Parteileben

Wie die SPD Sachsen Vertrauen am Küchentisch schafft

Seit gut drei Jahren tourt Martin Dulig mit seinem Küchentisch durch Sachsen. Der sächsische SPD-Chef lädt Menschen ein, ihre Fragen zu stellen und mit ihm zu diskutieren. Am Donnerstag in Dresden hatte er sich die europäische Spitzenkandidatin Katarina Barley als Verstärkung geholt.
von Kai Doering · 25. Januar 2019
Sachsens SPD-Chef Martin Dulig bei der 53. Station der Küchentisch-Tour am Donnerstag in Dresden.
Sachsens SPD-Chef Martin Dulig bei der 53. Station der Küchentisch-Tour am Donnerstag in Dresden.

Elke Altmann freut sich. Eigentlich wäre sie gern schon am 21. Januar gekommen als der Küchentisch der SPD Sachsen Station in Hoyerswerda machte. Von ihrem Wohnort Kamenz aus wäre das näher gewesen. Doch Altmann war verhindert. Dank eines Besuchs bei ihrer Tochter in Dresden kann sie nun drei Tage später aber doch noch ihre Fragen loswerden.

Aus Duligs Küche quer durch Sachsen

Mit rund 120 anderen Menschen sitzt Elke Altmann in einem Saal des „Dormero“-Hotels. Auf den Tischen liegen weiße Tischdecken und Kugelschreiber. Nur ein Tisch in der Mitte des Raumes sieht anders aus. Es ist der frühere Küchentisch von Martin Dulig. „Zehn Jahre stand er bei uns in der Küche“, erzählt der Vorsitzende der sächsischen SPD und stellvertretende Ministerpräsident zu Beginn. Noch immer seien Gabel-Einstiche seine Kinder und eine verbrannte Stelle, die ein abgestellter Topf hinterlassen habe, zu sehen.

Im Landtagswahlkampf 2014 ging der Tisch erstmals auf Reisen durch Sachsen. Auslöser war ein Interview, in dem Dulig gesagt hatte, seine besten Berater säßen bei ihm am Küchentisch. Nun wollte der damalige SPD-Spitzenkandidat nicht länger nur seiner Frau und seinen Kindern zuhören, sondern den Menschen in Sachsen. Nach der Wahl wurde der Küchentisch erstmal eingemottet, aber schnell wieder hervorgeholt. „Als 2015 bei uns im Land die Stimmung kippte, brauchte es vor allem Vertrauensarbeit“, erinnert sich Martin Dulig. „Der Küchentisch wurde wichtiger denn je.“

Wer etwas sagen will, setzt sich an den Tisch

Die Veranstaltung in Dresden am vergangenen Donnerstag ist die mittlerweile 53. – den Landtagswahlkampf 2014 nicht mitgerechnet. Bei der 50. Station in Moritzburg Ende November gab es eine Torte. An diesem Abend stehen Wasser und belegte Brote auf dem Tisch. Daran Platz genommen haben neben Dulig die Spitzenkandidatin der SPD für die Europawahl Katarina Barley und einer der beiden sächsischen Europakandidaten Matthias Ecke. Die übrigen vier Plätze bleiben frei – vorerst.

Moderatorin Sabine Friedel erklärt noch kurz die Regeln, die auch auf einer „Kommunikationsspeisekarte“ auf den Tischen ausliegen: Geredet wird nur am Küchentisch, Zwischenrufe sind verboten, jede Wortmeldung wird mit Respekt behandelt. Dann geht es los – und Elke Altmann, die Frau aus Kamenz, kann endlich ihre Frage stellen. Wie denn in Europa die Regionen gestärkt werden könnten, will sie wissen.

Ein Tisch, viele Themen

Eine Steilvorlage für Katarina Barley. „Wir müssen einen Link hinbekommen zwischen Europa und den Kommunen“, sagt die Spitzenkandidatin. Sie habe lange mit Gesine Schwan über deren Ideen eines europäischen Intregrations- und Entwicklungsfonds für Kommunen gesprochen. Hierin sieht Barley auch eine Möglichkeit, „Europa zurück zu den Menschen“ zu holen.

Danach geht es munter durch die verschiedensten Themen. Was die SPD tun wolle im Kampf gegen Armut und gegen Rechtsextremismus will ein Mann wissen, wie die Partei zur Privatisierung städtischer Kliniken stehen, ein anderer. Einen dritten treibt der Dieselskandal um und die damit verbundenen Fragen des Lobbyismus. Eine Frau, die hauptamtlich über Strategien gegen Rechtsextremismus aufklärt, kritisiert den Entwurf für das geplante sächsische Polizeigesetz.

Demokratie bedeutet Ausgleich

Barley, Dulig und Ecke schreiben mit und antworten für ihre jeweiligen Bereiche. „Der Diesel ist immer noch eine gute Technologie“, betont der sächsische SPD-Chef, auch wenn Betrüger natürlich zur Rechenschaft gezogen werden müssten. Auch das Polizeigesetz, das in Sachsen hohe Wellen schlägt, verteidigt er. Um ihre vielfältigen Aufgabe gut zu erfüllen, müsse die Polizei gut ausgestattet sein, auch wenn Dulig zugibt: „Eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten würde das Vertrauen der Menschen stärken.“

Schließlich wird er grundsätzlich. „Als Politiker sind wir immer für das große Ganze verantwortlich“, erinnert Martin Dulig. Deshalb sei es so wichtig, verschiedenen Meinungen zuzuhören und daraus einen Kompromiss zu formulieren. Der allerdings, so sagt es Katarina Barley, komme „zurzeit aus der Mode“ – ein Problem für Politik und Gesellschaft. „Die Demokratie lebt davon, dass es Menschen gibt, die einen Ausgleich suchen“, sagt Barley. Eigentlich kein großer Unterschied zum Küchentisch zuhause.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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