Parteileben

„Wir sind Oppositionsjugend“

von ohne Autor · 19. Juni 2010
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vorwärts: Herr Vogt, herzlichen Glückwunsch zur Wahl als Juso-Bundesvorsitzender. Was wird sich bei den Jungsozilisten unter Ihrer Führung ändern?

Sascha Vogt: Wenn ich sagen würde, jetzt wird alles ganz anders, wäre das unglaubwürdig. Schließlich war ich ja schon ein Jahr im Bundesvorstand aktiv. Klar ist aber, dass sich die Rahmenbedingungen für die Arbeit der Jusos seit der letzten Bundestagswahl gravierend verschoben haben. Wir sind jetzt Oppositionsjugend. Das heißt, dass wir noch stärker deutlich machen müssen, was wir von der Arbeit der Bundesregierung halten - nämlich gar nichts. Auf der anderen Seite wollen wir den Erneuerungsprozess der SPD konstruktiv und kritisch begleiten. Wir wollen unseren Teil dazu beitragen, dass die SPD wieder die Partei der sozialen Gerechtigkeit wird.

Wie heißt Oppositionsjugend konkret?

Wir haben in den letzten Jahren viele Kontakte zu gesellschaftlichen Bündnissen geknüpft. Sei es in der Anti-AKW-Bewegung, der Antifa oder bei Aktionen wie "Freiheit statt Angst" (gegen die Vorratsdatenspeicherung Anm. d. Red.). Dort, wo wir gut vernetzt sind, müssen wir den Widerstand gegen die Politik der Bundesregierung organisieren. Gerade jetzt in der Spardebatte sind auch die Kontakte zur Gewerkschaftsjugend unerlässlich. Durch meine Arbeit für die Böckler-Stiftung habe ich da auch persönlich viele Kontakte. Insgesamt müssen wir den Widerstand auf der Straße, aber auch in den Betrieben, den Schulen und den Hochschulen organisieren und vorne mit dabei sein.

Haben die Jusos Gegenvorschläge zu den Kürzungsplänen der Bundesregierung?

Die Bundesregierung behauptet, ihr Sparpaket sei alternativlos. Ich denke aber, dass es immer Alternativen gibt. Jetzt will sie 30 Milliarden Euro über so genannte Sparmaßnahmen einsparen. Die könnte sie aber auch einnehmen, wenn sie die Vermögenssteuer wieder einführt und den Spitzensteuersatz auf 53 Prozent erhöht. Es gibt also auch andere Möglichkeiten, einen sicherlich bestehenden Konsolidierungsbedarf abzudecken. Das müssen wir immer wieder deutlich machen.

Steuererhöhungen sind aber nicht gerade populär...

Ich nehme schon wahr, dass viele Menschen zu der Einsicht gekommen sind, dass es so wie bisher nicht mehr weitergehen kann. Dabei geht es nicht um technische Details - etwa wie hoch der Spitzensteuersatz ist - sondern um einen Entwurf von Gesellschaft. Es geht z.B. um die Frage, ob Kommunen in der Lage sind, öffentliche Dienstleistungen auf einem hohen Niveau zur Verfügung zu stellen, ob es also Einrichtungen wie Schwimmbäder oder Bibliotheken gibt. Diese beiden Punkte muss man immer wieder verknüpfen. Dann verstehen die Leute auch, dass es einen grundsätzlichen Mehrbedarf gibt. In den letzten Jahren haben die Wohlhabenden deutlich von der positiven wirtschaftlichen Entwicklung profitiert. Die breite Masse hatte dagegen nichts davon. Da muss man nachsteuern.

Die Bildung soll der einzige Bereich sein, bei dem nicht gekürzt wird. Darüber müssten Sie sich freuen, schließlich kommen Sie aus der Hochschulpolitik.

Es ist eine sehr vernünftige Entscheidung, die Bildung vom Sparpaket auszunehmen. Ich finde es aber grundsätzlich falsch, den sozialen Bereich gegen die Bildung auszuspielen. Und auch wenn die Regierung allgemein sagt, dass sie bei der Bildung nicht kürzt, heißt das ja nicht, dass das, was sie in der Bildungspolitik macht, sinnvoll ist. Beim nationalen Stipendienprogramm der Bundesregierung z.B. bekommen die Studierenden das Geld, die es eigentlich gar nicht nötig haben, weil sie sowieso aus reichen Elternhäusern kommen.

Die Jusos sind eher akademisch geprägt. Die meisten studieren, nur wenig machen eine Ausbildung. Wird sich dieser Trend mit einem Vorsitzenden, der bei der Böckler-Stiftung ausgerechnet für den Bereich Studienfinanzierung zuständig ist, nicht noch verstärken?

Das glaube ich nicht. Die Jusos waren schon immer ein Verband, der sich sehr stark aus dem Bereich der Studierenden rekrutiert hat. Dennoch müssen wir es schaffen, noch stärker die Probleme der nicht akademischen Schichten aufzunehmen und schauen, was für Probleme junge Auszubildende und Beschäftigte haben. Dazu möchte ich im Dialog mit Gewerkschaften und Auszubildendenvertretungen beitragen. Das ist auch für die SPD wichtig, denn bei der letzten Bundestagswahl hat sie gerade bei den Jungwählern Stimmen verloren.

Interview: Kai Doering

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