriffe getötet oder verwundet worden.

Mehrere Städte in Deutschland haben sich bereit erklärt, verletzte und traumatisierte Kinder aus Gaza aufzunehmen. Doch dafür müsste das Bundesinnenministerium rechtliche und organisatorische Voraussetzungen schaffen: Es müsste klären, nach welchen Kriterien die Kinder ausgewählt werden, und wie ihre Ausreise geordnet und sicher ablaufen kann. Der Bund müsste Visa erteilen und eine medizinische Versorgung koordinieren. Die Maßnahmen würden der Organisation von humanitären Aufnahmeprogrammen wie mit Afghanistan ähneln. Im Koalitionsvertrag hat Schwarz-Rot jedoch vereinbart, derartige Aufnahmeprogramme einzustellen.

Städte bitten Bund um Hilfe

Sechs Kommunen haben sich trotzdem bereit erklärt, Kinder aus der Krisenregion aufzunehmen und medizinisch und psychologisch zu versorgen. Die Stadt Hannover erklärte, 20 Kinder aufnehmen zu wollen und gegebenenfalls bei Pflegefamilien unterzubringen. Auch der SPD-Oberbürgermeister von Kiel, Ulf Kämpfer, signalisierte, hilfebedürftige Kinder als „Zeichen für Humanität“ in seine Stadt holen zu wollen. „Diese starke und zutiefst menschliche Geste wollen wir auch in Düsseldorf aufgreifen“ sagte der CDU-Oberbürgermeister der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt, Stephan Keller, dem WDR. Außerdem schlossen sich Bonn und Leipzig der Initiative an. Am Mittwoch erklärte sich auch die Stadt Freiburg zur Aufnahme bereit. 

In einer Mitteilung an die Bundesregierung baten die Stadtspitzen Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) und Außenminister Johann Wadephul (CDU), ein Kontingent zur humanitären Aufnahme einzurichten. „Die dramatische Lage in Gaza und Israel beschäftigt nicht nur die internationale Öffentlichkeit, sie ist auch ein Thema, das unsere Städte und Gemeinden seit dem schrecklichen Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 und seinen andauernden Folgen tief bewegt“, hieß es in dem Brief. 

Bundesgierung lehnt Vorschlag vorerst ab 

Die Bundesregierung reagierte verhalten. Ob eine Aufnahme der Kinder in Deutschland möglich sei, hänge „entscheidend von der Sicherheitslage, der Möglichkeit der Ausreise und weiteren Faktoren ab“, sagte ein Sprecher dem Evangelischen Pressedienst. Aus dem Auswärtigen Amt erteilte Staatsministerin Serap Güler (CDU) dem Vorschlag eine Absage. „Diese Idee ist nett für den Wahlkampf“, sagte sie im Gespräch mit dem Kölner Stadt-Anzeiger. „Viel wichtiger und hilfreicher ist es, Länder in der Region zur Aufnahme zu motivieren.“ Den Kindern sollte besser in den Nachbarländern geholfen werden, anstatt sie auf eine lange Reise zu schicken. 

Ähnlich äußerte sich der stellvertretende Unionsfraktionschef Günter Krings. „Es hilft den Kindern aus dem Gazastreifen nicht, wenn deutsche Städte symbolische Angebote für einzelne Fälle machen“, sagte der CDU-Politiker im Gespräch mit der „Rheinischen Post“. Humanitäre Hilfe solle nicht zur Bühne für politische Profilierung werden. Leidende und hilfsbedürftige Kinder gebe es in vielen Konfliktzonen der Welt.

Aufnahme aus Gaza als Zeichen für Humanität

Aus der SPD fordern dagegen mehrere Stimmen die Aufnahme von Kindern aus Gaza. Dirk Wiese, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, sagte: „Ich bin sehr dafür, schwer verletzte Kinder aus Gaza nach Deutschland zu holen, wenn es die Möglichkeit für eine sichere Ausreise gibt.“ Die Maßnahme werde zwar keine große Hilfe sein, aber ein Zeichen für Humanität. Wiese zeigte sich irritiert über die Vorwürfe, derartige Vorschläge seien Wahlkampf.

Derya Türk-Nachbaur, ebenfalls Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, sagte gegenüber RTL/ntv, Deutschland habe bereits ukrainische Kinder aufgenommen und verfüge über die besten Voraussetzungen, Hilfe zu leisten. Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Adis Ahmetovic, sagte im Gespräch mit dem „Stern“, die medizinische Evakuierung von schwerverletzten Kindern sei eine „bisher viel zu selten diskutierte, aber dringend notwendige Maßnahme“.

Sicherheitsbedenken gegen Begleitpersonen 

Offenbar spielen aber auch Sicherheitsbedenken eine Rolle in der Debatte, insbesondere, sollten die Kinder mit erwachsenen Begleitpersonen aus Gaza ausreisen. Eine Sorge aus Polizeikreisen: Die Hamas könnte die Maßnahme für ihre Zwecke missbrauchen und gezielt Terroristen nach Deutschland einschleusen.

In der Vergangenheit wurden mehrfach Kinder aus Konfliktregionen ausgeflogen und in Deutschland medizinisch versorgt, unter anderem während des Bosnienkriegs in den 1990er Jahren und während des Afghanistankriegs ab 2001. Auch Kinder aus der von Russland angegriffenen Ukraine wurden ausgeflogen und in deutschen Krankenhäusern behandelt. 

Unter den EU-Ländern hat Italien bereits zum zweiten Mal verletzte Kinder aus Gaza aufgenommen, Spanien und Norwegen beteiligten sich ebenfalls an Aufnahmeaktionen. In Deutschland wurden seit dem Ausbruch des Krieges nur zwei verwundete Kinder aus Gaza behandelt, ihre Ausreise hatte noch die Ampel-Koalition organisiert. Im vergangenen Jahr hatten sich Hilfsorganisationen und mehrere deutsche Krankenhäuser bereit erklärt, die Kosten für die Behandlung von Kindern aus Gaza zu übernehmen. 

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Autor*in
Lea Hensen
Lea Hensen

ist Redakteurin des „vorwärts“.

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Gespeichert von max freitag (nicht überprüft) am Do., 07.08.2025 - 19:30

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beschränken, sondern die ganze Familie mit den Kindern aufnehmen. Soll das Kind von seiner Mutter getrennt werden, und die Mutter von den Geschwistern? Macht doch bitte Nägel mit Köpfen, und nicht derart untaugliche teillösungen- die in Wahrheit nichts lösen- also auch keine Lösungen sind

Gespeichert von Michael Schnelle (nicht überprüft) am Fr., 08.08.2025 - 14:54

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In der Stadt Bonn herrscht seit Jahrzehnten Wohnungsnot. Trotzdem hat die Stadt Bonn einen Großteil ihrer Sozialwohnungen im Jahr 2002/2003 verkauft. Sozialer Wohnungsbau seitens der Stadt findet praktisch nicht statt. Für die eigenen Leute ist auch unter der "grünen" Oberbürgermeisterin kein Geld vorhanden. Da könnte man sich mal als "Gutmensch" aufspielen. Aber das kommt nicht in Frage. Stattdessen das Geld, das man den eigenen Bürgern vorenthält, für Fremde aufwenden, die 3.500 Kem entfernt vom eigenen Freund (Israel) mit eigener Unterstützung drangsaliert werden. Und die SPD will auch noch den Steigbügel halten. Mach weiter so bei der SPD, dann kriegt ihr beim nächsten mal noch weniger Stimmen.

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