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Warum gesellschaftliche Vielfalt für mehr Zusammenhalt sorgt

Am Sonntag lädt die SPD zu einem Zukunftskongress nach Berlin ein. Das Thema Einwanderung wird dort eine wichtige Rolle spielen. Deutschland muss ein Land der Aufstiege sein, fordert der Bundesvorsitzende der AG Migration und Vielfalt, Aziz Bozkurt.
von Aziz Bozkurt · 26. Oktober 2016
Integration durch Schule und Beruf: Darauf setzt das neue Integrationsgesetz
Integration durch Schule und Beruf: Darauf setzt das neue Integrationsgesetz

Für Heinz Buschkowsky symbolisiert das rasante Aussterben der Currywurst-Buden das veränderte Gesicht seines Neuköllns, ja Deutschlands. Für den früheren Bezirksbürgermeister war und ist es ein Schmerz – auch wenn die Currywurst-Buden-Dichte objektiv betrachtet noch recht hoch ist. Für andere sind der Bezirk und seine wachsende kulinarische Vielfalt ein Anziehungspunkt.

Die Sozialdemokratie steht auf der Seite derjenigen, die die Chancen im Wandel der Gesellschaft sehen, ohne die Augen vor Herausforderungen zu verschließen. Dass Deutschlands Gesicht sich weiter wandeln wird, steht außer Frage. Vielleicht wird 2030 mehr als jeder Zweite einen familiären Bezug ins Ausland haben. Denn heute schon machen Kinder aus Einwandererfamilien knapp 36 Prozent der Bevölkerung unter zehn Jahren aus und die Zahl der binationalen Ehen steigt ständig.

Migration: Ganzheitliches Einwanderungsgesetz

Am Wochenende wird die SPD auf ihrem Zukunftskongress auch nach Antworten für unsere Einwanderungsgesellschaft suchen. Die SPD kann mit einer stringenten inhaltlichen Richtschnur das Land zusammenführen und das Fundament unseres weltoffenen und jedem die gleichen Chancen bietendes Land ausbauen. Dabei wird Stückwerk, so gut die einzelnen Maßnahmen auch sein mögen, nicht weiterhelfen. Es bedarf einer Erzählung mit roter Linie, das mit den folgenden Kernforderungen eine Grundlage unseres Politikangebotes unter dem Motto „Zusammenhalt in Vielfalt“ bilden sollte.

Deutschland braucht ein ganzheitliches Einwanderungsgesetz, das Transparenz in die Einwanderungspfade bringt und alle Migrationswege zusammen im Blick behält. Einwanderung muss jenseits des Nutzenaspekts gedacht werden. Neben der Arbeitsmigration muss auch legale Einwanderung mit festen Kontingenten eingeplant werden. Einwanderung darf dabei jedoch nicht als Prozess verstanden werden, welcher an der Grenze endet. Ganzheitlich wird das Konzept, wenn auch die Entwicklung und die Interessen der Herkunftsländer Berücksichtigung finden.

Zugehörigkeit: Reform des Staatsangehörigkeitsrechtes

Das Staatsangehörigkeitsrecht wurde von Rot-Grün modernisiert. Das ist fast 20 Jahre her und die Reformvorhaben konnten durch die Blockadehaltung der Union nicht vollständig durchgesetzt werden. Die generelle Hinnahme der Mehrstaatigkeit ist weiterhin das Ziel. Auch aus Gerechtigkeitsaspekten für die erste Generation der Einwanderer. Jedoch muss eine Reform weiter gehen und deutlich machen, dass wir unsere Arme für neue Mitglieder unserer Gesellschaft weit geöffnet haben. Weniger Hürden bei der Erlangung der Staatsangehörigkeit und ein schnelleres Anrecht auf dieses sind ein Muss. Wieso darf man nicht nach drei Jahren die Staatsangehörigkeit beantragen, wenn man hier lebt und zum Wohlstand des Landes beiträgt?

Interkulturelle Öffnung schmückt oft die Papiere von Schaufensterveranstaltungen. Wir wollen ein Partizipationsgesetz nach Vorbild der Teilhabe- und Integrationsgesetze in den Bundesländern Berlin, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Interkulturelle Öffnung muss gesetzlich verankert und Zielvorgaben festgeschrieben werden.

Sozialer Aufstieg: Antidiskriminierungsgesetz für Fortgeschrittene

Deutschland muss ein Land der Aufstiege sein. Heute werden Aufstiege zu häufig durch Diskriminierung behindert. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist zahnlos und bedarf einer gründlichen Reform. Wichtige Aspekte müssen unter anderem die Stärkung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes und ein Verbandsklagerecht sein. Das Verbandsklagerecht ist wichtig, damit wir einen Mentalitätswandel zur Stellung der Antidiskriminierungspolitik hinbekommen. Denn damit können extreme Diskriminierungsfälle durch Verbände in die Öffentlichkeit getragen werden.

Es ist Zeit für ein „Integrationsministerium“. Dabei darf die Strukturfrage nicht beim Namen auf dem Eingangsschild stehen bleiben. Ein solches Ministerium muss auch um Zuständigkeiten aus dem Innenressort erweitert werden. Denkbar ist ein Modell nach dem Vorbild Dänemarks, wo unter anderem Ausländerrecht, Arbeitsmarktintegration oder De-Radikalisierungsprogramme in solch einem Ministerium angesiedelt sind.

Mit diesen 4+1 Forderungen kann die SPD ein schlüssiges Konzept für die Einwanderungsgesellschaft präsentieren und die Vorreiterrolle in der Wählerbasis für ein weltoffenes Deutschland behaupten.

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Aziz Bozkurt

ist Bundesvorsitzender der AG Migration und Vielfalt der SPD.

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