SPD Sachsen-Anhalt: Drei Kandidat*innen, ein Ziel – der Landtag
Florian Korb
Keine zwei Jahre sind seit dem Anschlag auf die Synagoge in Halle vergangen. Eine schwere Holztür verhinderte am 9. Oktober 2019, dass ein Rechtsextremist in die Räumlichkeiten der jüdischen Gemeinde eindringen konnte. Igor Matviyets hat dieser Tag geprägt. Er ist Mitglied der jüdischen Gemeinde in Halle und kandidiert nun für den Landtag. Der Anschlag war für ihn ein „sehr großer Antrieb anzutreten, weil ich festgestellt habe, was man auf Landesebene bewirken kann“, sagt der Sozialdemokrat. Es geht ihm um eine andere Haltung innerhalb der Polizei, um Sicherheit für Religionsgemeinschaften in Sachsen-Anhalt und um Perspektiven für junge Menschen.
Die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt am kommenden Sonntag läuft bundesweit bislang noch etwas unter dem Radar. Dabei geht es um sehr viel. „Es ist bei vielen noch nicht angekommen, welche Brisanz diese Wahl hat. Erstmals könnte die AfD tatsächlich stärkste Kraft in einem Bundesland werden“, sagt Matviyets. Das will er verhindern und kandidiert im Wahlkreis Halle III, zu dem auch die Synagoge gehört. In deren Umfeld seine Wahlplakate aufzuhängen war ein besonderes Erlebnis für ihn.
Bei der Wahl vor fünf Jahren kamen die Kandidierenden von SPD, Linken und Grünen zusammen auf mehr als 50 Prozent der Stimmen. Den Wahlkreis gewann trotzdem der CDU-Mann mit gut 24 Prozent. Diesmal will Matviyets den Wahlkreis direkt gewinnen, auch wenn der Wahlkampf pandemiebedingt stark beeinträchtigt ist. „Es fehlt der Austausch mit den Menschen“, sagt er. Dennoch hat er sich kreative Aktionen überlegt, um für sich und die SPD zu punkten, zum Beispiel mit einem Pappaufsteller und dem Slogan „Pepe würde Igor wählen“.
Acht Kilometer zu Fuß zum Wahlkampftermin
Während Matviyets zugutekommt, dass er in seinem städtischen Wahlkreis viele Menschen auf einer relativ kleinen Fläche erreichen kann, gestaltet sich das bei Katharina Zacharias schwieriger. Ihr Wahlkreis Haldensleben ist 750 Quadratkilometer groß. Die Menschen flächendeckend zu erreichen, ist dadurch gar nicht so einfach. Teilweise läuft sie auch mal acht Kilometer zu einem Wahlkampftermin, weil die ÖPNV-Verbindungen mancherorts nicht ausreichen, um pünktlich anzukommen. Unterstützung erhielt die stellvertretende SPD-Landesvorsitzende in ihrem Wahlkampf kürzlich von Jusos aus Berlin und Niedersachsen, die mit ihr ein Wochenende lang Flyer verteilten.
Ansonsten versucht sie, mit themenbezogenen Tütchen auf sich aufmerksam zu machen: zu Weihnachten, zum Frauentag oder zum heutigen Kindertag. Sorgen bereiten ihr die pandemiebedingten Einschränkungen. „Wenn es so weitergeht, weiß ich nicht, wo wir Menschen treffen sollen. Da fehlt einem persönlich das Wahlkampffeeling“, sagt Zacharias. Das versucht sie nun vermehrt, in den sozialen Medien zu vermitteln. Auf Twitter folgen ihr mehr als 5.000 Personen. Sie hofft, das Direktmandat für die SPD erobern zu können: „Ich beackere die Gegend seit zwei Jahren bis zum Gehtnichtmehr und habe einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht.“
Allerdings fehlt auch ihr etwas das „Wahlkampffeeling“. Große Aktionen oder Wahlkampfstände waren kaum möglich. Soziale Medien sind für Zacharias „theoretisch eine super geile Ergänzung“, jetzt aber vielfach das einzige, das noch bleibt, um die Menschen im Wahlkampf zu erreichen. Die 31-jährige zweifache Mutter hofft auch deswegen auf den Einzug in den Magdeburger Landtag, weil sie glaubt, die Menschen in ihrem ländlich geprägten Wahlkreis angemessen repräsentieren zu können. „Ich komme als Köchin aus dem Handwerk. Außerdem bin ich Wendekind und weiß, wie es ist, wenig Geld zu haben“, sagt Zacharias.
Inspiriert von Malu Dreyer
Auch Katrin Gensecke kämpft gegen die schwierigen Begleitumstände des Wahlkampfs. „Die Pandemie schiebt uns alle in eine Einbahnstraße“, sagt sie. Um die Menschen in ihrem Wahlkreis auf sich aufmerksam zu machen, hat sie sich ihr Wahlplakat ins Auto gehängt. So entstünden zumindest ab und an Gespräche auf dem Parkplatz. Auch das „Schwatzen über‘n Gartenzaun“ hat sie zum Wahlkampfformat gemacht.
Wie Wahlkampf in Corona-Zeiten erfolgreich funktionieren kann, zeigte zuletzt Malu Dreyer, die bei der Landtagswahl im März mit der SPD in Rheinland-Pfalz 35,6 Prozent holte. Das hat Gensecke beeindruckt. Auch weil Dreyer genau wie sie an Multipler Sklerose erkrankt ist. „Malu Dreyer hat mich motiviert. Was sie schafft, zeigt, was möglich ist“, sagt die stellvertretende Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Selbst Aktiv.
Gensecke kandidiert auf Platz sieben der SPD-Landesliste und darf daher relativ sicher auf den Einzug in den Einzug in den Landtag hoffen. Dort will sie vor allem etwas für Menschen mit Behinderung tun, als Expertin in eigener Sache. „Ich will die Zuschauertribüne verlassen“, sagt sie und berichtet von großer Unterstützung durch Menschen mit Behinderung im Wahlkampf.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo