Parteileben

Vollversorgung ohne Atomkraft

von Karsten Wiedemann · 31. März 2009
placeholder

Die deutsche Energiezukunft ist überwiegend grün und kernkraftfrei. Im Jahr 2022 geht der letzte deutsche Atomreaktor vom Netz, zu diesem Zeitpunkt stammen bereits 30 Prozent des verbrauchten Stroms aus regenerativen Energiequellen wie Solar- oder Windkraft. Transportiert wird der Strom über ein modernes Übertragungsnetz, welches anteilig dem Bund und privaten Kapitalgebern und nicht mehr den Energieversorgern gehört. Strom- und Wärmeverbrauch sind dank Gebäudesa­nierung, sparsamen Elektrogeräten und Energiemanagement um 11 beziehungsweise 25 Prozent gesunken.

Dieses Szenario ist noch Zukunftsmusik, soll aber nach dem Willen des Bundesumweltministeriums (BMU) spätestens in zehn Jahren Wirklichkeit werden. So steht es in der "Roadmap Energiepolitik 2020" des Ministeriums. Mit dem Papier will das Ministerium die Weichen stellen für die zentralen energiepoltischen Herausforderung der kommenden Jahre: "Wir zeigen damit, wie wir Klimaschutz, Versorgungssicherheit und bezahlbare Energiepreise zusammenbringen, sagt Umweltstaatssekretär Matthias Machnig. Zentrale Elemente der Strategie sind ein Ausbau der KraftWärme-Kopplung bei Kohlekraftwerken, ein Ausbau der Energieeffizienz und vor allem ein deutlicher Zuwachs bei den Erneuerbaren Energien. Die befinden sich ja bekanntlich spätestens seit Einführung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) auf dem Vormarsch.


Erzeugung von Solarstrom immer billiger

Wie schnell sich ihr Anteil (derzeit rund 15 Prozent am Stromverbrauch) steigern lässt, hängt von verschiedenen Faktoren ab, etwa einem Ausbau des Stromnetzes sowie Kostensenkungen bei der Produktion von Solarzellen. Holger Krawinkel, Energieexperte der Verbraucherzentrale Bundesverband, geht aber davon aus, dass die Erneuerbaren Energien noch schneller wachsen, als vom BMU prognostiziert.

"Vor allem Solarstrom erlebt derzeit eine rapide Kostensenkung. Der Steckdosenpreis dürfte in Kürze erreichbar sein, was zu einem noch stärkeren Wachstum führen wird", so Krawinkel. Der Steckdosenpreis ("Grid Parity") ist erreicht, wenn der Solar-Strom vom Dach zum selben Preis angeboten werden kann, wie der Strom aus der Steckdose. Für den Endverbraucher könnte es billiger werden, wenn die im EEG geregelten Einspeisevergütungen sinken. "Ansonsten wird es für die Verbraucher unnötig teuer und der Ausbau darüber hinaus verlangsamt", sagt Holger Krawinkel.


Nach Ansicht des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE) könnten Wind- oder Sonnenenergie im Jahr 2020 bereits 47 Prozent des Stromverbrauchs decken. Dafür muss es aber beim Atomausstieg bleiben. "Das Festhalten am Atomausstieg ist Voraussetzung dafür, dass sich die Erneuerbaren weiterentwickeln können," sagt BEE-Geschäftsführer Björn Klusmann. Der Verband spricht sich zudem für den Bau von flexibleren Kraftwerkseinheiten aus, die das schwankende Angebot von Wind und Sonne besser ergänzen könnten als bestehende Großkraftwerke. "Außerdem müssen Ausbau und Weiterentwicklung von Stromspeichern vorangetrieben werden", so BEE-Geschäftsführer Klusmann.


Biogas auf dem dritten Platz

Einen zunehmenden Beitrag zum Energieangebot kann auch die Bioenergie leisten. Bereits heute wird in knapp 4000 Biogasanlagen in Deutschland Strom erzeugt. "Biogas für sich alleine betrachtet belegt hinter Wind- und Wasserkraft mit 10 Terawattstunden im Jahr 2008 den dritten Platz", betont Sebastian Olzem vom Fachverband Biogas. Damit erzeugen die Biogasanlagen bereits soviel Strom wie ein Atomkraftwerk.

Biogasanlagen haben den Vorteil, dass sie nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung funktionieren. Die bei der Verstromung entstehende Wärme geht nicht verloren, sondern kann als Heizenergie zum Beispiel an Wohnhäuser, Ställe, oder öffentliche Einrichtungen in der Umgebung abgegeben werden. Eine noch untergeordnete Rolle spielt die Einspeisung von Biogas ins Ergasnetz. "Derzeit werden in Deutschland 13 Biogaseinspeiseanlagen betrieben", sagt Olzem.

Verkehr soll sauberer werden

Großen Handlungsbedarf in Sachen Effizienz und Emissionsabbau gibt es noch beim Verkehr. Das BMU setzt hier vor allem auf technische Innovation, die Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene und den Einsatz von Biokraftstoffen. Die im Verkehr entstehenden Treibhausgase sollen so um 20 Prozent sinken.

"Jeder Liter Bioethanol oder Biodiesel verursacht circa 50 Prozent weniger CO2 als herkömmlicher Kraftstoff. Anteile von 10 Prozent Bioethanol und 7 Prozent Biodiesel am Gesamtverbrauch senken somit die Emissionen im deutschen Straßenverkehr um 5,8 Millionen Tonnen pro Jahr", sagt Dietrich Klein vom Bundesverband der Deutschen Bioethanolwirtschaft (BDBe).

Mittelfristig seien sogar noch höhere CO2-Reduktionen möglich. Voraussetzung dafür sind allerdings stabile In­vestitionsbedingungen. "Die vorgeschla­gene Senkung der Biokraftstoffquoten würde einen Absatzeinbruch von bis zu 20 Prozent in den nächsten Jahren bedeuten", sagt Klein. Die weitere Entwicklung der Bioethanolwirtschaft würde empfindlich getroffen. Die Firma Biopetroil im brandenburgischen Schwarzheide hat bereits Kurzarbeit für die Belegschaft verhängt. Grund: Schlechte Rahmenbedingungen.

Weitere Infos unddie "Road Map" als Download: www.bmu.de

Autor*in
Karsten Wiedemann

Redakteur bei vorwaerts.de bis September 2009, jetzt Redakteur bei Neue Energie, dem Magazin des Bundesverbands für Windenergie

0 Kommentare
Noch keine Kommentare