Parteileben

Wieso ein 85-Jähriger nach 40 Jahren wieder in die SPD eintritt

45 Jahre lagerte ein Protokollbuch vom Jenaer SPD-Parteitag 1905 auf dem Dachboden eines Peiner Ehepaars. Nun hat es seinen Weg ins Archiv der sozialen Demokratie gefunden – und seinen Besitzer animiert, nach fast 40 Jahren wieder in die SPD einzutreten.
von Kai Doering · 3. November 2016
Hubertus Heil mit Lieselotte und Karl-Heinz Behme in Peine
Hubertus Heil mit Lieselotte und Karl-Heinz Behme in Peine

Als sich die SPD vom 17. bis 23. September 1905 in Jena zum Parteitag traf, war die Situation angespannt. Sollte der Massenstreik als politisches Kampfmittel erlaubt sein oder nicht? Darum drehten sich die Diskussionen. Schließlich stimmten die Delegierten mehrheitlich einer Resolution August Bebels zu, in der der Massenstreik als wirksames Kampfmittel gewertet wurde, um mögliche politische Angriffe auf die Arbeiterklasse abzuwehren.

Eine alte Holzkiste auf dem Dachboden

Nachzulesen ist die hitzige Debatte in einem 380 Seiten starken Protokollbuch. Für 70 Pfennig war es damals zu haben. „Man kann darin zum Beispiel wortwörtlich nachlesen, was Rosa Luxemburg gesagt hat“, erzählt Karl-Heinz Behme. Als er 1971 mit seiner Frau Lieselotte ins Haus ihres verstorbenen Onkels im niedersächsischen Peine zog, entdeckten die beiden auf dem Dachboden eine alte Holzkiste. Darin lagerten mehrere Bücher über die Braunschweiger SPD aus den 20er Jahren, ein Haushaltsplan der Stadt Peine von 1931 – und eben eine Original-Ausgabe des Jenaer Protokollbuchs.

„Wir fanden das damals interessant, haben die Kiste und ihren Inhalt aber irgendwann da oben vergessen“, erzählt Karl-Heinz Behme. Vor einigen Jahren sei er dann wieder beim Aufräumen über die Kiste gestolpert und habe Kontakt zum Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn hergestellt. Dorthin geschickt hat er das Protokollbuch aber nicht.

Historischer Fund in eine sozialdemokratischen Haushalt

Erst als Heiko Maas im Sommer zu einer Veranstaltung nach Peine kam, fasste sich Behme ein Herz und sprach den Bundesjustizminister an. Dieser gab das Anliegen an den Peiner Bundestagsabgeordneten Hubertus Heil weiter. Am Mittwoch hat Heil das Ehepaar Behme besucht und das Protokollbuch für das Archiv der sozialen Demokratie in Empfang genommen.

Dass Lieselotte und Karl-Heinz Behme den Wert des Buchs erkannt haben, dürfte auch daran liegen, dass sie selbst der SPD immer zugetan waren. „Ich habe die SPD immer gewählt“, sagt Lieselotte Behme. Ihr Mann war sogar eine ganze Zeit Mitglied. „1957 bin ich in Braunschweig eingetreten. Mein Vater hatte mich dazu ermuntert“, erzählt der 85-Jährige. Im Laufe der Zeit habe die Parteiarbeit dann für ihn an Bedeutung verloren, sodass er 1978 wieder ausgetreten sei. Sein altes Parteibuch hielt Behme trotzdem in Ehren.

Wiedereintritt in die SPD nach 38 Jahren

Der Besuch von Hubertus Heil hatte schließlich auch noch einen Nebeneffekt: Der Bundestagsabgeordnete konnte nicht nur das historische Protokollbuch in Empfang nehmen, sondern auch Karl-Heinz Behme zum Wiedereintritt in die SPD bewegen. „Morgen werde ich mich auf den Weg ins Egon-Bahr-Haus machen und das Formular ausfüllen“, verspricht er. Die Geschichte hat also durchaus Einfluss auf die Gegenwart.

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Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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