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Ticker zum SPD-Parteitag: Delegierte positionieren sich zu Militärausgaben

Beim Bundesparteitag diskutierten die Delegierten über die Erneuerung der SPD und ihre Position zu aktuellen Themen. Dabei ging es am Samstagabend um das Thema Verteidigung. Dies und weiteres in unserem Ticker

von Die Redaktion · 28. Juni 2025
Delegierte heben ihre Stimmkarten bei einer Abstimmung.

Delegierte heben ihre Stimmkarten bei einer Abstimmung.

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SPD setzt bei Wehrpflicht weiter auf Freiwilligkeit

Der Parteitag hat in der Streitfrage der Wehrpflicht eine Lösung gefunden. Demnach setzt die SPD weiter auf Freiwilligkeit statt auf eine Verpflichtung junger Menschen zum Wehrdienst. Vor dem Parteitag hatten zum einen Forderungen aus der CDU/CSU zu einer Reaktivierung der 2011 ausgesetzten Wehrpflicht für Furore gesorgt. Zum anderen hatte sich Verteidigungsminister Boris Pistorius dafür ausgesprochen, einen Mechanismus für eine mögliche spätere Pflichtlösung bereits in den aktuellen Gesetzentwurf für eine freiwillige Wehrpflicht aufzunehmen, der in seinem Ministerium zurzeit erarbeitet wird.

Dagegen regte sich deutlicher Widerstand der Jusos, die mit einem Initiativantrag Pistorius‘ Pläne stoppen wollten. Am Rande des Parteitags einigten sich der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer und Pistorius jedoch auf einen Kompromiss. Darin heißt es: „Wir wollen keine aktivierbare gesetzliche Möglichkeit zur Heranziehung Wehrpflichtiger, bevor nicht alle Maßnahmen zur freiwilligen Steigerung ausgeschöpft sind. Maßnahmen zur Musterung, Erfassung und Wehrüberwachung wehrpflichtiger junger Männer wollen wir ermöglichen.“

„Wir setzen auf Freiwilligkeit und wollen nicht wie andere Parteien einfach wieder die alte Wehrpflicht einführen“, stellte Türmer den Antrag den Delegierten vor. „Damit wollen wir ein klares Zeichen setzen, dass wir jungen Menschen vertrauen“, so der Juso-Vorsitzende. 

Pistorius argumentiert für Fünf-Prozent-Ziel

Die Delegierten beim SPD-Bundesparteitag haben mehrheitlich einen Antrag abgelehnt, der sich gegen das Fünf-Prozent-Ziel für Verteidigungsausgaben der NATO positionierte. Damit folgt die Partei inhaltlich dem Vorhaben, die Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit spätestens ab 2035 auf jährlich fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu erhöhen. Darauf haben sich die Nato-Mitgliedsstaaten jüngst geeinigt.

Nach mehreren Redebeiträgen gegen die erhöhten Verteidigungsausgaben hatte auch der Verteidigungsminister das Wort ergriffen. „Ich will zur Aufklärung beitragen“, sagte er. „Wir reden über notwendige Verteidigungsausgaben, nicht über Willkür.“ Pistorius erinnerte, die Ausgaben von fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes teilten sich auf in 3,5 Prozent für Militär und 1,5 Prozent für verteidigungsrelevante Infrastruktur. Es gehe also auch um die Verteidigung der Zivilbevölkerung, betonte er. „Wir werden uns auch weiter über Diplomatie und Abrüstung unterhalten, das bleibt der Kernauftrag“, versicherte er.

Angeregte Debatte zur Verteidigung

Zu Beginn der Debatte hatte Nina Scheer, Sprecherin für Umwelt- und Klimaschutz der SPD-Bundestagsfraktion, gewarnt, dass bei erhöhten Verteidigungsausgaben keine Investitionen gegen den Klimawandel auf der Strecke blieben dürften. „Das ist ein Boomerang für die sicherheitspolitische Lage“, sagte sie. 

Lothar Binding, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft 60plus, erinnerte, das geforderten Fünf-Prozent-Ziel würde der Hälfte des Bundeshaushalts entsprechen. Es sei nicht logisch, die Reaktion auf eine sicherheitspolitische Bedrohung an der nationalen Wirtschaftskraft auszurichten. „Ich möchte gerne von Leuten verteidigt werden, die logisch denken“, ermahnte Binding. „Wer die verteidigungsnotwendigen Ausgaben am BIP orientiert, ruiniert systematisch den Bundeshaushalt.“

Parteitag fordert Einhaltung des Völkerrechts in Nahost

Bei einer Gegenstimme hat der SPD-Parteitag einen Antrag beschlossen, der die Taten der Hamas verurteilt und gleichzeitig Israel auffordert, das Völkerrecht zu wahren. „Für uns ist klar, dass Israel das Recht auf Selbstverteidigung hat. Das geht aber mit der Verantwortung einher, selbst das Völkerrecht zu achten“, heißt es in dem Beschluss. Israel wird darin aufgefordert, „Annexionen, Vertreibungen und völkerrechtswidrigen Siedlungsbau im Westjordanland und in Ost-Jerusalem“ zu beenden. Bei seinem Vorgehen gegen die Hamas müsse Israel die Verhältnismäßigkeit wahren. „Diese Verhältnismäßigkeit ist nicht mehr gegeben.“

In ihrem Beschluss stellt der Parteitag auch klar: „Die Hamas darf nie wieder eine Bedrohung für Israel darstellen und die palästinensische Zivilbevölkerung unterjochen.“ Die Terrororganisation müsse zudem „alle Geiseln bedingungslos freilassen und ihre Angriffe auf Israel dauerhaft einstellen“. Vorangegangen war eine engagierte Debatte. Die Bundestagsabgeordnete Derya Türk-Nachbaur kritisierte, die SPD habe angesichts des Sterbens in Gaza zu lange mit einer angemessenen Reaktion gezögert. „Während in Gaza Menschen sterben, haben wir als SPD vielleicht zu lange um Worte gerungen“, sagt sie. „Wir haben zu lange gezögert, das auszusprechen, was für uns eigentlich Selbstverständlichkeit ist: Das Völkerrecht gilt überall.“ Israel habe das Recht, sich selbst zu verteidigen, aber Selbstverteidigung habe Grenzen. „Und diese Grenze heißt Völkerrecht. Die Gleichzeitigkeit der Empathie ist möglich.“

Europa vereint statt getrennt

Beim SPD-Bundesparteitag ging es auch um die Zukunft von Europa. „Wir brauchen keine Binnengrenzkontrollen und keine Binnengrenzschließungen“, sagte René Repasi, Vorsitzender der Europa-SPD, angesichts der Grenzkontrollen auf Anordnung von CSU-Bundesinnenminister Alexander Dobrindt. Repasi nutzte seine Rede, um für ein gemeinsames Bündnis für die Vereinigten Staaten von Europa zu werben, das den europäischen Einigungsprozess hin zu einem förderalen Bundesstaat Europa fortführen soll. „Wir als Sozialdemokratie haben die Vereinigten Staaten von Europa erfunden“, sagte Repasi.

Heftige Debatte über Rolle der Arbeitsgemeinschaften

Im Rahmen des Antragsblocks über die organisationspolitische Neuaufstellung der SPD ist es am Nachmittag auf dem Parteitag zu einer heftigen Debatte über die Rolle der Arbeitsgemeinschaften gekommen. Auslöser war ein gemeinsamer Antrag aller Arbeitsgemeinschaften, in dem diese unter anderem eine Aufstockung der Delegierten für ihre Bundeskonferenzen und eine Ausweitung der Bundeskonferenzen auf zwei Tage forderten.

„Die Mitglieder sind unser Stolz. Sie müssen wir pflegen“, sagte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Arbeit (AfA), Erik von Malottki. Sein Appell: „Lasst uns die Arbeitsgemeinschaften stärken!“ „Wie sind die Basis der Demokratie in der SPD“, argumentierte Maria Noichl, Vorsitzende der SPD-Frauen. „Veränderung beginnt auch mit uns Arbeitsgemeinschaften. Wir lassen uns nicht kastrieren.“

„Ohne unsere Arbeitsgemeinschaften wären viele bedeutende Akteure nicht in der Partei“, gab Stella Kirgiane-Efremidou, Vorsitzende der AG Migration und Vielfalt zu bedenken. „Wir sollten heute ein Signal senden dass die Arbeitsgemeinschaften wieder gestärkt werden“, sagte daher Harald Baumann-Hasske, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (ASJ). Dafür müsse die SPD „vernünftige Strukturen schaffen“.

Schatzmeister Dietmar Nietan zeigte sich gesprächsbereit, gemeinsam mit den Arbeitsgemeinschaften ihre Rolle im Erneuerungsprozess der SPD zu besprechen. Er plädierte jedoch dafür, das „nicht mit der Brechstange auf dem Parteitag (zu) machen“. Mit großer Mehrheit verwies der Parteitag daraufhin den Antrag an den Parteivorstand.

Das ist der neu gewählte SPD-Parteivorstand

Zu Beisitzer*innen im SPD-Parteivorstand wurden am Samstag gewählt: Sabine Bätzung-Lichtenthäler, Andreas Bovenschulte, Ronja Endres, Wiebke Esdar, Fabian Ferber, Timon Gremmels, Oliver Kaczmarek, Elisabeth Kaiser, Annika Klose, Thorsten Kornblum, Sarah Lahrkamp, Kaweh Mansoori, Bettina Martin, Katja Mast, Siemtje Möller, Katja Pähle, Sarah Philipp, Boris Pistorius, Sebastian Roloff, Jessica Rosenthal, Dagmar Schmidt, Andreas Stoch, Marja-Liisa Völlers und Ibrahim Yetim. 

Bereits am Freitag bzw. Samstagvormittag wurde das Präsidium der SPD gewählt. Somit gehören dem neuen Parteivorstand 19 Frauen und 15 Männer an.

Klingbeil und Bas verabschieden ehemalige Parteivorstands-Mitglieder

Die Parteichefs Lars Klingbeil und Bärbel Bas haben die ausgeschiedenen Mitglieder des Parteivorstands verabschiedet. 13 Politiker*innen verlassen das Gremium, da sie nicht mehr angetreten sind. Klingbeil und Bas verabschiedeten stellvertretend für die anderen scheidenden Mitglieder die Parlamentarische Staatssekretärin Kerstin Griese und ihre Bundestagskollegin Aydan Özoğuz. „Du hast dich immer eingesetzt für die Themen Arbeit und Soziales und für das Thema Kirchen und dafür möchten wir dir herzlich danken“, sagte Bas zu Kerstin Griese.

Klingbeil verabschiedete Aydan Özoğuz, ehemalige stellvertretende Parteivorsitzende sowie Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration. Zuletzt war Özoğuz Bundestagsvizepräsidentin. Der Parteichef nannte sie ein „role model“, das mit Migrationsgeschichte in sehr hohe Ämter gegangen sei. „Wir danken dir dafür, dass du oft die erste warst, die das gemacht hat, und viel Verantwortung übernommen hast“, sagte Klingbeil.

Applaus für den Zollstock

Ikonischer Moment auf dem Bundesparteitag der SPD: Lothar Binding, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft 60plus, holt seinen Zollstock raus, um über die finanzielle Ausstattung der Arbeitsgemeinschaften in der SPD zu sprechen. Das Werkzeug ist Bindings Markenzeichen, auf Youtube erklärt der Diplom-Mathematiker damit etwa die Vermögenssteuer oder Steuerbelastungen. Das Publikum applaudiert.

Esken appelliert an Zusammenhalt der SPD

In ihrer Abschiedsrede vor dem Parteitag hat die frühere Vorsitzende Saskia Esken an die Delegierten appelliert, zusammenzuhalten. Auch bei ihrem Start als Vorsitzende im Dezember 2019 sei die SPD in einer schwierigen Situation gewesen. Doch „Zusammenhalt hat uns aus der Krise geholt.“ Für Esken ein Motto, das damals wie heute für die SPD zählen müsse.

In ihrer Rede zeigte sich Esken kämpferisch und versprach – auch mit Blick auf einen entsprechenden Initiativantrag – ein AfD-Verbot zu prüfen: „Wir werden den Kampf gegen die Menschenfeinde weiterkämpfen und wir werden ihn gewinnen.“ Der Parteitag wird am Sonntag über den Initiatiativantrag beraten.

SPD-Parteitag verabschiedet ausgeschiedene Minister*innen

Am Samstag hat der Parteitag die SPD-Minister*innen der Ampel-Regierung verabschiedet. Außer Verteidigungsminister Boris Pistorius setzt kein*e Minister*in ihre oder seine Arbeit in der schwarz-roten Koalition fort. „Du hast Arbeit und Soziales nicht nur geleitet, du hast es gelebt“, sagte SPD-Chefin Bärbel Bas gerichtet an Hubertus Heil. Sieben Jahre lang war Heil Bundesminister für Arbeit und Soziales. Bas ist seit Mai seine Nachfolgerin.

Ebenfalls aus der Bundesregierung ausgeschieden ist Nancy Faeser. „Wir sind verdammt froh, mit dir jemanden im Innenministerium gehabt zu haben, die gesagt hat, das Problem ist der Rechtsextremismus“, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil. Svenja Schulze war in der vergangenen Legislatur Entwicklungsministerin, nachdem sie zuvor Bundesumweltministerin gewesen war. „Du hast dafür gesorgt, dass der Spruch entweder Klima oder Wirtschaft überwunden wurde“, lobte Klingbeil.

„Du hast die Gesundheitspolitik in unserem Land geprägt und dich nie gescheut, dich mit allen anzulegen“, sagte Bärbel Bas zur Verabschiedung von Karl Lauterbach. In den langanhaltenden Applaus der Delegierten rief der ehemalige Bundesgesundheitsminister in den Saal: „Kämpft lieber für die Bürgerversicherung!“ Ebenfalls verabschiedet wurde Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt. „Du bist derjenige gewesen, der den härtesten Job hatte, die Regierung zusammenzuhalten“, lobte Lars Klingbeil. Bundesbauministerin Klara Geywitz und Finanzminister Jörg Kukies waren am Samstag nicht auf dem Parteitag.

SPD-Fraktionschef Matthias Miersch: SPD muss stolz auf Erfolge sein 

Matthias Miersch, der Vorsitzende der SPD-Bundesfraktion, hat die Genoss*innen auf dem SPD-Bundesparteitag dazu aufgerufen, die Abgeordneten zu unterstützen. Die seit der Bundestagswahl deutlich geschrumpfte Fraktion müsse in der Regierungsarbeit immer wieder schwierige Kompromisse eingehen. Miersch bezog sich am Samstag in Berlin ausdrücklich auf den am Freitag vom Bundestag beschlossenen und innerparteilich umstrittenen Aus für den Familiennachzug von Geflüchteten mit subsidiärem Schutzstatus.

Miersch warb dafür, jeweils stärker hervorzuheben, welche Vorteile zugunsten der Menschen die SPD bei den Verhandlungen mit dem Koalitionspartner erreicht habe. Zum Beispiel bei der im Koalitionsvertrag festgelegten Aussetzung des Familiennachzuges. „Wir haben dafür gesorgt, dass dies nur für zwei Jahre gilt, andere wollten es unbefristet“, sagte er an die Adresse von CDU und CSU.

Miersch forderte die Delegiert*innen auf, stolz auf die eigenen Erfolge in der Koalition mit der Union sein, etwa auf die Erhöhung des Mindestlohns. Aber auch auf die Verlängerung der Mietpreisbremse. „Das ist ein sozialdemokratisches Kernthema, das ohne uns nicht umgesetzt worden wäre“, so Miersch.

Dietmar Nietan bleibt Schatzmeister, Katarina Barley Europabeauftragte

Dietmar Nietan ist erneut zum Bundesschatzmeister der SPD gewählt worden. 76,3 Prozent der Delegierten stimmten für den 61-Jährigen, der dieses Amt seit elf Jahren innehat. Er stünde nicht für Verjüngung aber für Veränderung, sagte Nietan bei seiner Bewerbungsrede am Samstag vor rund 600 Delegierten beim Bundesparteitag der SPD in Berlin. Die SPD müsse schneller und besser werden, erklärte er. „Nur eine moderne SPD kann eine moderne Politik machen kann“. Dieses Ziel wolle Nietan weiterhin zusammen mit den Genossinnen und Genossen verfolgen. Bei der Wahl erhielt er 76,7 Prozent der Delegiertenstimmen.

Ebenfalls wiedergewählt wurde die Europabeauftragte des Parteivorstands, Katarina Barley. Sie erhielt 92,2 Prozent der Stimmen. In ihrer Bewerbungsrede wies Barley, die auch stellvertretende Präsidentin des Europaparlaments ist, darauf hin, dass die freien Gesellschaften überall in der EU unter Druck von rechts sind. Eine Solidaritätsbekundung sandte Barley nach Budapest, wo am Samstag eine Pride-Parade stattfindet – gegen den ausdrücklichen Wunsch des ungarischen Präsidenten Victor Orban.

Scholz ruft SPD dazu auf, mehr Respekt zu zeigen

In seiner Abschiedsrede vor dem SPD-Parteitag hat Ex-Kanzler Olaf Scholz vor den Gefahren eines Auseinanderdriftens der Gesellschaft gewarnt. „Gerade in unseren reichen Gesellschaften hat die Zukunftshoffnung abgenommen“, sagte Scholz. Nur mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft aber könne eine Gesellschaft überleben. Und auch sozialdemokratische Parteien könnten ohne sie nicht erfolgreich sein.

„Unsere Aufgabe muss sein, Respekt zu zeigen“, sagt Olaf Scholz deshalb. Überall versuchten Populist*innen, Bevölkerungsgruppen gegeneinander auszuspielen. „Die MAGA-Bewegung in den USA ist gerade dabei, die Lebensperspektiven derjenigen zu erobern, die keinen College-Abschluss haben“, erinnert der Alt-Kanzler. Wichtigste Aufgabe der SPD sei es, „den rechten Populismus wieder zurückzudrängen“.

Das sind die neuen stellvertretenden Parteivorsitzenden

Serpil Midyatli gehört dem Parteivorstand seit 2019 als stellvertretende Vorsitzende an und will auch künftig dieses Amt bekleiden. In ihrer Antrittsrede forderte sie, Lehren aus dem historisch schlechten Ergebnis bei der Bundestagswahl zu ziehen: „Es war eine Abrechnung, mit einer Politik, die zu oft technokratisch und zögerlich war, die letztlich abschreckend war.“ Gewählt mit 77,6 Prozent

Zum ersten Mal für dieses Amt kandidiert Petra Köpping, die über langjährige Erfahrung als Landesministerin in Sachsen verfügt. „Ich möchte gerne, dass wir die Alltagsprobleme der Menschen wieder ernst nehmen. Lasst uns gemein Brücken bauen!“, sagte sie und kündigte an, im Parteivorstand eine Stimme der Städten und Gemeinden sein zu wollen und zugleich den CDU-Bundesministerinnen für Gesundheit und Bildung kritisch auf die Finger schauen. Gewählt mit 91,8 Prozent

„Eine Konstante“ will Anke Rehlinger im Parteivorstand sind. Die saarländische Ministerpräsidentin ist seit 2019 stellvertretende SPD-Vorsitzende. „Wir müssen wieder klarmachen, für wen wir Politik machen“, forderte Rehlinger die Delegierten auf. „2029 geht viel, wenn wir unsere Arbeit machen“, sagte sie mit Blick auf die dann anstehende Bundestagswahl. Gewählt mit 97,2 Prozent

Um drei Themen will sich Achim Post künftig im Parteivorstand kümmern: Europa, den Umgang mit den 500 Milliarden des Investitionspakets und die Sicherung von Arbeitsplätzen. „Wann war es je irgendwann ungerechter in Deutschland als heute?“, fragte Post bei seiner Vorstellung rhetorisch. Darum müsse sich die SPD kümmern. Gewählt mit 77,1 Prozent

Vor knapp einem Jahr übernahm Alexander Schweitzer das Ministerpräsidentenamt in Rheinland-Pfalz von Malu Dreyer. Anfangs habe er erklären müssen „das kann auch ein Mann machen“, erinnerte er sich scherzhaft. Nun sei er „gekommen, um zu bleiben“. Als stellvertretender Parteivorsitzender wolle er die Erfahrungen aus dem „Erfolgsmodell Rheinland-Pfalz“ mitbringen. Hier funktioniere die Transformation - geleitet von sozialdemokratischen Grundwerten und harter Arbeit. Gewählt mit 95,3 Prozent

Bärbel Bas und Lars Klingbeil zu Parteivorsitzenden gewählt

Die Delegierten haben entschieden: Lars Klingbeil und Bärbel Bas sind das neue Duo an der SPD-Bundesspitze. Bärbel Bas erhielt 95 Prozent der Stimmen, Lars Klingbeil 64,9 Prozent. Klingbeil nannte sein Abschneiden im Anschluss ein „schweres Ergebnis“. Er wisse, „dass meine Entscheidungen nicht jeder und jedem gefallen haben“. Dennoch nahmen beide ihre Wahl an.

Hitzige Debatte über Russland-„Manifest“

Wie bereits erwartet wurde auch das „Manifest“ zum Umgang mit Russland und seinem Krieg in der Ukraine in der Aussprache zum Leitantrag hitzig diskutiert. Der Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner - einer der prominentesten Erstunterzeichner - verteidigte das Papier. Er betonte, dass auch die Unterzeichner*innen Unterstützung für die Ukraine fordern, man müsse jedoch diskutieren, „ob diese wahnsinnige Aufrüstung insgesamt der richtige Weg ist“.

Als Verteidigungsminister Boris Pistorius kurz darauf am Rednerpult steht, wirft er Stegner Realitätsverweigerung vor. „Was Putin mit der Ukraine vorhat, ist ein Diktatfrieden, eine faktische Kapitulation“, so Pistorius - zu denken, dass man mit dem russischen Staatschef verhandeln könne sei daher utopisch.

Hubertus Heil: „Kein Übermaß an neuen und frischen Konzepten“

Auch der ehemalige Arbeitsminister Hubertus Heil fand in der Aussprache klare Worte. "Demokratie ohne Sozialdemokratie kann nicht gelingen" stellte er fest - umso wichtiger sei es, dass sich die SPD nun auch programmatisch neu aufstelle, um wieder stärker zu werden.

Mit Blick auf das geplante neue Grundsatzprogramm machte er jedoch auch deutlich: Eine programmatische Erneuerung sei nicht aus der Partei alleine möglich. Es brauche nun einen Austausch mit verschiedenen Gruppen der Gesellschaft, die neue Denkanstöße für die Partei mitbringen. Denn: Die SPD habe "kein Übermaß an neuen und frischen Konzepten", kritisierte er. Er setze auch auf den designierten Generalsekretär Tim Klüssendorf, den programmatischen Erneuerungsprozess zu steuern, damit die SPD wieder "interessanter" werde.

Ministerpräsidentin Manuela Schwesig: „Ich werde mein Land nicht der AfD überlassen“

Manuela Schwesig, die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, betonte in der Aussprache erneut die Gefahr für die Demokratie, die von der AfD ausgehe. In ihrem Bundesland steht die AfD laut Umfragen derzeit als stärkste Kraft da - mit Blick auf die Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern 2026 sagte sie der rechtsextremen Partei den Kampf an: "Ich werde mein Land nicht der AfD überlassen", machte Schwesig deutlich.

SPD mit Selbstkritik und Optimismus

In der Aussprache zum Leitantrag legte die stellvertetende Parteivorsitzende Anke Rehlinger noch einmal den Finger mit Blick auf die zurückliegende Zeit mit der Ampel-Regierung. Diese habe teilweise an der Realität vorbeiregiert, um die FDP in der Regierung zu halten. „Wir waren schlicht und ergreifen nicht überzeugend genug. Wir sind und bleiben die Stimme der Arbeit, aber die Menschen in Deutschland müssen das auch wahrnehmen“, mahnte sie und zeigte sich zugleich optimistisch, dass das gelingen werde: „Wir müssen besser und stärker werden. Ich bin sehr überzeugt, dass uns das gelingen wird. Dieser Parteitag ist der Auftakt, dass das gelingt.“

Juso-Chef fordert: Wieder linke Volkspartei werden!

Ähnlich äußerte sich auch der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Achim Post. „Unsere SPD steht vor historischen Herausforderungen. Die können und werden wir meistern, wenn wir mit Selbstbewusstsein und Selbstkritik rangehen“, sagte er. Gesine Schwan sprach als Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission von der Wahlniederlage als Ansporn für eine gemeinsame Analyse. Die Sozialdemokratie erlebe bereits seit der Jahrtausendwende einen Vertrauensverlust, sagte sie. Der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer mahnte mit Blick auf das Ergebnis der Bundestagswahl: „Nach dem 23. Februar ist unser größter Feind die Normalität.“ 

Die Partei sei in der vermutlich größten Krise seit ihrer Gründung. „In dieser Situation braucht es eine Sozialdemokratie, die wieder mutig ist, die sich traut, die Verteilungsfrage so laut zu stellen, dass niemand sie überhören kann.. Macht diese Partei wieder zu der linken Volkspartei, die dieses Land so dringend braucht“, so Türmers Forderung an die designierten Vorsitzenden Lars Klingbeil und Bärbel Bas.

Klingbeil: „Mit mir keine andere Ukraine-Politik“

In seiner Rede hat der SPD-Vorsitzende den Kurs der Sozialdemokraten in der Ukraine-Politik verteidigt. „Wir müssen diese Fragen von Krieg und Frieden diskutieren. Dafür muss in einer Volkspartei immer Platz sein“, sagte Klingbeil. „Aber im Jahr 2025 eine Friedenspartei zu sein, bedeutet etwas anderes, als in den 80er Jahren.“ Der SPD-Vorsitzende nahm damit Bezug auf ein „Manifest“ zum Umgang mit Russland, das u.a. die Bundestagsabgeordneten Rolf Mützenich und Ralf Stegner und der frühere SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans unterzeichnet haben. Das Papier nimmt u.a. Bezug auf die Entspannungspolitik Willy Brandts.

„Putin ist nicht Gorbatschow. Wir müssen heute Sicherheit vor Putins Russland Organisieren“, stellte Klingbeil in seiner Rede klar. Deutschland müsse und werde die Ukraine weiter unterstützen, denn ihre Freiheit sei „unmittelbar“ mit der Sicherheit Deutschlands verbunden. „Einen anderen Weg als diesen wird es mit mir als Vorsitzender der sozialdemokratischen Partei Deutschlands in der Ukraine-Politik nicht geben“, stellte Klingbeil klar.

Bas kritisiert „Scheindebatte über die angeblich faulen Deutschen“

In ihrer Bewerbungsrede für den SPD-Parteivorsitz hat Bärbel Bas scharfe Kritik am Koalitionspartner CDU/CSU geäußert. Die „Scheindebatte über die angeblich faulen Deutschen“ habe sie in den vergangenen Wochen sehr geärgert, sagte Bas, die auch Bundesarbeits- und -sozialministerin ist. In seiner ersten Regierungserklärung hatte Bundeskanzler Friedrich Merz gesagt: „Wir müssen in diesem Land wieder mehr und vor allem effizienter arbeiten.“ CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hatte später mit zum Teil noch spitzeren Äußerungen nachgelegt.

Aus Sicht von Bärbel Bas ist „die Debatte um die ‚faulen Deutschen‘ nicht nur völlig daneben, sie ist ein Schlag ins Gesicht der 46 Millionen Erwerbstätigen in diesem Land“, sagte sie unter dem Jubel der Delegierten auf dem SPD-Parteitag. Bas sprach in diesem Zusammenhang von einem „Klassenkampf von oben“ und forderte: „Hört auf, die Menschen in diesem Land gegeneinander auszuspielen!“

Deutliche Worte richtete Bas in ihrer Bewerbungsrede auch an ihre Partei. Mit Blick auf den innerparteilichen Umgang mit der bisherigen Vorsitzenden Saskia Esken nach der Bundestagswahl forderte Bas: „Das muss wieder anders werden! Solidarität darf für uns keine Phrase sein!“

Kontrollkommissionsvorsitzende stellt Partei auf Sparkurs ein

Durch das historisch schlechte Wahlergebnis sei die Partei nun mit erheblichen finanziellen Einbußen konfrontiert, machte auch Brigitte Reckmann, Vorsitzende der Kontrollkommission noch einmal deutlich. Die Partei müsse nun Ressourcen sparen und sich auf eine gute Umsetzung der Inhalte der SPD fokussieren - sie freue sich auf respektvolle und solidarische Diskussionen zu diesen Inhalten.

Schatzmeister Nietan fordert mehr Tempo bei Partei- Reformen

Mit drastischen Worten hat SPD-Schatzmeister Dietmar Nietan zu mehr Ausgabendisziplin gemahnt. „Ich werde als Schatzmeister ein weiteres Zögern und Zaudern nicht dulden“, sagte Nietan vor den 600 Delegierten. Bereits beim Parteitag im Dezember 2023 hatte die SPD eine weitreichende organisatorische Neuaufstellung beschlossen. Dessen Umsetzung verlaufe jedoch zu langsam, kritisierte Nietan. „Wir haben kein Beschlussproblem, sondern ein Umsetzungsprobem“, sagte Nietan.

Nach dem schlechten Abschneiden bei der Bundestagswahl werden der SPD Einnahmen aus der staatlichen Parteienfinanzierung in Millionenhöhe verlorengehen. Gleichzeitig muss die Partei in den kommenden Jahren in moderne IT-Infrastruktur investieren. Dafür sollen Strukturen deutlicher stärker vereinheitlich werden. „Wir müsse beim Tempo alte Zöpfe abzuschneiden schneller und besser werden“, forderte Dietmar Nietan. Am Samstag werden die Delegierten über einen organisationspolitischen Antrag unter der Überschrift „Handeln statt hadern“ abstimmen.

DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi plädiert für Unterstützung des neuen Mindestlohns

Die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi hat sich mit einem ersten Grußwort an die Delegierten gewendet. Der heute verabschiedeten Beschluss der Mindestlohnkommission, dass der gesetzliche Mindestlohn bis 2027 in zwei Schritten auf 14,60€ steigen soll, sei durch "ein verdammt hartes Ringen" entstanden. Die Arbeitgeber hätten den Mindestlohn am liebsten gar nicht angehoben, so Fahimi. Der Kompromiss sei nun ein Plus von 14% - für die DGB-Vorsitzende ein "Einstieg in einen wirklich armutsfesten Mindestlohn", erklärte sie, und bat die Delegierten um Unterstützung dieses Beschlusses.

Zudem lobte sie das 500 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für staatliche Investitionen, und forderte, dass die SPD sich vor allem solche, große Reformen und kein "klein-klein" als Ziel setzen solle. Kurzum: Auf diesem Parteitag könne die Partei - auch im Angesicht der aktuellen Weltlage - "gar nicht grundsätzlich genug diskutieren", so Fahimi.

Die wichtigsten Infos zum Parteitag

Eigentlich sollte der nächste ordentliche Bundesparteitag der SPD erst im Dezember stattfinden. Doch nach der verheerenden Niederlage bei der Bundestagswahl, bei der die SPD nur 16,4 Prozent der Stimmen erhielt, wurde das Treffen vorgezogen.

Worum geht es beim SPD-Parteitag?

Schon das Motto „Veränderung beginnt mit uns“ macht deutlich, was beim Parteitag im Mittelpunkt stehen soll: die Neuaufstellung nach der verlorenen Bundestagswahl. „Die Aufarbeitung wird sehr sehr selbstkritisch sein. Das wird keine Alibi-Veranstaltung“, kündigte der designierte Generalsekretär Tim Klüssendorf im Vorfeld an. Der Blick soll aber auch nach vorn gehen, Klüssendorf spricht von einem „Wendepunkt“.

Welche personellen Entscheidungen stehen auf dem Parteitag an?

Auf dem Parteitag wird die komplette Führung der Partei neu gewählt. Lars Klingbeil bewirbt sich um eine weitere Amtszeit als Parteivorsitzender. Er will die SPD künftig mit Bärbel Bas führen. Die bisherige Vorsitzende Saskia Esken tritt nach sechs Jahren nicht wieder an. Als Generalsekretär kandidiert Tim Klüssendorf. Der 33-Jährige sitzt seit 2021 für den Wahlkreis Lübeck im Bundestag.

Wird Olaf Scholz noch eine Rolle auf dem Parteitag spielen?

Ja. Der Altkanzler wird sich am Samstagmorgen mit einer Rede von den Delegierten verabschieden. „Ich bin mir sicher, dass er uns noch etwas mit auf den Weg geben wird“, sagte Klüssendorf im Vorfeld des Parteitags. Für Scholz wie für Saskia Esken wird es auch eine offizielle Verabschiedung auf dem Parteitag geben.

Welche Besonderheiten gibt es?

Die Wahlen werden komplett digital stattfinden. Die Delegierten nutzen dafür die Software „Open Slides“, mit der schon verschiedene Landesparteitage gute Erfahrungen gesammelt haben. Die SPD erhofft sich davon eine große Zeitersparnis, da langwierige Auszählungen entfallen. Eine zweite Neuerung ist, dass es einen „Delegiertenantragsblocks“: Am Samstagmorgen sollen die Delegierten selbst bestimmen, über welche Antragsbereiche sie am Nachmittag diskutieren wollen. Bisher gibt das die Parteitagsregie vor.

Wird das umstrittene „Manifest“ zum Umgang mit Russland auch eine Rolle auf dem Parteitag spielen?

Ja, darüber wird gleich am Freitag diskutiert, im Rahmen der Debatte über den Antrag zur Erneuerung der Partei. Ein konkreter Antrag mit den Inhalten des Manifests liegt jedoch nicht vor. Ansonsten soll es am Samstag um internationale Politik gehen. Hier liegt u.a. ein Initiativantrag des Parteivorstands zur Situation im Nahen Osten vor.

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Gespeichert von Marion Nedwed (nicht überprüft) am Sa., 28.06.2025 - 14:41

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Solange es die Partei nicht schafft, endlich einen Ralf Stegner u.a. zurückzuhalten, der ständig gefragt oder ungefragt seine Meinung äußert, so lange wird es schwer für eine weitere Verjüngung der Partei werden.

Ein Anfang ist seitens der neuen Ministerinnen gemacht, ich sage weiter so!
Besonders gefreut hat mich, dass Bärbel Bas und die gescheite ehemalige Ministerin Katharina Barley gestärkt aus der Wahl hervorgegangen sind.

Gespeichert von Dr. Wolfram Me… (nicht überprüft) am Sa., 28.06.2025 - 15:05

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Liebe Leute, irgendwie erscheint mir Eure Berichterstattung als oberflächlich, etwas unkritisch und wenig hilfreich, um Ideen zu finden, die aus der tiefen Krise der SPD herausführen könnten.
Konkret schlage ich vor, die Rede von Gesine Schwan hier vollständig zu veröffentlichen. Vielleicht findet sich dort ein intellektuell überzeugender Ansatz.

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