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#SPDerneuern: Was sich die Wähler von der SPD wünschen

Arbeit, Flüchtlinge, Heimat – es gibt viele Themen, die den Bürgern auf den Nägeln brennen. Welche Lehren kann die SPD daraus für ihre Neuaufstellung ziehen? SPD-Bundestagsabgeordnete haben diese Woche in ihren Wahlkreisen nachgefragt.
von Paul Starzmann · 17. November 2017
Andrea Nahles TzT
Andrea Nahles TzT

Nach der Wahl ist vor der Wahl. Der Satz ist eine Binsenweisheit, in einer Demokratie selbstverständlich. In diesem Jahr allerdings trifft er auf die SPD in besonderem Maße zu. Denn nach der verlorenen Wahl machen viele Bundestagsabgeordnete diese Woche einfach weiter mit dem Wahlkampf. Mehr als 100 Mitglieder der Fraktion beteiligen sich bis Sonntagabend an der Aktion „Fraktion im Dialog“ – mit rund 300 Terminen in ganz Deutschland: Sie gehen von Tür zur Tür, stellen Stände auf Marktplätzen auf oder laden zu Veranstaltungen ein. Das Ziel: Den Gesprächsfaden mit den Bürgern nicht abreißen lassen.

„Die SPD muss wieder Arbeiterpartei werden“

Den Auftakt machte am Anfang der Woche Fraktionschefin Andrea Nahles in ihrem Wahlkreis im nördlichen Rheinland-Pfalz: „Den ganzen Vormittag habe ich an die Türen der Bürgerinnen und Bürger hier in meiner Heimat geklopft“, so Nahles in einem Facebook-Video. „Was mich überrascht hat, war, dass die Leute uns sehr viel zu sagen hatten, sehr viele Anregungen: die SPD muss wieder Arbeiterpartei werden, sich um die Rente kümmern.“

Zum Thema „Arbeit“ ist auch die Abgeordnete Manja Schüle diese Woche viel angesprochen worden, erzählt sie. Sie hat sich zusammen mit einigen Genossen aus ihrem Kreisverband an den Bahnhöfen von Potsdam positioniert. In der Stadt hatte sie im September für die SPD das Direktmandat geholt. Viele Pendler wollten über die Flexibilisierung der Arbeitszeit reden, erinnert sie sich. „Das beschäftigt die Leute stark.“ Der Hintergrund: Arbeitgeber und FDP wollen den Arbeitsschutz aufweichen, längere Arbeitstage zulassen. „Viele nehmen eine Flexibilisierung der Arbeitszeit, wie sie die Arbeitgeber vorschlagen, als eine Verschlechterung ihrer Situation wahr“, so Schüle. „Deshalb sagen sie: Hände weg!“

Den Heimatbegriff nicht den Rechten überlassen

Auch der Abgeordnete Karamba Diaby aus Halle hat seine Arbeitswoche im Wahlkreis unter das Motto „Fraktion im Dialog“ gestellt. So hat er sich am Dienstag mit einer Gruppe Berufsschüler getroffen. „Die jungen Menschen verfolgen Netzpolitik, unser vernetztes Miteinander und die Digitalisierung der Wirtschaft sehr genau und sehr kritisch“, sagt Diaby. „Diese Neugier müssen wir für politische Zusammenhänge insgesamt nutzbar machen.“ In anderen Worten: Die SPD muss sich auch in Sachen Digitalisierung weiterentwickeln, um in Zukunft wieder Wahlen zu gewinnen.

Eine andere Lehre, die Diaby aus der Aktion „Fraktion im Dialog“ zieht: Die SPD dürfe den Rechten nicht den Heimatbegriff überlassen. Der Politiker ist im westafrikanischen Senegal geboren und 1986 als Student nach Halle gekommen. Heute ist Sachsen-Anhalt seine Heimat – egal, wie die Rechten das sehen. „Heimat ist für mich da, wo Familie und Freunde, Kolleginnen und Kollegen sind, wo man sich wohlfühlt und gerne lebt.“

Flüchtlinge als Projektionsfläche

Elisabeth Kaiser, Bundestagsabgeordnete aus Gera, kennt das Problem mit AfD und Co. auch in ihrem Wahlkreis in Ostthüringen. „Viele werden von der Polemik der Rechten beeinflusst, etwa beim Thema Familiennachwuchs“, sagt sie. Auf den Markplätzen ihrer Heimatregion sei sie diese Woche viel auf die Asyl- und Flüchtlingspolitik angesprochen worden. „Oft werden alle Probleme des Alltags auf die Flüchtlinge projiziert.“ Das sei falsch, findet Kaiser. Dennoch dürfe die SPD das Thema nicht ignorieren, müsse sich den Herausforderungen stellen. „In der Asylpolitik sehen viele, dass zum Beispiel in den Kitas nicht genügend Personal da ist, das auf die Integration vorbereitet ist.“

Ein anderes Thema, auf das Elisabeth Kaiser immer wieder angesprochen werde, sei die Ungleichheit zwischen Ost und West in Sachen Rente und Löhne, sagt sie: „Die Angleichung von Renten und Löhnen ans West-Niveau geht vielen nicht schnell genug.“ Das sei ein Beispiel für eine weit verbreitete Einstellung: Viele Bürger hätten das Gefühl, in Berlin werde für sie viel zu wenig getan.

„Nicht herumlavieren!“

Was kann die SPD daraus lernen? Für Elisabeth Kaiser ist die Antwort klar: „Wir müssen klar Position beziehen“, fordert sie. „Nicht herumlavieren! Die Leute wollen klare Ansagen.“ Ihre Partei müsse aus der Vergangenheit lernen, klare Kante zeigen: „Wir dürfen nicht versuchen, es immer allen recht machen zu wollen. Das funktioniert nicht!“

Autor*in
Paul Starzmann

ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.

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