Wie die Aktion Beitragssolidarität der NRW-SPD Schule macht
Thomas Trutschel/photothek.net
Auf einer Tagung von SPD-Ortskassierern kam es heraus: Knapp ein Drittel der SPD-Mitglieder im Kreis entrichtet einen monatlichen Monatsbeitrag von weniger als fünf Euro. Das ist im Bundesdurchschnitt nicht anders, obwohl fünf Euro eigentlich der Mindestbeitrag ist. Ausgenommen sind Mitglieder „ohne Erwerbseinkommen, ohne Pensionen, ohne Renteneinkünfte oder ohne vergleichbare Einkommen“. Sie zahlen 2,50 Euro. So steht es im Organisationsstatut der SPD.
Wer zahlt 2,50 Euro?
Das Problem: 2,50 Euro zahlen auch viele, die ein Einkommen haben. Sie sind z.B. als Auszubildende, Schüler oder Studenten eingetreten, haben aber später ihre Beiträge nicht angepasst. Wie lassen sich Mitglieder dazu bringen, ihre Beiträge zu erhöhen: Eine gemeinsame Telefonaktion? Briefe schreiben? Beiträge erhöhen und sehen was passiert? Eine schwierige Entscheidung, vor der auch mein Ortsverein stand. Schließlich soll kein Mitglied verärgert werden.
Anruf bei Roland Radtke und Olaf Abdinghoff-Feldkemper. Beide haben viel Erfahrung mit dem Thema. Roland Radtke leitet das Servicecenter der NRW-SPD, ist für 120.000 Genossinnen und Genossen zuständig. Olaf Abdinghoff-Feldkemper ist Bezirksgeschäftsführer der SPD Weser-Ems mit heute 15.200 Mitgliedern. Weser-Ems führte 2010 eine Beitragssolidaritäts-Aktion durch, NRW 2011/12.
Aktion Beitragssolidarität
Um es gleich vorwegzunehmen: Eine solche Aktion funktioniert. In NRW stiegen die Beiträge im Durchschnitt um einen Euro pro Mitglied und Monat. Das sind 1,2 Millionen Euro im Jahr mehr für die Parteiarbeit. In Weser-Ems sank der Anteil der Beitragszahler unter fünf Euro von 27,5 Prozent im Jahr 2011 auf 16,9 Prozent. Die „soziale Komponente“ wurde dabei immer mit bedacht, so Abdinghoff-Feldkemper, „damit nicht Leute wegen zu hoher Beiträge aus der Partei gedrängt werden, die es nicht verdient haben“.
Das ist ein schmaler Grad, wie auch Radtke aus NRW weiß, der die „Aktion Beitragssolidarität“ der NRW-SPD zusammen mit Jochen Schmidt, Leiter Personal und Finanzen, maßgeblich organisiert hat. Sie begann mit einem Datenabgleich Anfang 2011, gefolgt von einer Funktionärskonferenz im Sommer, auf der das Thema diskutiert wurde und einem Brief an alle ehrenamtlich Verantwortlichen. Ziel der Aktion war es, möglichst viele Beiträge von unter fünf auf den Mindestbeitrag von fünf Euro anzuheben und die anderen um einen Euro.
Wer kann überhaupt mehr zahlen?
Die SPD weiß von ihren Mitgliedern, welche Beiträge sie zahlen, sie kennt das Alter und oft auch den Beruf. Mit dieser Grundlage arbeitete das Team: „Wir haben uns in Abstimmung mit den Kassierern alle, die unter fünf Euro zahlen angesehen, und überlegt, wer mehr zahlen könnte.“ Dazu gehörten:
- Schüler, Studenten und Auszubildende über 27, weil sie vermutlich ihre Ausbildung beendet haben.
- Mitglieder mit einem eingetragenen Beruf, die angestellt sind oder selbstständig, weil bei ihnen davon ausgegangen werden kann, dass sie ein Erwerbseinkommen haben.
Nicht angeschrieben wurden:
- Wer als Beruf Hausfrau, Hausmann eingetragen hatte oder erwerbslos.
- Rentner und Pensionäre, wenn sie über 75 Jahre alt waren.
90.000 Mitglieder angeschrieben
Wichtig war die Kommunikation mit den Ortsvereinsvorsitzenden und Kassierern vor Ort, denn sie kennen die Mitglieder und wissen genauer als die Geschäftsstelle, wem eine Beitragserhöhung zuzumuten ist und wem nicht. „Trotzdem war nicht jeder Ortsvorsitzende begeistert von der Aktion“, so Radtke. Am Ende wurden 90.000 Mitglieder angeschrieben. Wer nicht widersprach, per Fax, Telefon oder Brief, dessen Beiträge wurden erhöht. Dies traf auf mehr als 70.000 Mitglieder zu.
Was folgte war eine Phase „intensiver Diskussionen“ mit den Mitgliedern, wie Radtke es nennt. Es gab Widersprüche, aber auch viele positive Reaktionen und Mitglieder, die freiwillig ihre Beiträge um mehr als einen Euro erhöhten. Austritte gab es, aber im Verhältnis wenige. Es hätten noch weniger sein können, wäre der Zeitpunkt günstiger gewählt worden. „Wahlkämpfe sind Eintrittsphasen. Quartalsabbuchungen und die Zustellung der Beitragsquittung sind Austrittszeiten“, weiß Radtke. Genau in die Zustellung der Beitragsquittung fiel jedoch die Beitragserhöhung. Ein Fehler, von dem andere lernen können. Und noch eine Erkenntnis ergibt sich aus den Aktionen. „Jeder OV sollte versuchen, Eintritte mit 2,50 Euro zu verhindern, wenn erkennbar ein Erwerbseinkommen vorliegt. Die 2,50 Euro monatlich sind eine Ausnahmebeitragsstufe für Menschen ohne Erwerbs- oder vergleichbares Einkommen“, sagt Roland Radtke.
Warum die viele Mühe?
„Die SPD ist eine Solidar- und Wertegemeinschaft, die nur funktionieren kann, wenn jeder seinen Beitrag zahlt, zu dem er in der Lage ist“, so Radtke. Wenn jemand arbeitslos wird und seinen Beitrag reduzieren will, sei das absolut OK. „Aber wir sagen dann immer: Melde dich, wenn du wieder Arbeit hast.“
Die SPD ist wie keine andere Partei abhängig von den Zuwendungen und Beiträgen ihrer Mitglieder. „Wenn viele wenig bezahlen, hat das deutlich größere Auswirkungen, als wenn wenige viel bezahlen“, warnt Olaf Abdinghoff-Feldkemper. Dank der Beitragserhöhungen habe man 2015 in Weser-Ems sogar zwei neue Mitarbeiter zur Betreuung der 300 Ortsvereine einstellen können. In NRW gilt der Beschluss, nur so viel für Personal auszugeben, wie an Beitragseinnahmen erzielt wird. „Wenn wir unsere organisationspolitische Stärke halten wollen, müssen wir eine stabile finanzielle Grundlage haben.“
Übrigens unterscheiden sich die durchschnittlichen Monatsbeiträge in den Landesverbänden und Bezirken stark. „Die Spanne reicht von Mecklenburg-Vorpommern mit 13,87 Euro bis zum Saarland mit 6,30 Euro. Für die Gesamtpartei beträgt er 9,09 Euro", laut Schatzmeisterei in Berlin.
Zurück zum Anfang: Bei uns im Ortsverein Tornesch haben alle Mitglieder einen Brief erhalten, die Autorin dieses Beitrags eingeschlossen, in dem stand: „Wir werden den Mindestbeitrag ab 01.04. auf fünf Euro erhöhen, allerdings mit der Möglichkeit, dem widersprechen zu können. Wer also die Erhöhung nicht akzeptiert oder dazu finanziell nicht in der Lage ist, den oder die bitte ich um eine kurze Benachrichtigung per Telefon oder Mail.“ Ausgetreten ist deshalb bislang niemand.