International

Ukraine-Krieg: „Trump wirkt überfordert mit der Sturheit des Kremls“

US-Präsident Trump hat Russlands Machthaber Putin ein neues Ultimatum gestellt, um den Krieg in der Ukraine zu beenden. Warum das in Russland positiv aufgenommen wird, erklärt Reinhard Krumm, Büroleiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Washington.

von Nikolaos Gavalakis · 16. Juli 2025
NATO-Generalsekretär Mark Rutte und US-Präsident Donald Trump beim Handschlag im Weißen Haus

Ein guter Deal für Europa? NATO-Generalsekretär Mark Rutte und US-Präsident Donald Trump beim Handschlag im Weißen Haus

Ein 50-Tage-Ultimatum und massive Waffenlieferungen für die Ukraine: Wie bewerten Sie den jüngsten Kurswechsel des US-Präsidenten Donald Trump gegenüber Russland?

Ich bin mir nicht sicher, ob es sich hierbei überhaupt um einen Kurswechsel handelt. Versucht Trump nicht weiterhin, den russischen Angriffskrieg zu beenden und zugleich im Gespräch mit Moskau zu bleiben? Zum einen bleibt abzuwarten, welche Waffen – abgesehen vom Patriot-Flugabwehrsystem – tatsächlich in dem angekündigten Paket enthalten sein werden, welches die Amerikaner schnüren wollen. Soweit ich es verstanden habe, sollen zunächst die europäischen NATO-Staaten Waffen an die Ukraine liefern, die sie später in den USA nachkaufen können.

Darüber dürfte auch Verteidigungsminister Boris Pistorius bei seinem Antrittsbesuch in Washington mit seinem amerikanischen Amtskollegen Pete Hegseth gesprochen haben. Klar ist aber auch: Die Reaktion aus Washington hätte deutlich schärfer ausfallen können. Die BBC etwa berichtet, dass Moskau offenbar überrascht war – und dass die verhaltene US-Reaktion zu steigenden Aktienkursen in Russland geführt hat. Auch aufgrund der 50-Tage-Frist, welche die USA nun Russland geben, um einem Friedensabkommen zuzustimmen.

Ob das Team um Trumps Berater Steve Witkoff, der seit April nicht mehr in Moskau war, neue Initiativen vorbereitet, bleibt abzuwarten. Das gilt ebenso für den eigentlichen Ukraine-Beauftragten, den Vier-Sterne-General Keith Kellogg. Er ist regelmäßig in der Ukraine unterwegs und bemüht sich zunehmend konkret um Lösungsansätze zur Beendigung des Krieges.

Also handelt es sich nicht um einen strategischen Wendepunkt, sondern eher um taktisches Kalkül?

Ja, bisher deuten die Äußerungen von Präsident Trump im Gespräch mit NATO-Generalsekretär Mark Rutte eher auf taktisches Kalkül hin. Sein Ziel scheint weiterhin eine friedliche Koexistenz mit China und Russland zu sein – allerdings nach den Bedingungen der USA, etwa auch unter Einsatz von Zöllen. Die Grundlage dieser Außenpolitik ist jedoch nicht mehr eine globale, regelbasierte Sicherheitsordnung, die sich an den Normen und Prinzipien der Vereinten Nationen orientiert. Stattdessen setzt Trump auf ad-hoc-Zusammenarbeit und transaktionale Beziehungen.

Das ist zwar kein völlig neues Element in der amerikanischen Außenpolitik, aber unter Trump erhält dieser Ansatz eine neue Priorität. Gegenüber Russland und Präsident Putin äußert er sich – bei aller Kritik – regelmäßig mit einer gewissen Wertschätzung. Russland sei ein „potenziell großes Land“, die Gespräche mit Putin „gut“. Trump glaubt an wirtschaftliche Kooperationsmöglichkeiten mit Moskau – eine Vorstellung, an die in Europa zurzeit noch nicht einmal gedacht werden mag. Sein Leitsatz lautet: „Es ist eine gute Sache, mit Russland auszukommen.“

Trump wurde in der Tat von vielen eine gewisse Putin-Nähe attestiert.

Offensichtlich fasziniert Präsident Trump die Chuzpe Russlands – also die Fähigkeit, trotz begrenzter Mittel Macht in der eigenen Nachbarschaft zu projizieren. Seinem russischen Amtskollegen attestierte er Klugheit und nannte ihn sogar ein „Genie“. Vielleicht bewundert er Putin auch deshalb, weil der Mann im Kreml, genau wie er im Weißen Haus, nicht mehr auf die Erhaltung des sicherheitspolitischen Status quo pocht.

Während Trump vor allem die wirtschaftliche Macht der USA für eigene Interessen einsetzt, nutzt Putin die militärische. Gemeinsam ist beiden auch ihre Verärgerung über die aus ihrer Sicht überhebliche EU, die militärisch kaum Gewicht hat, aber über Handelsregeln globalen Einfluss ausübt. In ihrem Weltbild sollte dem Stärkeren mehr Respekt und Einfluss zustehen. Trump sagte über Putin einmal halb kritisch, halb bewundernd: „Ich will nicht sagen, dass er ein Attentäter ist, aber schon ein harter Kerl.“

Der aktuelle Frust über Putin speist sich möglicherweise auch aus der persönlichen Gekränktheit über eine ausgebliebene Gegenliebe aus Moskau. Denn mit seiner grundsätzlich positiven Haltung gegenüber Russland und Putin steht Trump ziemlich allein da – sowohl bei Demokraten als auch in Teilen der Republikanischen Partei. In der Außen- wie Innenpolitik des Weißen Hauses spielt Respekt – oder dessen Mangel – eine wichtige Rolle. Putin sollte das eigentlich wissen, denn auch er legt großen Wert darauf, dass dem größten Land der Welt der gebührende Respekt gezollt wird.

Trump war mit dem vollmundigen Versprechen angetreten, den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine binnen 24 Stunden zu beenden. Aus einem Tag sind mittlerweile fast sechs Monate seiner Amtszeit geworden – ohne Ergebnis. Vor der Kamera sprach er zwar von angeblich „vier Deals“, die dann aber eben doch nicht zu einem Kriegsende geführt haben, weil Russland schließlich nicht eingewilligt hat. Trump wirkt sichtlich überfordert mit der Sturheit des Kremls. Auch die 50-Tage-Frist an Russland, bis dahin einem Friedensschluss zuzustimmen, spricht Bände. Die Hand bleibt ausgestreckt – aus Hoffnung, Russland nicht zu verprellen, und gleichzeitig die Ukraine nicht zu verlieren. Und da ist ja auch noch das große Ziel: der Friedensnobelpreis. Falls der Frieden im Nahen Osten nicht hält.

Wie wird Trumps Ankündigung im republikanischen Lager aufgenommen – insbesondere von Trump-nahen Kräften im Kongress, die bislang die militärische Unterstützung für die Ukraine eher blockiert haben?

Trump steht bildlich gesprochen zwischen Baum und Borke: Einerseits ist seine Außenpolitik darauf ausgerichtet, die USA aus internationalen Konflikten herauszuhalten. Andererseits muss er seinem Lager vermitteln, dass sich die USA möglicherweise doch engagieren müssen, um ihren globalen Einfluss zu wahren. Gerade sein Vizepräsident J.D. Vance ist ein vehementer Befürworter eines amerikanischen Rückzugs von der Weltbühne. Wenig überraschend also, dass Trump seinem Umfeld gegenüber betont, dass in der Ukraine keine US-Bürger sterben. Gleichzeitig begründet er seine jetzige Politik mit der humanitären Lage – in diesem „schrecklichen Krieg“ würden zu viele Menschen getötet.

Damit vertritt er eine klassische amerikanische Außenpolitik. So wie auch der Senat, in dem der Republikaner Lindsey Graham und sein demokratischer Kollege Richard Blumenthal einen Gesetzentwurf für neue und harte Sanktionen gegen Russland und seine Unterstützer vorbereitet haben, unterstützt von mehr als 80 der insgesamt 100 Senatoren. Mit diesem „Vorschlaghammer“, so einer der Initiatoren, wolle man Russland zur Räson bringen. Doch der harte Kern der „Make America Great Again“-Bewegung bleibt skeptisch. Für weitere Militärausgaben, die in fremde Länder gehen, haben sie Trump nicht gewählt. 

Die USA wollen 100-prozentige Strafzölle für alle Handelspartner Russlands erheben, sollte der Krieg nicht innerhalb von 50 Tagen aufhören. Ist das nicht der „Gamechanger“, der den Krieg beenden könnte?

Nein, das glaube ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Gute Quellen und Putins öffentliche Äußerungen deuten darauf hin, dass er weiterhin an einen Sieg seiner Truppen glaubt – zumindest hält er Verhandlungen derzeit für verfrüht. Wahrscheinlich waren diese auch noch nicht so weit fortgeschritten, dass ein längerfristiger Waffenstillstand für den Kreml ernsthaft infrage kam.

Zudem unterschätzen die EU und die USA nach wie vor den Willen der russischen Führung, nicht nur Einfluss in der Ukraine zu haben, sondern auch die europäische Sicherheitsarchitektur mitzugestalten. Der Kreml setzt darauf, dass den Ländern der EU früher als Russland die wirtschaftliche und politische Puste ausgeht. Zu viel hat Moskau bereits investiert: Menschen, Geld, Beziehungen – und letztlich auch die Zukunft des eigenen Landes

Aber natürlich hängt der weitere Verlauf nicht nur von Russland ab. Auch die Reaktion der EU, ihrer Mitgliedsstaaten und der USA wird entscheidend sein. Es ist nicht auszuschließen, dass die Trump-Administration ihre Drohungen tatsächlich wahr macht – und Sanktionen gegen Länder verhängt, die Russlands Krieg indirekt unterstützen. Und genauso wenig lässt sich ausschließen, dass eben nicht Europa, sondern Russland die Puste zunächst ausgeht. 

Was bedeutet Trumps Kurswechsel für Europa?

Vielleicht sollten wir eher von einer Kurskorrektur sprechen. Die Ankündigung Trumps, amerikanisches Militärgerät an europäische Staaten zu verkaufen, ist zunächst einmal eine gute Nachricht. So schnell wäre es sonst unmöglich, Ersatz an die ukrainische Front zu liefern. Gleichzeitig dürfte das den Druck auf die europäische Rüstungsindustrie erhöhen, die eigenen Kapazitäten rasch auszubauen.

Das Treffen mit NATO-Generalsekretär Rutte im Weißen Haus zeigt außerdem, dass Trump Europa inzwischen zumindest ein Stück weit anders sieht. Er sagte offen: „Ein starkes Europa ist eine gute Sache.“ Vielleicht war das nur eine Momentaufnahme, vielleicht aber auch mehr. Fest steht: Es liegt an den Europäern, vor allem auch an Deutschland, ihre Interessen in Washington klar zu vertreten – in Bezug auf die Ukraine ebenso wie auf Russland. Die 50-Tage-Frist sollte genutzt werden, um in mögliche Friedensgespräche die Position der EU aktiv einzubringen. Bisher ist das nicht in ausreichendem Maße geschehen.

Zuerst erschienen im IPG-Journal

Autor*in
Nikolaos Gavalakis

leitet die Redaktion des IPG-Journals. Zuvor war er Leiter des Regionalbüros „Dialog Osteuropa“ der Friedrich-Ebert-Stiftung in Kiew. Er hat in Mainz und Kalifornien Politikwissenschaft, Jura und Amerikanistik studiert.

Weitere interessante Rubriken entdecken

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Mi., 16.07.2025 - 09:57

Permalink

Das Interview liest sich wie ein Suchspiel von Kaffeesatzlesern und Kristallkugelguckern. Leider konnte ich keine neuen Erkenntnisse entnehmen.

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Do., 17.07.2025 - 10:45

Permalink

„Sein Ziel scheint weiterhin eine friedliche Koexistenz mit China und Russland zu sein“- das müsste auch unser strategischer, kategorischer Imperativ sein – natürlich geht das nicht allein zu unseren Bedingungen. Deren „Grundlage“ sollte „eine globale, regelbasierte Sicherheitsordnung“ sein, die sich an den – überarbeiteten? - „Normen und Prinzipien der Vereinten Nationen“ orientiert.
Dass „Russland ein „potenziell großes Land“ ist, sollte doch niemand besser wissen als wir in Deutschland und Europa. Russland hat in den letzten 30 (50) Jahren massiv zu unserem Wohlstand beigetragen, hat unseren Frieden, unsere Freiheit auch nicht bedroht, hat bis heute kein EU- oder Nato-Land angegriffen. Deshalb zwingt sich uns die Frage auf, warum die Ukraine und Georgien um jeden Preis in die Nato müssen.

Unser Leitsatz sollte lauten: „Es ist eine gute Sache, mit Russland auszukommen.“

Trump, ausgerechnet Trump, weist den einzigen nachhaltigen Weg (, sieht man von seinen Nebenbedingungen ab).

In einem Punkt würde ich Ihnen massiv widersprechen. Denn Russland bedroht den Frieden und die Freiheit zahlreicher EU-Staaten beinahe täglich mit Mitteln der hybriden Kriegsführung.

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Do., 17.07.2025 - 14:23

Antwort auf von Jonas Jordan

Permalink

Ist das Bild des Papstes in einem teuren Gucci-Mantel (?) Europa zersetzende Desinformation? Ist das hybrider Krieg, wenn Scholz mit Putin telefoniert, der Kreml tags darauf die Ukraine mit Drohnen angreift; wenn Lawrow auf die russischen Atomwaffen hinweist; hybrider Krieg Russlands, wenn in Süddeutschland die Auspuffrohre von Autos mit Industrieschaum verstopft werden, irgendwo ein Ikea-Lager abbrennt, angeblich Ukrainer im Baltikum und in Deutschland Briefe mit gefährlichem Inhalt aufgeben, ein Kriegsschiff nicht vom Stapel gelassen werden kann, weil jemand Metallspäne ins Getriebe geworfen hat? Wenn hohe deutsche Offiziere über Taurus und die Krim-Brücke schwadronieren, Russland daraufhin von Einsatzplanung für den Taurus spricht, ist das hybride Kriegsführung?

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Do., 17.07.2025 - 14:24

Antwort auf von Jonas Jordan

Permalink

Sie „widersprechen“ (meinem Kommentar), und das auch noch „massiv“- nennen Sie doch mal 2 oder 3 (,bei „massiv“ könnten es vielleicht 5 sein,) belastbare Beispiele für hybride russische Kriegsführung, die „den Frieden und die Freiheit zahlreicher EU-Staaten beinahe täglich bedrohen“.

Schreibe einen Kommentar

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.