Das Motto: "Ohne Gleichstellung keinen Fortschritt". Der Gastgeber: SPD-Parteivorstand und Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF). Die Gäste: Mehr Frauen als Männer, darunter führende Politikerinnen, Vorsitzende von Frauenverbänden und Wissenschaftlerinnen.
Kein Nebenwiderspruch der Geschichte
"Das 100. Jubiläum sollte uns nicht glauben machen, dass dieser Tag ein Tag der Frauensolidarität sei", beginnt die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Jutta Limbach, ihren historischen Rückblick zum Jubiläum. Ist der Frauentag ein Feiertag für Frauen oder eine Leerstelle, die von unterschiedlichen Gruppen gefüllt wird?, fragt sie. Die sozialistische Frauenbewegung kämpfte für andere Inhalte als die bürgerliche. Die Kommunisten erklärten den Kampf der Proletarierin zum Nebenwiderspruch der Geschichte. Limbach folgert: "Frauenbewegungen waren immer in allen gesellschaftlichen Gruppen präsent mit widerstreitender Loyalität".
Die wechselvolle deutsche Geschichte habe diese Gegensätze unter Frauen zu Tage treten lassen. 1933 schlug der letzte Versuch, gemeinsam gegen Nationalsozialismus und Krieg zu kämpfen, fehl. Bis 1945 hieß es Muttertag statt Frauentag. Mit der deutschen Teilung nach '45 teilten sich auch die Frauen. Und war die Berufstätigkeit in der DDR auch bemerkenswert hoch, die Vollendung der Emanzipation war damit keinesfalls erreicht. Politisch spielten Frauen keine Rolle. Erst die Wiedervereinigung brachte ein Comeback des Frauentages.
Wo ist das weibliche Führungspersonal?
Der Gleichstellungsbericht bestätige sozialdemokratische Positionen, sagt Limbach. Die Forderung von Quote und Mindestlohn, die Änderung des Ehegattensplittings seien der richtige Weg. "Doch wo ist das weibliche Führungspersonal?", fragt sie. Manuela Schwesig sei ein Schritt in die richtige Richtung doch das Beispiel Gesine Schwan zeige: Gerne schicke man Frauen in aussichtlose Wahlkämpfe und "hofft auf ihre anerzogene Enttäuschungsfestigkeit."
"Doch so schnell stellt man uns sozialdemokratische Frauen nicht zufrieden", ist sie überzeugt. Der Vorwand, dass etwas nicht durchsetzbar sei, "sollte nicht unseren Eifer dämpfen", fügt sie hinzu: "Wer die Welt im Geiste der Menschenrechte verändern will, muss tiefer träumen und wacher handeln."
Rush Hour des Lebens entschleunigen
SPD-Parteichef Sigmar Gabriel nimmt Limbachs Kritik auf. Er fordert das Aufheben der Trennung zwischen Arbeit und Leben. Nur so sei echte Partnerschaft zu erreichen. "Arbeitszeitmodelle wie Arbeitszeitkonten gehören auf die Tagesordnung der Politik und der Gerwerkschaften", sagt Gabriel. Er will damit die "Rush Hour des Lebens zwischen 20 und 40 entschleunigen".
Lesermeinungen aus der Märzausgabe des vorwärts zitierend, fordert Gabriel noch in diesem Jahrzehnt aus der "formalen Gleichstellung eine tatsächliche" zu machen. Mit Hoffen auf Einsichten sei es dabei nicht getan, weiß Gabriel und sagt: "Wir haben in unserer Regierungszeit den Kampf um Zumutungen für die Wirtschaft nicht geführt, doch wir dürfen uns vor der Sanktionsdebatte nicht scheuen."
Frauen sichtbarer machen
Eine Hannelore Kraft reiche nicht, Politik muss die Alltagsrealität widerspiegeln, so Gabriel. Der SPD fehle die gesellschaftliche Bandbreite, denn Frauen unter 50 seien in der Partei wenig engagiert. Gewerkschaften und Sozialdemokratie seien gefordert, einen Blick auf die Arbeitsrealität von Frauen zu werfen: Verkäuferinnen, Reinigungskräfte und Ungelernte - die klassischen Frauenberufe - "wir brauchen ein Entgeldgleichheitsgesetz", sagt Gabriel, denn "der Schritt von der Theorie in die Praxis muss endlich vollzogen werden."
Drei Wünsche frei hat ASF-Vorsitzende Elke Ferner in der abschließenden Diskussion. Sie wünscht sich "gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit", ein Gleichstellungsgesetz für Wirtschaft und Wissenschaft und "dass wir Frauen auch über den Tellerrand gucken", sagt sie.
Barbara Streidl, Mitbegründerin des feministischen Webblogs "Mädchenmannschaft", will einen alten Zopf unbedingt abschneiden: Zu glauben, dass Feminismus überholt sei. Im Gegenteil, sagt Streibl: "Die Idee ist aktuell und wichtig."
Und auf die Frage, wie lange es wohl dauern wird, bis die Quote für Aufsichtsräte und Vorstände endlich gesetzlich verankert sein wird, antwortet Sineb El Masrar, Autorin des Buches "Muslim Girls": "Ich hoffe, es dauert nicht länger als drei Jahre." Dafür gibt's jubelnden Beifall.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.