SPDpur: Die Partei muss wieder praktische Lösungen für Alltagsprobleme bieten
Patrick Altrogge
Tim Kähler, Sie sind Sprecher von „SPD pur“. Was verbirgt sich hinter diesem Begriff?
Wir wollen, dass der SPD ein politischer Aufbruch durch inhaltliche Klarheit gelingt. Die SPD muss Farbe bekennen und darf interne Konflikte nicht länger zukleistern. Wir müssen diese Positionierung SPD pur vornehmen und nicht mit bunten Klecksen möglicher Koalitionen überdecken.
In einigen Medien heißt es, Sie wollten einen Linksruck der SPD verhindern. Ist das richtig?
Es ist unglaublich: 60 Jahre nach Godesberg darauf hinweisen zu müssen, dass die SPD sich zur Regierungspartei empor gekämpft hat. Regierungswilligkeit und -fähigkeit dürfen wir nie wieder gering schätzen. Und Regierungsverantwortung werden wir nur dann bei Wahlen gewinnen, wenn das Mittelfeld nicht dem politischen Gegner überlassen.
Sie selbst haben gesagt, die SPD sei keine Partei der Verstaatlichung, sondern eine Partei der Arbeit – in Abgrenzung zur Verstaatlichungsforderung von Juso-Chef Kevin Kühnert. Vielleicht können Sie das etwas näher erläutern?
Die SPD muss für Fortschrittsoptimismus statt Zukunftspessimismus stehen. Die Globalisierung, Digitalisierung und den Klimawandel zu gestalten, verlangt die Modernisierung unseres Wirtschaftssystems zur sozial-ökologischen Marktwirtschaft. Rezepte der gescheiterten Planwirtschaft sind da völlig ungeeignet. Wir brauchen einen handlungsfähigen Staat, der Gewerkschaften und Wirtschaft Rahmenbedingungen und Rückendeckung gibt, um Wohlstand für alle im Zeitalter von Globalisierung, Klimawandel und Digitalisierung zu ermöglichen.
Sie fordern erst eine Debatte über Inhalte, dann über das Personal. Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund die aktuelle Diskussionslage in der SPD und über die SPD?
Statt einer Diskussion um politische Inhalte, hatten wir über Wochen eine Berichterstattung über Qualität und Charakter der Kandidaten und der prominenten Nicht-Kandidaten. Wir möchten wissen wofür Menschen stehen.
In Ihrem Papier „SPD pur“ heißt es: „Alles muss auf den Prüfstand, ohne Tabus, ohne Denkverbote, ohne Angst“. Welche Tabus und Denkverbote sind damit konkret gemeint?
Mehr als ein Dutzend Parteivorsitzende nach Willy Brandt sind weniger an sich als vielmehr an unserer Gremienstruktur gescheitert. Für die Arbeitsfähigkeit im Parteivorstand zum Beispiel muss gelten: Weniger Stellvertretende Vorsitzende und Mitglieder mit mehr Berufserfahrung und mehr Erfolgreiche aus der Kommunalpolitik. Bei der politischen Positionierung muss gelten: je weniger Spiegelstriche desto mehr Klarheit. Parteitagsbeschlüsse müssen wieder praktische Lösungen für die Alltagsprobleme bieten. Nur so sind sie auch regierungstauglich.
Sie fordern „eine harte Null-Toleranz-Politik gegenüber Kriminalität und gegenüber Parallelgesellschaften“. Was sollte die SPD in diesen beiden Politikfeldern anders machen als bisher?
Nur die SPD hat die politische Kraft, allen Bürgerinnen und Bürgern ein möglichst angstfreies Leben zu bieten. Demokratie und Angst passen nicht zusammen. Freiheit ist Freiheit von Angst vor Gewalt und Armut. Ein handlungsfähiger Staat muss Recht und Gesetz immer und überall durchsetzen. Das überhaupt über No Go Areas diskutiert wird offenbart das Maß an Unsicherheit.
Wie kommt Ihre Forderung nach offenen Vorwahlen für Wahlkreiskandidaten und Spitzenkandidaturen, also nach einer Beteiligung auch von Nicht-Parteimitgliedern bei der Personalauswahl, in der SPD an?
Sie löst natürlich Diskussionen aus, wird nicht zum ersten Mal erhoben und auch gelegentlich praktiziert. Das eigentlich Ziel ist, die grassierende Wagenburgmentalität zu durchbrechen. Kandidaturen sollen nicht den besten Listenplatz, sondern den Erfolg im Wahlkreis im Auge haben.
Wieviel Unterzeichner von „SPD pur“ gibt es bisher?
Wir haben zur Zeit auf Facebook über 100 namentlich genannte Unterstützerinnen und Unterstützer. Wir haben in kurzer Zeit fast 800 Abonnenten gewonnen. Unser Papier hat innerhalb von fünf Tagen über 32.000 Personen erreicht und zu einer lebhaften Diskussion geführt.
Sind auch bekanntere Genossinnen und Genossen dabei?
Jede Menge, wie es sich unserer Unterstützer- und Unterstützerinnenliste entnehmen lässt. Zudem gibt es viele bekannte Personen denen unser Aufruf gefällt, wie man den sog. Likes entnehmen kann
Gibt es ein Kandidatenteam aus Ihren Reihen?
Wir verstehen SPDpur als parteiinterne Wählerinitiative für inhaltliche Klarheit und hoffen, dass einige Teams unsere Positionen aufgreifen.
Welches Team unterstützen Sie?
Unser Maßstab sind die Positionen in unserem Aufruf „Aufbruch durch Klarheit“. Wer dem am Nächsten kommt und auch die dafür notwendige Führungsverantwortung mitbringt, kann mit unserer Unterstützung rechnen.