Parteileben

Was sich junge SPD-Frauen von ihrer Partei wünschen

Die Partei müsse jünger und weiblicher werden, heißt es regelmäßig in der SPD. Doch was wollen junge SPD-Frauen eigentlich? Wir haben sie nach ihren Wünschen für die SPD gefragt.
von Jonas Jordan · 18. Juni 2019
Jessica Rosenthal
Jessica Rosenthal

Neun ehemalige, männliche SPD-Vorsitzende sprechen sich in einem gemeinsamen Aufruf dafür aus, die kommissarische Partei- und Fraktionsführung bei der Neuaufstellung zu unterstützen. Statt alter Männer haben wir junge Frauen gefragt, die sich in der SPD engagieren. Was sind ihre Vorstellungen davon, wie die Partei sich verändern muss, um wieder erfolgreich zu sein? 

Luisa Boos (34) war von 2016 bis 2018 Generalsekretärin der SPD in Baden-Württemberg. Sie hat in diesem Jahr fürs Europaparlament kandidiert.

„Die SPD braucht: Mitglieder, die die Adrenalinspritze in das verzagte Herz der Sozialdemokratie sein wollen. Einen radikalen Veränderungswillen, inhaltlich wie strukturell. Schluss mit Resignation, Angst oder Zynismus – Zeit für Leute, die selbstbewusst und mit neuen Ideen die SPD in die Zukunft führen.“

Lilly Blaudszun (18) ist stellvertretende Juso-Vorsitzende in Mecklenburg-Vorpommern und Bundeskoordinatorin der Juso-SchülerInnen und Azubis. Auf Instagram wirbt sie erfolgreich mit SPD-Inhalten. Dort hat sie knapp 6.000 Follower.

Ich möchte, dass die SPD wieder klarer wird. Dass sie einerseits in ihren Positionen sichtbar ist, aber auch den Diskurs nicht fürchtet. Wir müssen unsere Werte selbstbewusst vertreten und verteidigen.“

Sophie Koch (26) ist Jugendkandidatin der sächsischen SPD. Auf der Liste zur Landtagswahl im September steht sie auf Platz 15. Außerdem ist Koch Vorsitzende der Jusos Dresden.

Was ich mir wünsche, ist, dass jetzt neue, auch junge Gesichter in Diskussionen, Ämtern und Mandaten ernst genommen werden! Außerdem möchte ich, dass wir konstruktiv darüber streiten, wie wir zu unseren Grundwerten Freiheit, Gleichheit, Solidarität zurückkehren. Ich bezweifle nach wie vor, dass das in einer GroKo geht.“

Sally Lisa Starken (28) ist stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD-Frauen (AsF). Im Mai hat sie in ihrer Heimat Ostwestfalen zur Europawahl kandidiert

Die Gesellschaft ist so politisch wie lange nicht mehr. Unsere Partei muss genau das als Chance sehen und jetzt zeigen, dass sie bei einer neuen politischen Kultur mitmischen kann durch mehr Partizipation in der Partei und mehr Offenheit für neue Ideen auch aus der Gesellschaft. Grundlegend dabei ist für mich, dass sich die Genoss*innen nicht nach ihrem eigenen machtpolitischen Interesse verhalten, sondern gemeinsam solidarisch nach vorn gehen, Mut für neue Schritte wie die Doppelspitze zeigen und alte Zöpfe endlich abschneiden.“

Michelle Rauschkolb (26) ist Vizepräsidentin der Young European Socialists (YES).

„Auf den Straßen – sei es bei der Seebrücke, bei Fridays for Future oder dem Frauenstreik – sehen wir, dass Menschen eine radikale Transformation des status quo einfordern und sich nicht mit den Reformen und den Kompromissen, die wir als Sozialdemokratie aktuell in der Groko mittragen, zufrieden geben. Wenn wir deren Vertrauen gewinnen wollen, müssen wir uns den Zukunftsthemen wie der sozial-ökologische Wende endlich annehmen, zeigen, dass wir diese Sehnsucht, uns der Profitmaximierungslogik zu widersetzen, nicht verlernt haben und uns personell diverser aufstellen, so dass wir die Gesellschaft abbilden, wie sie ist, mit Migrationshintergrund, weiblich, jung. Was uns zudem fehlt, ist ein radikaler Internationalismus, der sich nicht damit begnügt, nationalstaatliche Interessen zu koordinieren, sondern der sich zum Ziel setzt, die neoliberale Globalisierung ökologisch nachhaltig und sozial gerecht zu gestalten.

Tatiana Herda Muñoz (33) ist seit dem 16. Juni neue Ortsvorsteherin im Mainzer Stadtteil Hechtsheim.

Wir brauchen wieder eine Rückbesinnung auf unser scharfes Wertegerüst, übertragen auf die heutige Zeit. Dieses muss auch in unseren politischen Entscheidungen auf allen Ebenen durch authentische Persönlichkeiten umgesetzt werden. Dies impliziert ehrliche Reflexion, Empathiefähigkeit, aktives Zuhören und echte parteiinterne Teilhabemöglichkeiten, weg von Machterhalt und interner Cliquen.“

Jessica Rosenthal (26) ist Landesvorsitzende der Jusos in Nordrhein-Westfalen.

„Ein Comeback der SPD kann nur gelingen, wenn wir politische Antworten auf die eklatante soziale Ungleichheit und den dringlichen Kampf gegen den Klimawandel zusammenbringen. Ich wünsche mir von der SPD, dass wir mutige Zukunftsentscheidungen nicht länger umgehen, sondern sie auf dem kommenden Parteitag treffen. Diese Entscheidungen müssen anschließend von neuen Personen vertreten werden, die glaubhaft ein Comeback verkörpern können und somit Teil der Lösung  sind – und nicht wie viele etablierte GenossInnen, die mit ihrem Festhalten an der Agenda-Politik Teil des Problems sind.“

Annika Klose (26) ist seit 2015 Landesvorsitzende der Jusos Berlin. Sie hat im Mai für das Europäische Parlament kandidiert.

„Die SPD braucht eine aktuelle Gesellschaftsanalyse und Antworten auf die Widersprüche, die von einem globalisierten Kapitalismus, dem Wandel der Arbeitswelt und der Klimaerwärmung ausgelöst werden. Wir brauchen den Mut, für einen grundlegenden sozial-ökologischen Wandel und die Demokratisierung unserer Gesellschaft einzutreten und dafür klar Positionen zu beziehen. Dazu wünsche ich mir Personal, welches diesen Aufbruch verkörpert sowie eine aktive Parteimitgliedschaft, welche für das Handeln von Parteiführung und Regierung maßgeblich ist.

Tannaz Falaknaz (29) ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) in Berlin-Pankow. Dort ist sie außerdem gleichstellungs- und queerpolitische Sprecherin.

„Die Lösung der Sozialdemokratie liegt in ihren Wurzeln, in ihrer Gründungsidee, der Selbstmotivation jedes Einzelnen beim Ausfüllen der Mitgliedschaft. Die Summe dieser vielen Gründe und Aspekte stärker zu betonen und auch politisch auszuleben ist unsere Pflicht und gleichzeitig unser Hoffnungsschimmer. Die Lösung ist die Konzentration auf die Beweggründe aller Mitglieder und das daraus resultierende Handeln der Partei als notwendige Konsequenz.“

Delara Burkhardt (26) ist Europaabgeordnete und stellvertretende Juso-Bundesvorsitzende

„Schluss mit dem Klein-Klein und der Angst vor Veränderung. Was wir brauchen und was ich will, ist eine Sozialdemokratie, die Lust auf Zukunft macht. Die sich klar zu einer ökologischen Wende bekennt und dafür sorgt, dass sie für alle Menschen Perspektiven und Sicherheit schafft. Eine Partei, die umverteilt und dafür sorgt, dass diejenigen, die am meisten haben, ihren gerechten Teil zurückgeben. Eine SPD, die die Chancen der Digitalisierung sieht und in Zukunft investiert. Eine SPD, die über ihren Tellerrand schaut und global Verbündete für Veränderungen sucht. Für diese Politik brauchen wir progressive Mehrheiten. Dafür kämpfe ich jeden Tag!“

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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