Parteileben

Stephan Weil im Wahlkampf: Ministerpräsident auf Augenhöhe

Am 15. Oktober wird in Niedersachsen ein neuer Landtag gewählt. Durch den Verlust der rot-grünen Mehrheit ist Ministerpräsident Stephan Weil plötzlich im Wahlkampf. Unterwegs mit einem Mann, der viele Seiten hat – und offen auf die Menschen zugeht
von Kai Doering · 7. September 2017
„Was Sie hier machen, könnte keine staatliche Stelle leisten.“ Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil beim Roten Kreuz in Bremervörde
„Was Sie hier machen, könnte keine staatliche Stelle leisten.“ Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil beim Roten Kreuz in Bremervörde

Stephan Weil sitzt in einem großen Besprechungsraum in Bremervörde, einer Kleinstadt im Nordosten Niedersachsens, als ihn Elke Twesten einholt. Vor dem niedersächsischen Ministerpräsidenten liegt die Samstagsausgabe der „Bremervörder Zeitung“. Auf Seite 13 erklärt Twesten in einer Kolumne, warum sie Anfang ­August von den Grünen zur CDU gewechselt ist – und so, da Rot-Grün durch den Übertritt keine Mehrheit mehr hat, für eine vorgezogene Neuwahl des ­Landtags am 15. Oktober gesorgt hat. Mit dem Besuch Weils in der Redaktion habe die Veröffentlichung an diesem Tag nichts zu tun, beteuert Redaktionsleiter Corvin Borgardt. „Für mich ist das Thema durch“, sagt Stephan Weil. Er konzentriere sich jetzt voll auf den Wahlkampf.

Bürger fragen, Stephan Weil antwortet

Am Vormittag ist er in Hannover in einen schwarzen Kleinbus gestiegen. An den Seiten prangt jeweils ein großes Porträt des Ministerpräsidenten. „Stephan Weil. Sturmfest und stark“ steht darunter. Von Hannover aus geht es Richtung Norden. Draußen ziehen dunkle Wolken über grüne Wiesen und weiße Windräder hinweg. Erster Halt: Schwanewede. Der SPD-Ortsverein hat zu ­einem Sommerfest eingeladen. Auf dem kleinen Marktplatz sitzen rund 80 Leute auf Bierbänken. Es gibt Wurst vom Grill, Bier und Kaffee.

„Moin“, sagt Stephan Weil zu Begrüßung. Er wolle hier keine lange Rede halten, sondern lieber hören, was die Menschen bewegt. Dafür wurden bereits Bierdeckel ausgeteilt, auf die Interessierte ihre Fragen an den Minsterpräsidenten schreiben können. „Auf ein Wort mit Stephan Weil“ heißt das Format. „Das ist die Art der Diskussion, die mir Spaß macht“, hat Weil vorher im Auto gesagt. Das gilt für die Menschen in Schwanewede offensichtlich auch.

Ein Dank an die Ehrenamtlichen

Die innere Sicherheit, der Diesel-Skandal, die Finanzierung der Universitäten oder die Zukunft der Pflege – munter springen die Fragen hin und her. Stephan Weil antwortet präzise und auch mal launig. In der Automobilindustrie habe es „schwere Verfehlungen“ gegeben und es sei nun die „verdammte Pflicht“ von Industrie und Politik, Fahrverbote zu verhindern. Sicherheit sei „ein sozialdemokratisches Thema. Da brauche ich keine Schwarzen dazu“. Und wie will er die Landtagswahl gewinnen? „Durch harte Arbeit.“

Dann geht es weiter zum Roten Kreuz. Dort wartet schon die örtliche Landtagsabgeordnete auf ihn. Gemeinsam überreichen sie den Mitarbeitern eine große Torte. „Danke“ ist mit Schokolade darauf geschrieben. Ob „Essen auf Rädern“, Kleiderkammer oder Rettungsdienst – die rund 150 Ehren- und eine handvoll Hauptamtlichen des DRK haben hier eine Menge zu tun. Im Herbst 2015 betreuten sie über mehr als einen Monat die neu ankommenden Flüchtlinge. „Das war eine Riesenherausforderung“, erzählt Geschäftsführer Rolf Eckhoff. Er führt den Ministerpräsidenten durch die Fahrzeughalle und das Kleiderlager.

Daumendrücken für die Roten

„Was Sie hier machen, könnte keine staatliche Stelle leisten“, lobt Weil, als hinterher alle bei Kaffee und Torte zusammensitzen. „Das Ehrenamt braucht eine Lobby auch in der Bevölkerung“, mahnt Rolf Eckhoff. Es werde immer schwieriger, Engagierte langfristig zu binden. „Wer ehrenamtlich tätig ist, ist glücklicher als andere Menschen“, sagt Stephan Weil. „Das kann ich nur bestätigen“, unterstreicht ein junger Mann im blauen Rettungsanzug und grinst. Beide sind sich einig: Das muss noch stärker betont werden.

Als Stephan Weil wieder im Auto sitzt, hat Hannover 96 gerade sein Auftaktspiel in der Fußball-Bundesliga mit 1:0 gewonnen. „Das ist ein schöner Tag“, sagt Weil und lächelt. Er drückt „den Roten“, wie die Spieler von Hannover genannt werden, schon lange die Daumen – gern auch live auf der Tribüne.

„Stadeum“ statt Stadion

Statt ins Stadion geht es an diesem Tag jedoch ins „Stadeum“, ein Kulturzentrum in Stade. In der Hansestadt vor den Toren Hamburgs wird an diesem Abend das „Holk-Kulturfestival“ eröffnet. Es ist benannt nach einer Schiffsart und bietet klassiche Musik ebenso wie Puppenspiel.

Im Foyer drängen sich Frauen in Abendkleidern und Männer in Anzügen. Stephan Weil schüttelt Hände und lächelt. „Kultur ist ein Lebensmittel“, sagt er in seinem Grußwort. Das habe er schon während seiner Zeit als Kämmerer und später als Oberbürgermeister von Hannover regelmäßig erlebt. Dann läutet der Ministerpräsident eine Schiffsglocke, die neben dem Rednerpult hängt, um das das Festival zu eröffnen. Als die sieben Schläge verhallt sind, klatscht das Publikum. Zwei Tage später löst sich der Landtag auf. Der Wahlkampf hat nun endgültig begonnen.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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