Parteileben

Tatort, Flyer, Hausbesuche

von Kai Doering · 3. September 2013

In Bayern führt die SPD zwei Wahlkämpfe gleichzeitig. Mit kreativen Ideen und viel persönlichem Kontakt werben die Genossen für den Regierungswechsel in München am 15. und in Berlin am 22. September.

Nach 15 Minuten hat einer der Kellner Erbarmen. Er schiebt sich an der ersten Reihe der Zuhörer vorbei und reicht Christian Ude eine Maß Bier auf die Bühne. Der lächelt dankbar, prostet seinem Publikum zu und nimmt einen großen Schluck. Es ist brütend heiß an diesem Augustabend im niederbayerischen Ortenburg. Draußen zeigt das Thermometer mehr als 30 Grad an. Drinnen im Festzelt sind es nochmal deutlich mehr. „Ich finde es pfundig, dass bei dieser Bruthitze so viele Menschen in ein Festzelt kommen – und dann auch noch zu einer politischen Veranstaltung“, sagt Ude.

Der Münchner Oberbürgermeister ist im unbezahlten Urlaub. Bis zur Landtagswahl am 15. September reist der Spitzenkandidat der SPD kreuz und quer durch Bayern, um den Menschen klarzumachen, dass es „eine wunderbare Idee wäre, diesmal die SPD zu wählen“. Seit 56 Jahren regiert im Freistaat die CSU. Nach dem Willen von Ude und seiner SPD soll damit im September Schluss sein.

„In Bayern herrscht sehr wohl eine Wechselstimmung“, erklärt der Spitzenkandidat seinem Publikum in Ortenburg im Ton des erfahrenen Kabarettisten. „Schließlich wechselt sogar der Ministerpräsident täglich seine Meinung.“ Sätze wie dieser kommen bei den Gästen im Festzelt an. „Ude, Ude“ hallt es durch die Reihen.

Wahlkampf mit Zahnbürste


Ganz vorne sitzt Martin Burkert. Der Nürnberger ist seit 2005 für die SPD im Bundestag. Seit 2010 ist er Vorsitzender der bayerischen Landesgruppe. Auch er ist im Wahlkampf. Eine Woche nach der Landtagswahl müssen die Menschen in Bayern ein weiteres Mal an die Urnen, dann für die Bundestagswahl.

„Die bayerische SPD muss doppelt so stark kämpfen“, sagt Burkert. Für den Wahlkampf hat er mit der zweiten Nürnberger Bundestagskandidatin Gabriela Heinrich einen Tatort produziert. Der ist zwar mit drei Minuten deutlich kürzer als das sonntägliche Original, „aber wir haben trotzdem einen ganzen Tag gedreht“. Und: "Die Spur führt nach Berlin“. Der Krimi soll bei Wahlkampfveranstaltungen gezeigt werden.

„Am wichtigsten ist mir aber der persönliche Kontakt“, erzählt Martin Burkert. „Der Tür-zu-Tür-Wahlkampf ist deshalb ideal.“ An 30 000 Türen wollen Burkert und sein Team bis zum 22. September klingeln. 12 000 „Give-aways“ haben sie schon verteilt – darunter auch rote Reisezahnbürsten. „Martin Burkert – in aller Munde“ steht darauf.

„Wir können Landtag“

„Im Wahlkampf braucht man vor allem gute Kugelschreiber“, ist Sven Ehrhardt überzeugt. Er steht vor einem roten SPD-Schirm auf dem Wochenmarkt in seiner Heimatstadt Roth bei Nürnberg. Rechts bietet ein Metzger Würste an, am Obststand links gibt es Äpfel aus der Region. „Darf ich Ihnen einen Kugelschreiber schenken?“, spricht Ehrhardt eine Frau in beiger Jacke an. Eine Karte mit Ehrhardts Gesicht und dem Slogan „Wir können Landtag“ bekommt sie noch dazu. „Ich kenne Sie doch vom Plakat und aus der Zeitung“, sagt die Frau.

Sven Ehrhardt lächelt. 5000 Kugelschreiber hat er anfertigen lassen, mehr als die Hälfte bereits Anfang August verteilt. Auch er setzt auf Besuche an der Haustür. 100 Touren will der 25-Jährige bis zum 15. September machen. „Als SPD-Kandidat hast du in Bayern nur eine Chance, wenn du dich voll reinhängst“, sagt Ehrhardt.

„Wir geben, was wir können für ein möglichst gutes Ergebnis bei der Landtags- und der Bundestagswahl“, verspricht auch Natascha Kohnen. Die Generalsekretärin der BayernSPD ist mit dem Verlauf des Wahlkampfes zufrieden. „Unser Ziel ist die Übernahme der Regierung in Bayern.“ Zwei Millionen Euro beträgt das Wahlkampfbudget der SPD im Freistaat – die CSU hat sieben mal soviel zur Verfügung. „Unsere Kampagne muss deshalb extrem kreativ sein“, sagt Kohnen.

Das gilt auch für Florian Post. Der 32-Jährige kandidiert im Münchner Norden erstmals für den Bundestag, hat für den Wahlkampf unbezahlten Urlaub genommen – und wirbt mit dem Slogan „Post für Sie“ auf seinem Flyer.  Er verteilt ihn auf Wochenmärkten und in Biergärten. Seine Plakate hat er auf die Wohnviertel seines Wahlkreises abgestimmt. Um all dies zu finanzieren, hat Post sogar private Sponsoren gewonnen. „Das sind Leute, die soziale Verantwortung haben und wollen, dass unser Land gerechter wird“, erklärt er. „Bisher haben sie eher nicht die SPD gewählt.“ Es könnte nicht die einzige Überraschung in Bayern bleiben.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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