Wie ein Fragebogen hilft, SPD-Politik vor Ort neu zu gestalten
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Wer früher erfahren wollte, was vor Ort das Gesprächsthema Nummer eins ist, der ging in die Dorfkneipe. Der Stammtisch war einst ein recht gutes Stimmungsbarometer. Doch gilt das heute noch, wenn die Kneipe für viele nicht mehr erste Anlaufstelle ist, Diskussionen am Gartenzaun oder gleich ganz digital stattfinden? Dieser Frage wollten die Sozialdemokra*innen des Ortsvereins Deißlingen-Lauffen in Baden-Württemberg auf den Grund gehen.
„Bei den Veranstaltungen kommen immer dieselben, melden sich immer dieselben zu Wort“, meint Gerhard Stern, der Vizechef des Ortsvereins. Doch für die richtige Politik vor Ort wollten sie auch die Meinungen der anderen lesen: 500 Fragebögen haben die Genoss*innen per Zufallsprinzip verteilt. Beinahe jeder zehnte Haushalt in Deißlingen bekam so die Möglichkeit, schriftlich zu berichten, was sie ärgert oder freut.
Selbst die Kritik beeindruckt
Die Rücklaufquote: zehn Prozent. Ein Wert, der sich sehen lassen kann, ist Gerhard Stern überzeugt: „Vor allem waren wir beeindruckt, wie ausführlich und detailliert die Menschen sich mit den Fragen auseinandergesetzt haben.“ Selbst Kritik sei sachlich und fundiert geäußert worden. „Die Menschen haben sich sehr viel Mühe gemacht.“
So erfuhren die Sozialdemokrat*innen, dass die Befragten der öffentliche Nahverkehr ebenso umtreibt wie die Frage, was mehr Klimaschutz vor Ort ganz konkret bedeuten soll. Oder dass die Qualität der Kitas zwar gut bewertet wird, die von der SPD geforderte Gebührenfreiheit aber auch wichtig ist. „Viele vermissen offenbar auch eine bessere Informationspolitik der Verwaltung“, bilanziert Stern weiter.
Ergebnisse als Leitlinie für neue Inhalte
Dem wollen sie nun entgegenwirken – und gehen dafür auch wieder zurück an den Stammtisch. Sobald Treffen vor Ort wieder möglich sind, wollen sie Umweltschützer*innen einladen, auch Expert*innen zu anderen Themen aus der Umfrage sind gefragt. „Die Umfrageergebnisse sollen Leitlinie unserer Politik werden“, sagt Gerhard Stern.
Es ist auch eine Bestätigung der Deißlinger Sozialdemokrat*innen: Der Ort südlich von Rottweil hatte laut Stern in den vergangenen Jahren einen enormen Zustrom von Neubürger*innen. Bei der Wohnungspolitik haben Grüne, CDU und FDP aber vor allem Eigenheime für Familien im Kopf. „Konservative Wohnvorstellungen“, kritisiert Stern. Dass viele Menschen sich ebenso bezahlbare Mehrfamilienhäuser und einen guten Nahverkehr wünschen, geht dabei womöglich unter.
Bei Landtagswahl knapp am Erfolg vorbei
Bei der vergangenen Landtagswahl hat sich die Umfrageaktion auch bei den Wählerstimmen positiv bemerkbar gemacht. Auch wenn Kandidat Torsten Stumpf das Landtagsmandat bei der Wahl im März dennoch knapp verfehlte. „Es sind eben schwierige Wahlverhältnisse“, sagt Stern über die Region. Aber die Sozialdemokrat*innen sind in jeder der drei Ortschaften bei Rottweil vertreten: in Deißlingen, Lauffen und Wellendingen. In jedem stellt der SPD-Ortsverein eine Fraktion.
Der Ortsverein zieht auch noch aus einem anderen Grund eine positive Bilanz: Die 37 Genossinen und Genossen haben mit der Umfrage-Aktion mehrere Wochen für Aufsehen gesorgt, die Auswertung brachte die SPD ins Gespräch. Daran wollen die Genossen politisch anknüpfen – vielleicht auch mit einer weiteren, konkreteren Umfrage.
Die Auswertung der erste Blickpunkt-Umfrage ist auch öffentlich einsehbar.